Der Hanfkönig Mit ihrer Forderung nach Entkriminalisierung von Cannabis facht Maria Vassilakou, die Chefin der Wiener Grünen, die Diskussion wieder an. Alexander Kristen sieht dem Ergebnis gelassen entgegen. Der Wiener Unternehmer verkauft seit elf Jahren Cannabispflanzen – ganz legal. Immer den Willen anderer mit Gewalt durchzusetzen, das war nicht so meine Welt“, lautet die durchaus sympathische Begründung Alexander Kristens, warum er sein Studium der Rechtswissenschaften nicht beendet hat. Also zog er eine Prüfung vor dem Abschluss die Konsequenz aus seiner Erkenntnis und wechselte die Profession. Kristen wurde Unternehmer. Dass er als Geschäftsmann wiederum seine Rechtsauffassung kämpferisch durchsetzen musste, liegt an seinem Betätigungsfeld. Der 44jährige verkauft seit elf Jahren Cannabispflanzen. Das sind jene Hanfgewächse, aus denen das verbotene Rauschmittel Marihuana gewonnen wird. Dass Kristen nicht mit beiden Beinen im Kriminal steht, ermöglicht eine Besonderheit des Gesetzgebers. „Die Hanfpflanzen sind legal, so lange sie keine Blüten tragen“, erklärt der Unternehmer, während er uns durch sein Geschäft im 22. Wiener Gemeindebezirk führt. „Der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) entfaltet sich erst in den Blüten.“ Wer aus Kristens Pflanzen Cannabis gewinnen will, muss sie also erst zum Blühen bringen – und macht sich damit strafbar. In seinem „Flowery Field“-Laden weist zunächst auch nichts auf die erlaubten Hanfpflanzen hin. Der 44jährige führt kein Zubehör wie Wasserpfeifen, Wuzelpapier oder ähnliche zum Konsum von Marihuana erforderlichen Utensilien. Hobbygärtner können sich bei ihm hingegen umfassend eindecken. Blumenerde, Dünger, Zierpflanzen und Gefäße zur Aufzucht nehmen den größten Teil des 650 Quadratmeter großen Verkaufsraumes ein. Nur ganz hinten befindet sich ein abgetrennter Bereich mit etwa 200 Cannabis-Mutterpflanzen, aus denen er jene Stecklinge gewinnt, die er zu 9,50 Euro je Stück verkauft. „Die Plasmalampen versorgen die Pflanzen mit den benötigten UV-Anteilen, die sonst das Sonnenlicht liefert. Natriumdampflampen liefern den Infrarot-Anteil“, erklärt der Unternehmer die professionelle Ausrüstung. Die jeden Tag 18 Stunden leuchtet, damit die Pflanzen in ihrem legalen Zustand bleiben. „Sinkt die Beleuchtungsdauer, beginnen die Pflanzen, Blüten auszutreiben. Dann müssen sie vernichtet werden.“ Nach demselben Prinzip lässt Kristen auch auf seiner Plantage in Brunn am Gebirge (NÖ) das kostbare Grünzeug sprießen. Nur in wesentlich größeren Dimensionen. „Flowery Field“ hat vier Lagerhallen angemietet, jede groß und hoch genug, um darin eine Partie Volleyball spielen zu können. Die Schneider trennen die Triebe von den Mutterpflanzen, die Setzer pflanzen sie in einen Steinwollwürfel. Einige tausend Stecklinge warten in den Regalen auf ihre Auslieferung. Wieviel genau, kann der Geschäftsmann nicht sagen. Welche der mehr als 100 Cannabis-Sorten, die er im Programm hat, am ertragreichsten ist, oder welche den Wirkstoff in äußerst konzentrierter Form beinhalten, will er nicht sagen. In seinen Geschäftsbedingungen (AGBs), die jedem Kunden ausgehändigt werden, weist Kristen darauf hin, dass „unsere Zierpflanzen ausschließlich zu botanischen Zwecken zu verwenden sind … Sollte jedoch ein Kunde beabsichtigen, Suchtmittel aus einer von unserem Geschäft angebotenen Pflanze zu gewinnen, wird eine Strafbarkeit nach dem Suchtmittelgesetz begründet.“ Seine Vorsicht ist nicht unbegründet. Insgesamt wurde der Geschäftsmann vier Mal von der Kriminalpolizei angezeigt. In den Jahren 2004, 2005, 2006 und heuer. „Alle Verfahren wurden eingestellt und jetzt hab‘ ich das erste Mal von einem Gericht die Bestätigung, dass diese Zucht, wie ich sie betreibe, gesetzeskonform ist.“ Das Oberlandesgericht Wien stellte fest, dass der Handel mit Cannabis-Stecklingen legal ist, „wenn der Vorsatz auf Suchtgiftgewinnung fehlt“. Trotzdem liegt die Vermutung nahe, dass Kristen weiß, was seine Kunden mit den Pflanzen machen. Wie zum Beispiel jene Dame, die mit zwei Jungpflanzen am Schoß von ihrem Begleiter im Rollstuhl aus dem Laden geschoben wird. „Natürlich lasse ich die Pflanzen bis zur Blüte wachsen“, sagt die etwa 40jährige unumwunden. „Ich habe seit zehn Jahren Multiple Sklerose. Das Cannabis lindert meine Schmerzen und wirkt krampflösend. Und es treten, im Gegensatz zu den Medikamenten, die mir der Arzt verschrieben hat, keine Nebenwirkungen auf“, begründet die MS-Patientin ihren Besuch bei „Flowery Field“. Nur mit Schmerzpatienten und Liebhabern pflegeintensiver Zierpflanzen lässt sich der unternehmerische Erfolg Kristens natürlich nicht erklären. Seit er sein erstes Geschäft im Jahr 2004 eröffnete („Mit 30.000 Euro aus einer Erbschaft und 20.000 Euro Kredit“), als er die Pflanzen noch im Keller lagerte, hat sich viel getan. Mittlerweile verfügt er über vier Standorte, die dem Geschäftsmann einen Umsatz von vier Millionen Euro bescheren. „Aber Umsatz ist leider nicht Gewinn“, lacht Kristen. Seine Fixkosten sind auch nicht von schlechten Eltern. „Alleine an Stromkosten fallen jährlich 180.000 Euro an.“ Und auch die 30 Mitarbeiter wollen pünktlich ihren Lohn. Mit 1.500 Euro netto Einstiegsgehalt zahlt er überdurchschnittlich gut. „Es soll ja nach Abzug der Fixkosten den Menschen noch etwas übrig bleiben.“ Das könnte durchaus mehr werden, wenn der Konsum von Cannabis erlaubt wird, wie es etwa die Grüne Maria Vassilakou fordert. In zehn EU-Staaten und der Schweiz ist dies bereits der Fall.
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