Die Strahlung von Langdrahtantennen und ihre Nullwinkel

Antennen
Langdrahtantennen sind einfach, billig,
schnell aufzuhängen und trotz ihrer simplen Konstruktion sehr wirkungsvoll. Daher
sind Langdrähte auch außerordentlich
häufig anzutreffen. Besonders auf den niederen Bändern tun sie gute Dienste. Aber
nicht jeder 20-m-Draht, der im Garten
baumelt, ist schon eine Langdrahtantenne.
Es gehört schon ein bisschen mehr dazu!
Leider ist in den letzten Jahrzehnten das
Wissen um die Langdrahtantenne kaum
gepflegt worden. Man war bequem geworden und hatte auch seine Aufmerksamkeit
mehr auf spektakuläre Antennenformen
gerichtet. Deshalb sollen die grundlegenden Tatsachen hier offen gelegt werden.
Und wie es sich bei sorgfältiger Untersuchung ergibt, können wir stolz mit einigen
Neuheiten aufwarten.
πL × (1 - cos Θ)
L × (1 - cos Θ)
1 - cos Θ
cos Θ
Nullwinkel bei Stehwellenerregung
Diese Formel ist natürlich mehrfach gültig für: λ, 2λ, 3λ, wir bekommen also:
cos Θ = 1 - n/L; n = 0; 1; 2; 3; …
Nullwinkel für Drähte mit Wanderwellen
[2]
Θ = cos-1 (1 - n/L)
L = Länge des Drahtes in λ, n = 0; 1; 2; 3; …
Als praktisches Beispiel wählen wir einen Draht von der Länge 2λ.
Die Nullwinkel für Θ sind: Θ0 = cos-1 (1 - 0/2); Θ1 = cos-1 (1 - 1/2);
Θ2 = cos-1 (1 - 2/2); Θ3 = cos-1 (1 - 3/2); Θ4 = cos-1 (1 - 4/2). Werte größer als |1| sind für den Cosinus nicht möglich. Der Taschenrechner quittiert so etwas mit „error”!
Θ3 = cos (- 0.5) = 120°
Die Ergebnisse sind: Θ0 = cos (1) = 0°
Θ1 = cos-1 (0.5) = 60° Θ4 = cos-1 (- 1) = 180°
-1
Θ2 = cos (0) = 90°
-1
Bild 1: Haupt- und Nebenkeulen und die trichterförmigen Antennencharakteristiken.
Die Strahlung von
Langdrahtantennen
und ihre Nullwinkel
Wanderwellen
Nullstellen der Strahlung
Eine Langdrahtantenne stellt ein Beispiel für eine Wanderwellenantenne dar. Die Bezeichnung „Langdraht“ meint einen geraden Leiter mit
einer Länge von einer bis zu vielen Wellenlängen. Kürzere Drähte bis
zu etwa 3λ werden fast immer in Stehwellen erregt, wenn wir nicht
besondere Anstalten vorsehen, sie in den Wanderwellenmodus zu bringen. Es ist bekannt, dass die stromführenden Halbwellen-Abschnitte
Antennencharakteristiken hervorrufen, die in eine Anzahl von Strahlungskeulen gespalten sind. Die Zahl dieser Keulen wächst mit der
Länge der Antenne an. Zwischen den Keulen liegen scharfe Nullstellen ohne Strahlung. Im dreidimensionalen Raum entpuppen sich die
Keulen als fleischige Trichter, die axial um die Drahtachse der Langdrahtantenne angeordnet sind. Bild 1 gibt einen Eindruck davon. Wenn
in Folge hier von Keulen die Rede ist, so haben wir damit stets den
Schnitt durch den Drehkörper im Auge, und wissen genau, dass es
räumliche Trichterkörper sind.
Die Verteilung der abgestrahlten Energie um eine Langdrahtantenne in
Erregung mit einer Wanderwelle wird durch den Formfaktor FΘ beschrieben, den wir auch Polarkoeffizient nennen können <1>.
Wie schon Bild 1 zeigt, treten die Nullstellen bei bestimmten Winkeln
auf. Mathematisch sind dies Nullstellen einer Funktion. Physikalisch
sind es Winkel ohne Strahlung, die wir Nullwinkel nennen wollen. Die
Nullwinkel der Strahlung zu finden ist recht einfach. Wir müssen nur
[1] gleich Null setzen:
FΘ = 0. Da eröffnen sich sofort drei Möglichkeiten:
2. Wenn sin Θ nicht Null ist, muss der erste Teil der Gleichung [1] Null
sein.
sin (πL × (1 - cos Θ) = 0
πL × (1 - cos Θ) = 0
1 - cos Θ = 0
cos Θ = 1
Θ =0
Das Ergebnis ist das gleiche wie in 1.
[1]
FΘ = sin (πL × (1 - cos Θ)) × sin Θ/(1 - cos Θ)
Θ = Winkel zwischen dem abgestrahlten Feld und der Drahtachse
L = Länge des Drahtes, gemessen in λ
3. Es ist wohl bekannt: Die Sinuskurve schneidet die X-Achse bei den
in Radiant gemessenen Winkeln Θ = π, 2π, 3π, … Dort ist sin π = 0
und dies ergibt für den ersten Teil von [1]:
40
=π
=1
= 1/L
= 1 - 1/L
Um diese Formel zu lösen, quadrieren wir den ersten Term, quadrieren
den zweiten Term, addieren beide Werte und ziehen daraus die Quadratwurzel. Das Ergebnis wird noch durch sin Θ geteilt. Die Lösung
dieser Formel [3] für Drahtantennen, die eine gerade Anzahl von Halbwellen lang sind, erhalten wir nach langwierigen Umformungen als:
FΘ = sin (πL × cos Θ) / sin Θ
L ist eine gerade Zahl von λ/2!
[4]
-1
Zu sehen ist das auf Bild 2. Auf diese Weise berechnete Nullwinkel
stimmen mit der Antennentheorie exakt überein, es sind also keine
Näherungslösungen.
Für Drahtantennen mit Längen, die eine ungerade Anzahl von Halbwellen lang sind, erhalten wir aus [3]:
FΘ = cos (πL × cos Θ) / sin Θ
L ist eine ungerade Zahl von λ/2!
[5]
Ermitteln der Nullwinkel
1. Die Länge ist ein gerades Vielfaches von λ/ 2
In Formel [4] setzen wir: FΘ = 0. Weil sin Θ nicht größer als 1 sein
kann, können wir schreiben:
sin (πL × cos Θ) = 0
Der Sinus ist 0 für Argumente von: 0; π; 2π; 3π; So ergibt sich:
πL × cos Θ = 0; π; 2π; 3π; ...
L × cos Θ = 0; 1; 2; 3; ...
cos Θ = 0/L; 1/L; 2/L; 3/L; ... oder
cos Θ = n/L; n = 0; 1; 2; 3; …
Nullwinkel geradzahliger λ/2-Drähte in Stehwellenerregung:
n = 0; 1; 2; 3; ...
[6]
Θ = cos-1 (n/L);
L ist die Länge in λ und ein gerades Vielfaches von λ/2.
Bild 2: Nullwinkel einer 2l-Wanderwellenantenne.
Als praktisches Beispiel wählen wir L = 1λ. L ist ein gerades Vielfaches von λ/2. Wir bekommen aus [6] für die Werte in den Klammern:
n/L = 0/1 and 1/1 and 2/1. Dann sind die Nullwinkel Θ = cos-1 (0) = 90°
und Θ = cos-1 (1) = 0°. Der dritte Wert „2“ ergibt keinen Winkel und ist
Unsinn, weil cos Θ = 2 nicht existiert. Bild 3 zeigt das Feldstärke-Diagramm mit den beiden Nullwinkeln.
1. Die Länge ist ein ungerades Vielfaches von λ/2
Wir setzen in [5] FΘ = 0 und erhalten: cos (πL × cos Θ) = 0. Der Cosinus ist 0, wenn sein Argument lautet: π/2; 3π/2; 5π/2; … So ergibt sich:
πL × cos Θ = π/2; 3π/2; 5π/2;…
L × cos Θ = 1/2; 3/2; 5/2; …
cos Θ = 1/2L; 3/2L; 5/2L; … oder
cos Θ = m/2L; m = 1; 3; 5; …
1. sin Θ = 0; das bedeutet Θ = 0 mit dem Ergebnis: In Richtung der
Drahtachse gibt es keine Strahlung.
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Wenn ein Draht verhältnismäßig kurz ist, z. B. 1λ bis 3λ, dann
schwingt er in Stehwellen, es sei denn wir treffen besondere Maßnahmen für eine Erregung in Wanderwellen. Der Formfaktor oder der Polarkoeffizient beschreibt die Abstrahlung und lautet <2>:
FΘ= ((cos(πL ×cos Θ) - cos πL) +j(sin(πL × cos Θ)
- sin (πL) × cos Θ)) / sin Θ
[3]
Dabei ist L = Länge in λ
j = imaginärer Operator
Nullwinkel ungeradzahliger λ/2-Drähte in Stehwellenerregung:
m = 1; 3; 5; 7; …
[7]
Θ = cos-1 (m / (2 × L));
L ist die Länge in λ und ein ungeradzahliges Vielfaches von λ/2.
Wir wollen dies für eine Drahtantenne von L = 3,5λ anwenden und
erhalten:
Bild 3: Nullwinkel einer 1l-Stehwellenantenne.
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Θ = cos-1 (m/7)
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Antennen
Das ergibt folgende Argumente: m/7 = 1/7; 3/7; 5/7; 7/7. Der Bruch 9/
7 ist nicht mehr brauchbar, weil er größer als 1 ist. Die dazu gehörigen
Nullwinkel sind: Θ = 81,8°; 64,6°; 44,4° und 0°. Diese Winkel sind in
Bild 4 zu sehen.
Neue, allgemeine Formel für Nullwinkel der Strahlung
von durch Stehwellen oder Wanderwellen erregten
Drahtantennen
Weitere Untersuchungen und Berechnungen zeigen, dass ein in Stehwellen erregter Langdraht nur Nullwinkel hat, wenn er Vielfache von
λ/2 lang ist. Alle anderen Längen haben keine Nullwinkel, sondern
Minima mit verminderter Strahlung. Wir sehen in Bild 5 das Diagramm der Feldstärke eines Drahtes von L = 1,75λ. Da gibt es nur einige Minima, aber keine Nullwinkel mit Ausnahme der Null in Achsrichtung. Drähte einer Länge von ungeradzahligen Vielfachen von λ/4
(also: 0,75λ, 1,25λ, 1,75λ, 2,25λ usw.)zeichnen sich durch besonders
kleine Minima und sehr geringe Nebenkeulen aus. Sie sind hervorragend dazu geeignet, die Hauptstrahlung zu verstärken und die Nebenstrahlung zu unterdrücken. Eine Tatsache, die in der Antennentechnik
bisher kaum Beachtung gefunden hat.
Im Gegensatz zur Erregung in Stehwellen, hat ein in Wanderwellen
erregter Draht jeder beliebigen Länge ausgeprägte Nullwinkel (siehe
Bild 6, L = 1,75λ). Wenn wir die Formeln [2], [6] und [7] in eine einzige, zusammenfassende Formel kombinieren, erhalten wir für alle
Drahtantennen, gleichviel, ob sie in Stehwellen oder Wanderwellen
erregt sind, eine allgemeine Formel.
Allgemeine Formel für Nullwinkel
[8]
Θ = cos-1 (1 - n / L) ; n = 0; 1; 2; 3; …; L = Länge in m λ
Achtung: Antennen mit Wanderwellen haben Nullwinkel,
gleichviel wie lang sie sind. Antennen mit Stehwellen haben Nullwinkel nur bei Längen in Vielfachen von λ/2. Bei allen anderen
Längen treten nur Minima auf. Die Stehwellen-Nullwinkel sind
Einzelwerte (Singularitäten).
Bild 7 zeigt uns die Nullwinkel für Stehwellenantennen. Unten sind die
Nullwinkel nach der ersten Keule (Hauptkeule) zusammengefasst. In
der Mitte sind die Nullwinkel nach der zweiten Keule und oben der
Nullwinkel nach der dritten Keule zu sehen. Die Linien zwischen den
Nullwinkeln deuten nur die Zusammengehörigkeit an.
Aus den bis hier erarbeiteten Grundlagen sind zwei Fakten besonders
hervorzuheben: Die allgemeine Formel für Nullwinkel (neu!) und die
zu einem Minimum zusammengeschrumpften Nebenkeulen bei Stehwellenantennen, wenn diese 0,75λ, 1,25λ, 1,75λ, 2,25λ usw. lang sind.
Bild 4: Nullwinkel einer 3,5l-Stehwellenantenne.
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Bild 5: Feldstärkediagramm einer 1,75l-Stehwellenantenne, keine Nullwinkel!
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Bild 6: Feldstärkediagramm einer
1,75l-Wanderwellenantenne, fünf Nullwinkel!
Aus solchen Elementen lassen sich für die Praxis qualitativ hoch stehende Antennen konstruieren, wie z. B. resonante Rhomboid-Antennen. Der zweite Teil dieser Arbeit wird sich mit den Maxima der Strahlung befassen und mit einigen überraschenden Ergebnissen aufwarten
können.
Karl H. Hille, DL1VU
(Fortsetzung folgt)
Literatur und Quellen:
<1> G. S. Ajsenberg, Kurzwellenantennen, Fachbuchverlag Leipzig,
1954, hier: Seite 97 ff.
<2> a. a. O., Seite 100 ff
Bild 7: Die Nullwinkel von Stehwellenantennen treten als Einzelwerte
nur an l/2-Punkten auf.
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