Qualitätskriterien für WfbM für seelisch behinderte Menschen Der Fachausschuss Arbeit der DGSP hat sich eingehend mit den Möglichkeiten von Arbeit für seelisch behinderte Menschen in Werkstätten beschäftigt. Anlass hierfür waren die eher ablehnende Haltung gegenüber den WfbM, die in der sozialpsychiatrischen Landschaft sehr oft anzutreffen ist, bei aber gleichzeitig kaum stattfindender Diskussion über das Arbeiten in Werkstätten (im Vergleich beispielsweise zum Wohnen in Heimen). Dabei stellt diese Form der Betätigung für rund 23 000 Menschen bundesweit das größte Angebot für nicht erwerbsfähige Menschen mit seelischer Behinderung dar. Mit der Ratifizierung der UN –Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung sind alle Formen der Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderung auf das Oberziel der individuellen Autonomie bei vollständiger Partizipation und sozialer Inklusion verpflichtet. Wie viele andere Einrichtungen und Dienste werden sich auch Werkstätten vor diesem Hintergrund fundamental umorientieren müssen. Der Beiratsvorsitzende der BAG Integrationsfirmen, Dr. Richard Auernheimer, weist auf der Jahrestagung 2009 der BAG aber auf die besondere Schwierigkeit dieses Anspruchs im Bereich Arbeit hin, wenn er sagt: „Wenn wir vom Wohnen reden, dann lassen sich viele Übergänge vorstellen. Wenn wir von Inklusion in der Bildung reden, fällt niemand ins Bodenlose. Auch ohne Förderschulen entwickelte sich die richtige, umfassende Förderung. Aber in der Arbeit ist es anders. In der Teilhabe am Arbeitsleben gibt es nur das Eine oder das Andere. Die Lösungen dazwischen fehlen.“ Es ist unstrittig, dass vorrangiges Ziel die weitere Entwicklung der „Lösungen dazwischen“, d.h. die Weiterentwicklung des Hilfesystems hin zu regional vernetzten, personenzentriert ausgerichteten und ortsnahen Hilfen zur Arbeit, sein soll, um sich dem in Artikel 27 der Konvention benannten Ziel eines offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderung zugänglichen Arbeitsmarktes weiter zu nähern. Für einen großen Teil der jetzt oder in naher Zukunft in WfbM tätigen Menschen mit seelischer Behinderung werden die Werkstätten jedoch auch weiterhin die einzige oder die bestmögliche Form der Teilhabe am Arbeitsleben darstellen. Bis es angemessene Alternativen in ausreichender Zahl gibt, ist sicherzustellen, dass ihnen diese Teilhabe auch in angemessener Form ermöglicht wird. Eine personenzentrierte Gestaltung der Teilhabe am Arbeitsleben ist dabei grundsätzlich auch in den WfbM möglich. Viele Werkstätten haben bereits ein hoch differenziertes Teilhabeangebot entwickelt und verfügen über breite Kompetenzen im Bereich der beruflichen Bildung und des vorbereitenden Arbeitstrainings. Dies stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar, da die Werkstätten sowohl rehabilitativ als auch wirtschaftlich tätig sein müssen. Aus Sicht der DGSP bedarf es zur personenzentrierten Verwirklichung des Teilhabeanspruchs von Menschen mit seelischer Behinderung auch der konzeptionellen und organisatorischen Gestaltung in WfbM, die die Umsetzung der folgenden Kriterien ausnahmslos zulässt. Nach Auf- fassung der DGSP tragen diese Kriterien den besonderen Bedürfnissen der seelisch behinderten Menschen Rechnung, anerkennen die Vielfalt der Menschen mir seelischer Behinderung und ihrer Ressourcen und Unterstützungsbedarfe und stehen im Einklang mit den geltenden rechtlichen Rahmenvorgaben. Allgemeine Rahmenbedingungen • Entscheidungen und Abläufe wie auch die bestehenden Strukturen sollen transparent gestaltet sein. Das umfasst besonders auch die Kenntnis darüber, wer welche Informationen (über die Beschäftigten) erhält und was damit geschieht. • Die uneingeschränkte Möglichkeit, in allen Bereichen einen Teilzeitarbeitsplatz zu erhalten sowie die Möglichkeit der kurzfristigen Anpassung von Arbeitszeit und Arbeitsplatz in Krisenphasen berücksichtigt die grundsätzlich anzunehmende herabgesetzte Ausdauer und Belastbarkeit, wie auch die für seelische Beeinträchtigungen typische Diskontinuität. Die flexible Anpassung von Arbeitszeit und gegebenenfalls Arbeitsplatz ist in besonderem Maße für seelisch behinderte Menschen erforderlich. Sie sollte kurzfristig und unbürokratisch möglich sein1. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt übliche alternative Formen der Arbeitszeitgestaltung, wie z.B. Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, Schichtarbeit oder z.B. 3 Tage-Woche, sollten ebenfalls als Instrument zur Ermöglichung der Teilhabe eingesetzt werden, wenn es zur Stabilität der Beschäftigten beiträgt. Die Werkstatt hat ihre Begleitenden Dienste ausreichend zu qualifizieren, dass sie entsprechende Einschätzungen vornehmen können. • Eine psychiatrische Qualifikation und Fortbildung der Mitarbeiter (Gruppenleitungen, Begleitende Dienste, Leitung) und angemessene persönliche Kompetenzen für die Tätigkeit sind sicherzustellen. Hierzu sollte auch das Angebot der Supervision oder Intervision gehören. • Auf die besonderen Anforderungen in der Arbeit mit seelisch behinderten Menschen abgestimmte personelle und methodische Ressourcen zur Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ( Integrationskonzept, jederzeit mögliche Vorbereitungs- und Erprobungsmaßnahmen bei Bedarf). • Ausreichende Zahl von Einzelarbeitsplätzen, bzw. beruhigten Plätzen, um der oft erforderlichen Reizreduktion zu entsprechen. • Ausreichende Zahl von Pausen- und Rückzugs-/Ruhemöglichkeiten (räumlich und zeitlich) • Möglichkeiten des unverbindlichen Kennenlernens der WfbM (Hospitationen, Praktika). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei seelisch behinderten Menschen meist Vorbehalte und Ängste in Bezug auf WfbM bestehen. Anders als bei vielen Menschen mit kognitiver Behinderung, die die WfbM bereits bei Schulpraktika kennen lernen, ist ihnen das Angebot zumeist fremd. Inhalte der Leistungen • Ein möglichst breites Spektrum an Arbeitsangeboten hinsichtlich der Arbeitsfelder und hinsichtlich des fachlichen Anforderungsprofils sowie der Verantwortung, so dass den unterschiedlichen beruflichen Vorerfahrungen und qualitativen und quantitativen Leistungsfähigkeiten entsprochen werden kann. Gerade bei Menschen mit seelischer Behinderung ist davon auszugehen, dass einige hoch anspruchsvolle Aufgaben bewältigen können, jedoch mit geringerer Ausdauer und Kontinuität. • Breites Spektrum an beruflichen Bildungsangeboten, der Zielgruppe und ihrer beruflichen Vorerfahrung und Leistungsfähigkeit entsprechend. • Breites Spektrum an sonstigen / persönlichkeitsfördernden Bildungsangeboten und Freizeitangeboten, der Zielgruppe und ihrer beruflichen Vorerfahrung und Leistungsfähigkeit sowie dem intellektuellen Niveau entsprechend. Schwerpunktmäßig sind auch Angebote der Psychoedukation vorzuhalten. • Die Mitwirkungsmöglichkeiten und Beschwerdemöglichkeiten der Beschäftigten sowie die Beteiligung des Werkstattrates und die Transparenz der unternehmerischen Entscheidungen sind ebenfalls den Fähigkeiten und Vorerfahrungen der Menschen mit seelischer Behinderung entsprechend zu gestalten. • Die Möglichkeit, in mindestens einem Bereich einen am Werkstattniveau gemessen relativ hohen Lohn zu verdienen, sofern die Leistungsfähigkeit und – bereitschaft besteht. Gestaltung von Kooperation und Vernetzung • Aktive und abgestimmte Mitwirkung in regionalen Verbünden / Netzwerken wie z.B. dem gemeindepsychiatrischen Verbund, um die regionale sozialpsychiatrische Versorgung zu kennen und mitzugestalten. • Vernetzung mit anderen Rehaangeboten, Einrichtungen und Diensten, um nahtlose und stabile Übergänge und flankierende Hilfen zu sichern und Brüche zu vermeiden oder zu mildern. 1 Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass aus Sicht der DGSP die gängige Praxis vieler Rehabilitationsträger, bei Teilzeitbeschäftigung aus behinderungsspezifischen Erfordernissen die Maßnahmepauschale des Entgelts pauschal zu kürzen, fachlich und rechtlich zu kritisieren ist. Qualitativ sind bei den Beschäftigten, die Teilzeit arbeiten, meist mehr und differenziertere Leistungen zu erbringen, auch ist die Inanspruchnahme der Begleitenden Fachdienste hier oft höher. Eine quantitative Festlegung der individuellen Leistungen wird im Werkstättenrecht nicht getroffen. Zu berücksichtigen wäre bei Teilzeitbeschäftigung allenfalls die Abgrenzung zu eventuell vorhandenen Angeboten des Zuverdienstes, wie es jetzt in einer aktuellen Empfehlung des Deutschen Vereins beschrieben worden ist.
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