35_57_0415_austro 25.05.15 09:54 Seite 44 T Technik pur I PROZESSAUTOMATION Nachgefragt bei Bernhard Kienlein (re.) und Werner Schöfberger (li.) von Siemens Process Industries and Drives Was bringt Digitalisierung in der Prozessautomation? Siemens' Messeauftritt auf der kommenden »Achema« in Frankfurt steht heuer ganz im Zeichen der Digitalisierung. Durch die Integration über den gesamten Lebenszyklus von digitalen Anlagen, durch den Aufbau einer einheit- Austromatisierung: Herr Kienlein, das »Achema«-Messemotto von Siemens lautet »From Integrated Engineering to Integrated Operation – Discover the Potential of Digitalization«. Ein schöner Slogan, der aber was genau zum Ausdruck bringen soll? „Die Digitalisierung macht es möglich, einzelne Prozessschritte über den gesamten Anlagenlebenszyklus zu integrieren.“ Bernhard Kienlein. lichen Datenlandschaft vom Engineering über den Betrieb bis zur Optimierung sowie durch die Kombination von vorkonfigurierten Betriebseinheiten mit standardisierten Schnittstellen erhöht sich die Flexibilität und somit lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit in den Prozessindustrien steigern – das verkündet der Global Player in seiner Pressemeldung im Vorfeld der Messe. Was Siemens unter dieser Digitalisierung im Detail versteht und wie sie konkret umgesetzt werden kann, fragte Austromatisierung bei Bernhard Kienlein, Leiter der Division Process Industries and Drives bei Siemens Österreich und Werner Schöfberger, Leiter der Business Unit Process Automation, nach. 44 Bernhard Kienlein: Ausgehend von unserem bestehenden und erfolgreich im Markt platzierten Angebot zur Elektrifizierung und Automatisierung treiben wir die Digitalisierung in den Prozessindustrien voran. Die Zukunft wird elektrisch sein, das heißt aufbauend auf dem weiter zunehmenden Bedarf an Elektrifizierung und Automatisierung sehen wir das größte Wachstumspotenzial im Markt bei der Digitalisierung. Denn sie macht es uns möglich, einzelne Prozessschritte über den gesamten Anlagenlebenszyklus – von der Planung über das Engineering, die Inbetriebnahme und den laufendenden Betrieb bis hin zu regelmäßigen Optimierungen und Modernisierungen – zu integrieren. Wir unterstützen dabei unsere Kunden als verlässlicher Partner mit spezifischen Branchen- AUSTROMATISIERUNG kompetenzen – wie, zeigen wir in Frankfurt auf der Messe »Achema« anhand konkreter Beispiele. Austromatisierung: Digitalisierung in Zusammenhang mit Integration sind doch auch Aspekte von »Industrie 4.0«... Kienlein: Ja natürlich. Um »Industrie 4.0« in der Prozessindustrie zu verwirklichen, fokussieren wir drei Handlungsfelder – nämlich die digitale Anlage, die Modularisierung und die permanente Optimierung der Produktionsprozesse. Grundlage dafür ist stets das digitale Modell bzw. die Datendurchgängigkeit über alle Lebenszyklusphasen einer Anlage. Werner Schöfberger: Wir nennen das auch die Integration in drei Dimensionen, nämlich vom 35_57_0415_austro 26.05.15 15:37 Seite 45 I MESSE Siemens zeigt Potenzial der Digitalisierung auf Engineering mit dem CAE-Tool »Comos« über die Inbetriebsetzung mit der Simulationsplattform »Simit« bis zum laufenden Betrieb mit dem Prozessleitsystem »Simatic PCS 7«. Ergänzend bieten wir weitere integrierte Software-Produkte wie beispielsweise unser Business Intelligence-Produkt »XHQ Operations Intelligence«, mit dem man Daten aus allen möglichen Quellen oder Formaten in Relation setzen, aggregieren und übersichtlich darstellen kann. Die Entscheidungsfindung verbessert sich enorm und das System ermöglicht hohe Einsparpotenziale im Betrieb durch optimales Fahren der Anlage. Unsere 3D-Virtual-Reality-Visualisierungssoftware »Comos Walkinside« erzeugt ein vollständiges, begehbares Abbild der Anlage, das mit den Daten in »Comos« integriert und somit allen Projektbeteiligten in einem Anlagenprojekt – sei es im Engineering, beim Training des Bedienpersonals oder im laufenden Betrieb – ein einheitliches Verständnis über den aktuellen Zustand der Anlage verschafft. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten nicht nur für Optimierungen sondern auch für Schulungszwecke. Austromatisierung: Was hat der Anwender – egal, ob Endkunde oder Systemintegrator – von der angesprochenen Integration bzw. Datendurchgängigkeit konkret? Fotos: Archiv; Schöfberger: Mit der Übergabe einer Anlage wird in der Regel auch die Planungsdokumentation überreicht. Die Anlage »lebt« dann allerdings über viele Jahre oder Jahrzehnte weiter. Das bedeutet, es gibt permanent Optimierungen, Umbauten, Ergänzungen. Die dafür notwendige Nachdokumentation gestaltet sich mit klassischen Methoden mitunter sehr aufwändig oder sogar unmöglich. Dabei sind Engineering-Projekte unter Einbeziehung von verschiedenen System durchzuführen: In der elektrischen Planung, in der Automatisierungs-Dokumentation und im Verfahrenstechnischen-Engineering. Ein System wie »Comos«, das alle Gewerke in sich vereint, bietet den wesentlichen Vorteil, dass jede Änderung lediglich in einem System gemacht werden muss und automatisch in den anderen Disziplinen übernommen wird. Das heißt, wir sprechen nicht mehr vom Plan einer Anlage, der zu einem bestimmten Stichtag erstellt wurde, sondern von einer kontinuierlich »mitlebenden« Dokumentation, die stets den aktuellen Zustand der Anlage widerspiegelt. Unter dem Motto »From Integrated Engineering to Integrated Operation – Discover the Potential of Digitalization« rückt Siemens auf der Fachmesse »Achema« das Thema Digitalisierung in den Mittelpunkt seiner Präsentation. Auf der rund 1.300 m2 großen Ausstellungsfläche zeigt Siemens, wie Unternehmen der Prozessindustrie mit integrierten Lösungen die Effizienz und Produktivität und somit ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können – u.a. anhand zweier Modelle von branchenspezifischen Lösungen: Eine modulare »Chem-API Batch«-Anlage demonstriert das nahtlose Zusammenspiel von Engineering- und Produktionsplanungssoftware mit Automatisierungssystemen und Prozessinstrumenten in Hygieneausführung. Das zweite Modell stellt eine Separationskolonne aus der chemischen Produktion dar und veranschaulicht den Vorteil einer durchgehenden Datenkommunikation. »Achema« Halle 11.0, Stand C3 Schöfberger: Das digitale Zusammenspiel von Planung, Automatisierung und Simulation sowie die Vor- und Rückwärtsintegration in den Planungsprozess ist der entscheidende Unterschied. Verfahrenstechniker, Elektriker, Automatisierer und Instandhalter können parallel auf Basis einer gemeinsamem Daten- „Wir sprechen nicht mehr vom Plan einer Anlage sondern von einer »mitlebenden« Dokumentation.“ Werner Schöfberger. bank arbeiten. Die ehemaligen sequentiellen Prozesse gehören damit der Vergangenheit an. Parallel zum Engineer-Prozess können permanente Simulationen durchgeführt werden, und die Erkenntnisse fließen sofort wieder in den Planungsprozess ein. Wir haben mit dem bidirektionalen Interface zwischen »Comos« und »Simatic PCS7« die Möglichkeit, weltweit die Engineering-Daten auf Knopfdruck für die Planung des Leitsystems zu nutzen und im Betrieb die Daten aus der Anlage wieder zurück in »Comos« zu spielen, um z.B. »Condition Based Maintenance«-Strategien zu implementieren. standhaltung inklusive der Anlagendokumentation in nur einem System durchzuführen. Jegliche Änderungen an der Anlage durch Instandhaltungsprozesse stehen somit auch direkt in den Engineering-Daten zur Verfügung. Darüber hinaus lassen sich die Daten, z.B. die Planung von Arbeitspaketen im Rahmen einer Wartungstour, einfach auf portable Endgeräte übertragen und im Anschluss aus dem Feld direkt wieder zurückspielen. So ist die Dokumentation immer aktuell und konsistent. Auch eine Anbindung an ERPSysteme ist verfügbar, um umgehend eine Materialbestellung auslösen zu können. Austromatisierung: Die Vor- und Rückwärtsintegration ist heute schon Stand der Technik und produktseitig verfügbar? Schöfberger: Mit den aktuellsten Versionen der CAE-Software »Comos«, dem Leitsystem »PCS7« und dem Simulationstool »Simit« funktioniert das schon sehr gut. Auch die 3D-Visualisierung mit »Comos Walkinside« ist als Produkt verfügbar und beispielsweise auf Bohrinseln bereits erfolgreich im Einsatz. Austromatisierung: Abschließend noch eine Frage zu Ihrem Geschäftsbereich – die Umstrukturierung des Siemens-Konzerns betrifft ja auch die Prozessautomation. Fruchtet die Neuaufstellung hierzulande bereits? Kienlein: Die nachhaltige Grundlage für die nächste Generation zu schaffen – das ist das Ziel der »Siemens Vision 2020«. Mit diesem langfristigen und nachhaltigen Wachstumsprogramm will Siemens die Eigentümerkultur stärken, die Organisation und Prozesse optimieren und sich entlang der Wertschöpfungsketten der Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung aufstellen. Im Zuge dieser Neuaufstellung wurden vier Sektoren mit insgesamt 16 Divisionen auf nun neun Divisionen gebündelt. Mit der Zusammenführung der Antriebstechnik, der Prozessautomatisierung und -instrumentierung mit den gerade bei uns in Österreich vorhandenen branchenspezifischen Applikationskompetenzen im Engineering und beim Service können wir jetzt noch schneller und zielgerichteter auf die Anforderungen unserer Kunden im CEE-Wirtschaftsraum eingehen. Austromatisierung: Danke für das Gespräch. Austromatisierung: Das behaupten andere CAx-Hersteller von ihren Produkten auch. Was kann hier Siemens mehr bieten? Kienlein: Konkret ermöglicht es das Produkt »Comos MRO«, die vollständige Verwaltung, Planung sowie Organisation von Betrieb und In- Gesprächspartner von Bernhard Kienlein und Werner Schöfberger war Austromatisierung-ChR. Th. Reznicek. PROZESS AUSTROMATISIERUNG 45
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