„Ich bin gespannt auf das KHSG II“

KHSG – NACH DER ANHÖRUNG, VOR DER VERABSCHIEDUNG (II.)
HIGHLIGHTS 23/15 – 23. SEPTEMBER 2015
„Ich bin gespannt auf das KHSG II“
Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse
Der Kliniksektor ist traditionell der größte Ausgabenblock in der gesetzlichen KrankenverVLFKHUXQJ*.90LWWOHUZHLOHÁLH‰HQVFKRQ0LOOLDUGHQ(XURDQGLHUXQG.UDQNHQhäuser in Deutschland – das sind fast 190 Millionen Euro an jedem Tag des Jahres. Und die
Steigerungsraten liegen seit vielen Jahren deutlich oberhalb der Entwicklung der beitragsSÁLFKWLJHQ(LQQDKPHQ²DOVRGHU(LQNQIWHDXIGLHGLH*.90LWJOLHGHUXQGLKUH$UEHLWJHber Krankenkassen-Beiträge bezahlen.
Dilemma Nummer 2: Die Bundesländer bleiben seit Jahren (regional sehr unterschiedlich)
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Euro weniger als 20 Jahre zuvor, und ihr Anteil ist von einem Viertel Anfang der 70er Jahre
auf nur noch gute drei Prozent gesunken. Das Geld für neue Geräte oder die Instandhaltung des Daches müssen die Kliniken also aus dem laufenden Geschäft erwirtschaften –
gewissermaßen also „neue Hüften für neue Fenster“.
Die vielen Köche und der Brei umschreiben das dritte Problempaket: Die starke föderale
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KHSG – NACH DER ANHÖRUNG, VOR DER VERABSCHIEDUNG (II.)
HIGHLIGHTS 23/15 – 23. SEPTEMBER 2015
Verankerung des Kliniksektors führt dazu, dass Strukturpolitik nicht selten am Kirchturm halt
macht. Aber welchem Landrat kann man schon verübeln, dass er „sein“ Krankenhaus
mit Zähnen und Klauen verteidigt? Für alle, die wiedergewählt werden möchten, ist genau das die politische Ratio. Gesellschaftliche Veränderungen und Weiterentwicklungen
in der medizinischen Versorgung stehen einer Krankenhauslandschaft gegenüber, die unter unübersehbarem Anpassungsdruck steht. Die Liste der unterschiedlichen Dilemmata
(die sich leider noch verlängern ließe) macht jedoch deutlich, dass die Hoffnung auf ein
Durchschlagen dieses Gordischen Knotens realitätsfern ist.
Umso wichtiger ist es, dass sich im vergangenen Jahr eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe dieses Themas angenommen hat und wir 2015 tatsächlich über ein Krankenhaus-Strukturgesetz (KHSG) reden. Darauf, dass tatsächlich strukturelle Veränderungen angegangen werden sollen, lässt die Reaktion der Kliniken schließen. Mit einer Art Endzeitstimmung und in
Ausrufezeichen-Rhetorik macht die Deutsche Krankenhausgesellschaft ihrem Unmut Luft
– gipfelnd in einem Aktionstag am 23. September mit – ganz 90er Jahre – einer Demo vor
dem Brandenburger Tor.
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Kahlschlag der stationären Versorgung in der Klinik stehe bevor. Tatsache ist, dass es unter
dem Strich keine Vergütungskürzung bei den Krankenhäusern geben wird, sondern zum
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die in der Vergangenheit zu oft erbracht worden sind, zu reduzieren. Letzteres liegt übrigens ausdrücklich im Interesse der Patienten. Die Operation kann qualitativ noch so gut
erbracht werden, wenn sie medizinisch nicht notwendig ist, handelt es sich um schlechte
Qualität.
Um die erforderlichen Strukturveränderungen in der Krankenhauslandschaft voranzubringen, sieht das KHSG einen Fonds vor, der mit 500 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve
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in gleichem Maße aufgestockt werden soll. Die Konzentration stationärer VersorgungsanJHERWHRGHUGLH8PZDQGOXQJYRQ.OLQLNHQ]XP%HLVSLHOLQ3ÁHJH]HQWUHQRGHUVWDWLRQlUH
Hospize ist durchaus sinnvoll und am künftigen Versorgungsbedarf orientiert. Allein: Sie wird
in der Umsetzung scheitern und in der föderalen Endlosschleife münden. Landauf landab
werden Wetten abgeschlossen, wie viele Kliniken auf diesem Weg geschlossen oder umgewidmet werden. Meine Prognose: weniger als eine Hand Finger hat. Alles andere würde mich positiv überraschen.
Ausdrücklich begrüßenswert ist es, dass der Aspekt „Qualität“ eine deutlich größere Bedeutung bekommen soll als bisher. So soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)
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KHSG – NACH DER ANHÖRUNG, VOR DER VERABSCHIEDUNG (I.)
HIGHLIGHTS 23/15 – 23. SEPTEMBER 2015
weitreichende Befugnisse bekommen, über Richtlinien Standards für die Krankenhausversorgung vorzugeben. Dazu zählt zum Beispiel der Auftrag, Qualitätsindikatoren zur Struktur-,
Prozess- und Ergebnisqualität vorzugeben, die als Grundlage für Planungsentscheidungen
der Bundesländer dienen sollen. Gleichzeitig werden Regelungen eingeführt, mit denen
die Einhaltung dieser Qualitätsvorgaben konsequenter durchgesetzt werden sollen, zum
Beispiel durch einen Vergütungsausschluss oder neudeutsch „Don‘t pay for underperformance“. Diese Regelungen haben das Potenzial, mittelfristig die Weichen in die richtige
Richtung zu stellen – wenn, ja wenn sie nicht im selben Atemzug wieder verwässert würden. Die Schwäche des KHSG-Entwurfs besteht nämlich in der mangelnden Verbindlichkeit für die Bundesländer, diese Qualitätsvorgaben in ihren planerischen Entscheidungen
auch tatsächlich zu beachten. Offenbar ist es ihnen gelungen, die bestehende Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu konservieren. Es ist nicht abwegig zu erwarten, dass uns „gewachsene Strukturen“ als Chiffre für die mangelnde Bereitschaft zu echten Veränderungen begegnen werden – siehe Dilemma Nummer 3.
Objektive und einheitlich gültige Kriterien, mit denen der künftige Bedarf ermittelt werden könnte, fehlen leider. Und damit – siehe Dilemma Nummer 2 – besteht auch weiter
die Gefahr, dass die derzeit ohnehin schon nicht ausreichenden Investitionsmittel, die von
den Bundesländern aufgebracht werden müssen, auch noch am Bedarf vorbei eingesetzt
werden. Hinsichtlich der zukünftigen Krankenhausplanung dürften sich Sozialminister und
Landräte darüber freuen, dass schon auf der ersten Seite des Gesetzentwurfs gleich zweimal „gut erreichbar“ vor „qualitativ hochwertiger Krankenhausversorgung“ steht.
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nicht zuletzt für die Behandlungsqualität enorm wichtig. Man könnte sogar noch deutlich
weitergehen und zum Beispiel die Erbringung bestimmter Leistungen oder Operationen an
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die Leistung nicht mehr abrechnen und würde sie in der Folge auch nicht mehr erbringen
- auch dies im Qualitätsinteresse des Patienten. In jedem Fall wird man genau hinsehen
PVVHQGDVVGDV*HOGIUGLH)|UGHUXQJYRQ3ÁHJHVWHOOHQDXFKWDWVlFKOLFKÅDP%HWW´DQkommt und nicht zweckentfremdet wird.
Alles in allem ist es gut, dass der Gesetzgeber ein Augenmerk auf den Krankenhausbereich
legt, auch wenn der „große Wurf“ natürlich ausbleiben wird. Wenn nicht auch hier die Gesetzeslage hinter den gesellschaftlichen und medizinischen Entwicklungen hinterherhinken
soll, wird es weiterer gesetzgeberischer Initiativen bedürfen.
Ich bin gespannt auf das KHSG II.
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