Ich habe mein Erasmus-Semester im Wintersemester 14/15 in Lissabon an der Faculdade Ciencia Socias e Humana der Universidade Nova de Lisboa absolviert. Zu mir, ich studierte damals Politikwissenschaft im fünften Semester und hatte schon grundlegende Portugiesisch Kenntnisse. Vorbereitung: Die Vorbereitung war etwas Anstrengend, da man wie während des ganzen Aufenthaltes, mit sehr viel bürokratischen Unsinn beschäftigt wird. Zudem kamen noch meine Prüfungen und Klausuren, wodurch ich wenig Zeit hatte mich zu freuen oder groß auf den Aufenthalt einzustellen. Ich bin exakt einen Tag vor der ersten Pflichtveranstaltung in Lissabon angekommen. Wenn man Fragen hat oder Informationen möchte sollte man sich am Besten an ehemalige Erasmus Studenten wenden und nicht an die Mitarbeiter der dazu gehörigen Institutionen. So wird es auch den ganzen Aufenthalt weiter laufen. Immer andere Fragen. Niemand behält den Durchblick bei den unzähligen Zetteln und Fristen die man irgendwo unterschreiben und woanders dann einreichen muss. Ich habe mich mit meinem Vorgänger aus Lissabon getroffen und keine Veranstaltung hat mir so viel geholfen wie dieses Treffen. Stadtleben: Es gibt zwei Wege. Entweder man sucht sich von Deutschland aus eine Wohnung oder vor Ort. Ich habe mir von Deutschland aus über WG-Gesucht eine Wohnung besorgt, da ich so spät angereist bin und mir den Stress ersparen wollte. Viele die erst vor Ort gesucht haben hatten anfangs eine schwere Zeit. Ich würde vorschlagen sucht euch eine schlechte Wohnung von Deutschland aus und nehmt diese als Basis für weitere Wohnungssuchen. Ohne Orientierung und mit dem ganzen Uni-stress den man die ersten Wochen aufgeladen bekommt kann es sehr anstrengend sein ohne eine bleibe zum Ausruhen. Bei der Wohnungssuche sollte man darauf achten, dass eine Heizung vorhanden ist, ansonsten friert man sich im Winter die Beine ab. Auch Fenster sind nicht immer dicht und es kann schnell vorkommen das plötzlich das Zimmer samt Wertsachen, wie Laptop, unter Wasser steht. Das zahlt dir dann leider niemand. Ebenso sollte die Tür gut verschließbar sein. Ich habe zwar nur sehr wenig Kriminalität erlebt aber man hört sehr viel davon. Lissabon an sich ist eine wunderschöne Stadt zwischen alten nostalgischen Gebäuden und leider auch großer Armut. Ich habe direkt im Zentrum in Baixa Chiado gewohnt und es hat mir sehr gut gefallen immer viel Trubel um mich zu haben. Dafür war meine Wohnung etwas teuerer und kleiner. Wer sich für Lissabons Schönheit und Charakter interessiert sollte sich eine Dokumentation anschauen. Keine Beschreibung die ich im vorneherein bekommen habe hat auch nur annähernd gepasst. Es gibt sehr gute Öffentliche Verkehrsmittel. Es lohnt sich ein Monatsticket zu kaufen, was aber sehr viel Aufwand bedarf. Macht das so früh wie möglich. Einfach am Bahnhof z.B. Cais de Sodre nachfragen. Es gibt leider keine Studententickets aber die normalen Monatstickets sind auch nicht besonders teuer. Zu Beginn bin ich fast ausschließlich Metro gefahren. Später habe ich dann den Bus bevorzugt, weil man viel mehr sehen kann. Taxis sind auch ziemlich günstig, was gut für die Jenigen ist, die Abends gern weggehen. Allerdings fangen in Lissabon die Partys so spät an, dass man meistens schon wieder die erste Metro nehmen kann. Hochschulleben: Es gibt sehr viele verschiedene Hochschulen in Lissabon. Ich als Politikwissenschaft Student war an der FCSH. Ein kleiner gemütlicher Campus der sehr überschaubar ist. Mir hat es gut gefallen das der Campus so klein war, somit hat man sich schnell untereinander gekannt und man hat immer Leute getroffen. Es ist sehr schwer ein Learning Agreement von Deutschland aus zu erstellen, da die Kurse nur schwer zu finden sind, besonders die wenigen englisch sprachigen. Hier mein Tipp, tragt irgend welche Kurse ein und ändert die dann. Oft finden die Kurse dann auch gar nicht statt oder sind vom Inhalt ganz anders als erwartet. Wer kein portugiesisch spricht hat in der Regel keine Auswahl. Wem es nicht stört Kurse wie portugiesische Musik zu belegen und die sich anrechnen lassen kann und sowie so nur zum feiern gekommen ist der hat hier keine Probleme. Wer anständig studieren will und ein wenig portugiesisch kann sollte auf jeden Fall die portugiesischen Kurse, zumindest zum Teil besuchen. Der Unterricht ist entgegen aller Gerüchte alles andere als einfach, unstrukturiert, südländisch etc. Es herrscht Anwesenheitspflicht und wer nicht kommt fällt durch und kann sich von seinem Erasmus Zuschuss verabschieden. Ich habe auf jeden Fall sehr viel studiert und teilweise Kurse besucht die sehr viel besser waren als in Deutschland. Die Kurse finden zwei Mal die Woche für 120 Minuten statt. Also viel mehr workload als es in Deutschland die Regel ist. Es gibt fast immer mehrere Prüfungsleistungen. In einem Kurs z.B. hatte ich zwei Examen, ein Referat und eine große Hausarbeit für 6CP. Die Regeln hierzu wurden gerade auch wegen der Party Erasmus Studenten hart angezogen. Das soll euch aber alles nicht entmutigen ich habe es auch geschafft. Was ich einfach dadurch verdeutlichen will ist das ein ErasmusStudium in der Regel ein richtiges Studium ist, wenn man es ernst nimmt. Dazu muss ich noch sagen, dass die Benotung bei den meisten Dozenten sehr fair und entgegenkommend ausfällt. Durchfallen tut man in der Regel nicht wenn man sich ein wenig bemüht. In diesem Zusammenhang sollte ich noch das International Office an der FCSH loben. Wenn ihr Fragen habt oder Probleme geht immer ins international Office. Ganz im Gegenteil zu unserem international Office in Bremen helfen diese Leute immer und haben nicht grade mal wieder Mittagspause. Unkompliziertere Menschen, die immer eine Lösung finden habe ich selten getroffen. Erasmus-Leben: Das Leben als Erasmus-Student habe ich stark unterschätzt. Das Erasmus-Programm ist nicht zu unrecht verrufen als ein günstiger Party Trip. Gerade Lissabon wird von Erasmus Studenten gerade so überflutet. Bei diesen findet man, wenn man das denn so will, schnell Anschluss. Dann kann man im wahrsten Sinne des Wortes feiern bis der Arzt kommt. Die Erasmus Kultur hat mich dermaßen angewidert und mir stets das Gefühl gegeben ich wär auf einer Lorett-Fahrt. Die ersten Tage musste ich mich immer dafür rechtfertigen das ich noch nicht betrunken war oder keinen Karter hatte. Der Anschluss zu eiheimischen Studenten stellt sich in Hinblick auf das durchschnittliche Erasmus benehmen in der Stadt als deutlich schwierig heraus. Erasmus Studenten sind aufgrund ihres Auftretens nicht besonders beliebt unter den Einheimischen und stellen in meinen Augen eine parallel Gesellschaft zusammen mit den anderen Touristen dar. Vor allem wenn man sich nur auf seine englisch Kenntnisse verlässt wird man wenig vom wirklichen Lissabon kennenlernen. Fazit: Ein Auslandssemester ist auf jeden Fall weiter zu Empfehlen. Insbesondere, wenn man noch nie an einer anderen Universität studiert hat. Eindrücke und Erfahrungen habe ich ohne Ende erhalten und viele Dozenten und Kurse haben meinen Werdegang stark beeinflusst und geprägt. Die Schattenseite ist die bürokratische Hürde die mich bis heute plagt. Lissabon ist eine wunderbare Stadt und ich vermisse sie jeden Tag. Das Erasmus Programm bietet die Möglichkeit diese Stadt kennenzulernen, sowie die Universität. Nutzt dieses Angebot und wenn ihr lieber nackt auf einem Partyschiff über den Tejo schiffen wollt dann fahrt doch lieber nach Malle und zerstört nicht weiter das Bild des Erasmus-Programms und der Erasmus-Studenten.
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