KOMMENTAR ZUM KAMPF UMS BARGELD IST BARGELD FREIHEIT VON C HR I S T I NE T S C HÜ T S C HE R Wer braucht noch Bargeld? Kartenzahlung ist viel bequemer. Außerdem: Auch Terroristen zahlen bar… Immer lauter werden die Rufe nach einer Abschaffung des Bargelds. Christine Tschütscher von der Bank für Gemeinwohl hält dagegen. „Bargeld im Börserl Trotzdem könnten diese Entwicklungen der erste Schritt zur Abschaffung des Bargeldes sein. Feststellbar ist nämlich, dass es bereits jetzt überwiegend in Ländern, deren Wirtschaftspolitik von der EU-Troika dominiert wird, teilweise Beschränkungen des Bargeldes gibt (siehe Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich …). Diesen Vorboten einer möglichen generellen Bargeldlimitierung kann man nur mit maximaler Skepsis begegnen. Größere Abhängigkeit von Banken Es fällt auf, dass diese Begrenzungen zu einem Zeitpunkt beschlossen wurden, als Banken in die Bredouille kamen. Zufall? Im Falle eines Bankencrashs verhindert eine Bargeldbeschränkung einen Run aufs Bargeld, die Bankkunden können ihre Gelder nicht mehr beheben. Erinnern wir uns an den Beginn der Griechenland-Krise, als die Menschen in langen Schlangen vor verschlossenen Banktüren standen und verzweifelten. Wenn aus Geld nur mehr virtuelles Buchgeld wird, das von einem Konto aufs nächste fließt, geraten die Bürger in größere Abhängigkeit von den Banken. Negativzinsen, wie sie von Zentralbanken bereits eingeführt sind, würden dann rascher auch für die Bürger spürbar werden. Und wenn der Leitzins sinkt, können die Banken ihre Margen so bequem erhal- 94 E-MEDIA.AT / MÄRZ 2016 Bargeldabschaffung trifft die Schwachen Bankmanagerin Christine Tschütscher fürchtet eine schleichende CashAbschaffung. FOTO: WIRL PHOTO on der deutschen Regierung kommt die Forderung einer gesetzlichen Obergrenze von 5.000 Euro für Barzahlungen. Bis Mai will nun die EU-Kommission prüfen, ob diese Obergrenze und die Abschaffung der 500-Euro-Note im Kampf gegen die Terrorismusfinanzierung eingeführt werden können. Unser Finanzminister kann der Idee einer Barzahlungsgrenze einiges abgewinnen, spricht sich jedoch gegen die unpopuläre Idee einer Bargeldabschaffung aus. ten. Die Menschen hätten dann keine Möglichkeit mehr, diesen Maßnahmen auszuweichen. Besonders betroffen wären Menschen am Rande der Gesellschaft, nämlich Menschen ohne Bankkonto: Asylwerber oder nicht kreditwürdige Personen wie Suchtkranke, Verschuldete und Obdachlose gerieten dann noch stärker ins Abseits. Aus meiner Erfahrung als langjährige Bankmanagerin kann ich auch sagen: Die Privatverschuldung würde vorangetrieben, denn vielen Personen fällt es mit der zunehmenden Digitalisierung des Geldes immer schwerer, ihren Konsum unter Kontrolle zu halten. Ich finde es daher wichtig, dass Jugendliche bares Taschen- viele Menschen – auch ich – bisher kaum jemals benötigt haben. Virtuelles Geld auf dem Vormarsch Eines ist jedoch ganz deutlich feststellbar: Die Virtualisierung des Geldes ist nicht aufzuhalten. Auch die zukünftige Bank für Gemeinwohl wird in erster Linie eine Online-Bank sein, obgleich es in den Bundesländern mobile Bankberater geben wird. Die so eingesparten Kosten kommen dem Gemeinwohl zugute: Die dem Institut anvertrauten Gelder werden ausschließlich in sinnstiftende Projekte wie Alternativenergie, Wohnprojekte oder soziale Firmen investiert werden. Mittels einer angeschlossenen Crowdinvestment-Plattform werden Bürger sogar selbst bestimmen, in welche konkreten Projekte sie ihre ist die letzte finanzielle Privatsphäre.“ geld ohne Bankkonto erhalten, um den Umgang mit Geld zu begreifen; das Geld in der Hand zu halten. Auch in unserer Gemeinwohl-Akademie, die allen Interessierten offensteht, schulen wir das Wissen rund ums Geld, um dem verbreiteten Finanz- und Geldanalphabetismus in der Bevölkerung mit Aufklärung entgegenzutreten. Lückenlose Überwachung Ebenso bedenklich ist der Datenschutz. Denn wer gezwungen ist, bargeldlos zu bezahlen, kann leichter überwacht werden – sei es vom Staat, sei es von datenhungrigen Unternehmen oder durch die Geldmafia. Bereits jetzt grassiert die Finanzkriminalität durch Phishing oder Skimming (Knacken von Bankomat- und Kreditkarten), und seit Edward Snowden müssen wir einen bewussteren Umgang mit unseren Spuren im Netz pflegen. Das Bargeld im Börserl ist da womöglich eine der letzten finanziellen Privatsphären, die uns verbleiben. Mir ist es daher wichtig, beim Wirt ums Eck oder im Blumenladen auch noch in 30 Jahren mit Bargeld zu bezahlen. Unproblematisch fände ich hingegen die Abschaffung der 500er-Banknoten, die Gelder investieren möchten. Und auch hier kommt wieder die Bargeldlimitierung ins Spiel: Je mehr Bargeldbegrenzung per Gesetz etabliert wird, desto hilfloser sind die Bürger jenem Zocken ausgeliefert, das die Banken seit 2008 so sehr in Verruf gebracht hat. Schleichende Abschaffung Lasst uns die aktuelle Diskussion rund ums Bargeld sehr wachsam beobachten. Der Mitte Februar von den EU-Finanzministern proklamierte „Aktionsplan gegen die Terrorfinanzierung mittels Bargeld-Limit“ könnte ein erster Probelauf für die schleichende Abschaffung des Bargeldes per Salamitaktik ein. Denn unter dem Mantel der Terrorbekämpfung wurden in den letzten Jahren wichtige Bürgerrechte beschnitten. Gegen diese demokratiefeindlichen Bestrebungen müssen wir auftreten. Zur Person Christine Tschütscher ist Vorständin der Genossenschaft des Projektes Bank für Gemeinwohl. Unter dem Namen entsteht derzeit Österreichs erste ethische Alternativbank, die sich auf das Kerngeschäft von Banken beschränkt: Sparen, Kredite und Zahlungsverkehr. Kredite werden nur an Unternehmen vergeben, die Gemeinwohlorientierung nachweisen – nach Kriterien wie Ökologie und Nachhaltigkeit. Seit Sommer 2015 haben 3.000 Genossenschafter mehr als 2 Millionen Euro bereitgestellt. Ab 200 Euro kann jeder mitmachen. www.mitgruenden.at MÄRZ 2016 / E-MEDIA.AT 95
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