Fahrdynamikdaten übertragen und visualisieren

MESSTECHNIK
im Kofferraum
platzierten Messtechnik zur Erfas-
© Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern
Präsentation der
sung von Fahrzeugwelche mittels
Telemetriesystem
in den Auswerteraum übertragen
werden.
Fahrdynamikdaten übertragen
und visualisieren
Auf einem Presse- und Kunden-Fahrevent rund um das Thema Fahrdynamik
hat Continental in unterschiedlichen Testreihen das Verhalten moderner Reifen­
konstruktionen gemessen. Diese Fahrdynamikmessdaten wurden via Telemetrie
aus dem Messfahrzeug übertragen und online ausgewertet. Mithilfe dieser
Visualisierung konnten komplexe fahrdynamische Stabilitätsanalysen in den Kontext der von den Testfahrern erlebten Fahrzeugreaktion projiziert werden.
D
ie Sicherheit im Straßenverkehr
hängt von vielen Faktoren ab: vom
Fahrer, den Informationen durch
Verkehrsleitsysteme, einem gut abgestimmten Fahrwerk, usw. Wesentlich
für die Umsetzung von Fahrbefehlen
auf Grundlage solcher Faktoren ist dann
der Kontakt zwischen Reifen und Fahrbahn. Ohne guten Kraftschluss an dieser Stelle kann man weder lenken noch
bremsen oder beschleunigen. Kurz gesagt: Alle Daten und Systeme nützen
nichts, wenn der Reifen keinen Grip auf-
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baut. Moderne Reifenkonstruktionen
bieten hier eine erstaunliche Sicherheitsreserve. Um das in der Praxis erfahrbar zu machen, veranstaltete der
Reifenhersteller
Continental
einen
Event, bei dem Vertreter der Presse
und Kunden selbst zum Testfahrer wurden. Dabei wurde in unterschiedlichen
Testreihen das Verhalten moderner Reifenkonstruktionen gemessen.
Intelligente Embedded-Plattformen
im Testfahrzeug erfassten die vor Ort
generierten Daten und übertrugen sie
per Telemetrie an einen externen Auswertecomputer. So ergab sich für jede
Fahrt eine nachvollziehbare visuelle
Auswertung.
Eigene Erfahrungen sind eine gute
Basis für die Weitergabe von Wissen.
Auf diesem Weg wollte Continental den
Vertretern der Presse und Entscheidungsträgern aus der Industrie neuste
Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit
moderner Reifen vermitteln. An der
Fahrstation „Under Pressure“ wurde
dazu der Ladungsverlust eines voraus© Carl Hanser Verlag, München
Alle Bilder: Continental, Ixxat
bewegungsgrößen,
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aus den Versuchsfahrten bei den Veranstaltungen ausgelesen, übertragen und
visualisiert. So konnte während hoch­
dynamischer Fahrmanöver im Grenzbereich der Einfluss eines Minderfülldrucks dargestellt werden. Dabei wurden sowohl die Belastung der Reifenaufstandsfläche wie auch die unterschiedliche Fahrzeugreaktion durch die
messdatengestützte Fahrdynamiksimulation ansprechend visualisiert. (Bild 3).“
Während früher für Messfahrten oft
externe Messgeräte wie das Schlepprad eingesetzt wurden, können heute
viele Daten direkt über das fahrzeugeigene Bussystem aus den vorhandenen
Sensoren ausgelesen werden. Schließlich werden ja Messwerte für ABS,
ESP, Traktionskontrolle, usw. ständig
erfasst und übertragen. Alternativ zum
Datenabgriff direkt aus dem Fahrzeug
wäre auch der Einsatz eines speziellen
Messlenkrads infrage gekommen. Dieses war jedoch nicht in ausreichender
Anzahl verfügbar und bot zudem haptische Nachteile gegenüber dem Serienlenkrad, was die Praxisnähe des Tests
beeinträchtigt hätte.
Anspruchsvolle
Testbedingungen
Christian Cramer aus der Gruppe Test
Method Development & Vehicle
Dynamics entwickelte und leitete die
­
Fahrstation „Under Pressure“ (Bild 2).
Das Anforderungsprofil erklärte er so:
„Der realitätsnahe Test war nur durch
eine optimale Datenbasis richtig zu
visualisieren. Auf Basis von Vorversu­
chen wählten wir ein für diesen Test
­geeignetes Fahrzeug aus, eine Mittelklasse-Limousine mit exzellenter Fahrdynamik. Um jede einzelne Testfahrt individuell auszuwerten, wurden dann
fahrzeuginterne Signale der Sensoren
zur Darstellung von Fahrdynamikdaten
i
Bild 1: Rund 2300 internationalen Gästen wurde während der Conticabana-­
Fahrveranstaltung der Einfluss des Fülldrucks auf die Fahrstabilität von
­K raftfahrzeugen erfahrbar gemacht.
Praxisorientierte Automotive Tools
Ixxat bietet eine Embedded-Plattform für Anwendungsfälle, bei denen
mehrere Bussysteme in einem Gerät mit eigener Rechenleistung zusammengeführt werden müssen. So wird ein PC nur noch für die Konfiguration
bzw. Simulation, Auswertung und Visualisierung benötigt. Die eigentliche
Intelligenz, z. B. für die Transportprotokolle, ist auf die Embedded-Plattform
ausgelagert, die über einen eigenen Prozessor und ein Echtzeitbetriebs­
system verfügt. So können im Prüfstand alle Teile eines Fahrzeugs isoliert
vom Fahrzeug praxisgerecht getestet werden, z. B. die Servolenkung.
Gleichzeitig lassen sich auch fahrzeugeigene Daten schnell und sicher
­extrahieren und für die externe Weiterverarbeitung bereitstellen.
Mit der Gateway Configuration Software und der Restbussimulations­
lizenz lässt sich eine FlexRay/CAN-Restbussimulation für einzelne oder
­mehrere Steuergeräte generieren, um diese unabhängig von anderen Netzwerkteilnehmern zu testen. Dazu gehören u.a. Generierung des nötigen Nachrichtenverkehrs, Reaktionen auf von Testgerät gesendete Nachrichten uvm.
Auf der Hardwareseite stehen dabei je nach Anforderungen die Plattformen
FRC-EP150, -EP170 und -EP190 zur Verfügung. Eine Signalvisualisierung
­ermöglicht die einfache Anzeige und Stimulation aller Signale der angeschlossenen Netzwerke über einen integrierten Webserver.
www.hanser-automotive.de
© Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern
fahrenden Kraftfahrzeugs simuliert und
die Brems- sowie Ausweichaktion der
Testfahrer (Bild 1) bei unterschiedlichen
Reifenfülldrücken
messtechnisch
­erfasst. Diese Fahrdynamikmessdaten
wurden via Telemetrie aus dem Messfahrzeug übertragen und online aus­
gewertet. Eine anhand der Messdaten
parametrierte Fahrdynamiksimulation
erlaubte anschließend dem einzelnen
Gast, die fahrphysikalischen Grund­
lagen nachzuvollziehen. Mithilfe dieser
Visualisierung gelang es, komplexe
fahrdynamische Stabilitätsanalysen in
den Kontext der eigens erlebten Fahrzeugreaktion zu projizieren.
Komplexe Aufgabe
schnell gelöst
Eingriffe in das komplexe Bussystem
des Fahrzeugs sollten für das System
selbst „unsichtbar“ geschehen, um
Störungen im Betriebsablauf sicher auszuschließen. Hier nahmen die Reifenhersteller die Firma Ixxat mit ins Boot.
Der Spezialist für komplexe Datenkommunikation bietet eine Embedded-Plattform an, die bereits verschiedene Bussysteme in einem Gerät mit eigener Rechenleistung zusammenführt. Die Plattform kennt von Haus aus verschiedene
Transportprotokolle und war daher wie
geschaffen, um einen praxisnahen
Massentest auf dem vorgesehenen
Fahrzeug schnell zu realisieren.
Die Daten wurden durch FlexRayzu-CAN-Gateways mit darauf ab­
gestimmten Konfigurations- bzw. AnaHANSER automotive 3-4 / 2015
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dynamikingenieur
Christian Cramer
analysiert die
Fahrmanöver der
Gäste mittels
eines aus OnlineMessdaten parametrierten Fahrdynamiksimulationsmodells.
Christian Cramer ergänzt: „Der Zeitvorteil gegenüber allen anderen Lösungen
beträgt nach unserer Erfahrung etwa
den Faktor 4. Dabei bietet diese Vorgehensweise noch weitere Vorteile wie
Modularität und Flexibilität der Lösung,
eine für den Kfz-Einsatz wichtige hohe
Temperaturstabilität, hohe Datengüte
sowie eine intuitive FlexRay-zu-CANKonvertierung. Darüber hinaus werden
Loggerfunktionalität und neben der
lyse-Tools im Wagen extrahiert, an die
Telemetrie weitergeleitet, übertragen,
extern aufbereitet und visualisiert. Die
Alternative einer rein CAN-basierten
Lösung wurde schnell verworfen. Diese hätte ein für den Test weniger gut
geeignetes Fahrzeug erfordert und den
Parametrierungsaufwand für die Fahrdynamiksimulation deutlich erhöht. Wegen des begrenzten Zeithorizonts war
dieser Ansatz daher keine Option.
Unter Zeitdruck
Da der Termin der Veranstaltung bereits
feststand, mussten die technischen
Voraussetzungen für den rund einen
­
Monat langen Massentest schnell geschaffen werden. Zudem war höchste
Zuverlässigkeit des Equipments gefordert, denn Wiederholungen einzelner
Testfahrten waren im engen Zeitplan
nicht möglich. Nels von Schnakenburg,
­Section Manager Technical Event Management bei Continental erklärt dazu:
„Mit
den
Hardwarekomponenten
Bild 4: Die Hardwarekomponenten FRC-EP190 und FRC-EP170 von Ixxat sparen
als Embedded-Plattform Zeit und Geld, wenn es um Bussimulation oder Datenabfrage geht.
­ RC-EP190 und FRC-EP170 (Bild 4) in
F
Verbindung mit der Gateway Configuration Software von Ixxat konnten wir die
Gesamtentwicklung für die Umsetzung
der Messtechnik inklusive der Aufbereitung der Telemetrie mit vier Mitarbeitern in rund fünf Monaten abschließen.“
plattformunabhängigen Visualisierungsmöglichkeit auch zukunftssichere Erweiterungsmöglichkeiten wie z. B. für
CAN-FD angeboten.“
So konnte der Zeitplan perfekt eingehalten werden. Es war keinerlei Basisentwicklung nötig und das Zusammenspiel der Komponenten mit dem ausgewählten Fahrzeug klappte perfekt. „Da
alle Teile der Technik perfekt ineinander
griffen und das System zuverlässig und
stabil über die gesamte Eventzeit arbeitete, war das natürlich auch für die Außendarstellung der Firma ein Pluspunkt.
So konnte auch die Marketingabteilung
und der Vertrieb davon profitieren und
Continental sich als innovativer Partner
rund um Reifen, Fahrzeug und Fahrversuche profilieren,“ ergänzte von Schnakenburg. W (oe)
»» www.ixxat.de/
embedded-platform_de.html
Bild 3: Das Bild zeigt die Online-Auswertung eines gefahrenen Fahrspurwechsels
mittels Fahrdynamiksimulation. Die vom Kunden gespürte Instabilität des Hecks
kann mittels Footprint-Analyse erklärt werden. Die im Fülldruck reduzierten
Reifen der Hinterachse können die erforderlichen Seitenkräfte nicht mehr hin­
reichend aufbauen (vgl. Footprints auf der linken Seite).
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Bild 2: Fahr­
Dipl.-Ing. Erdmut Reis ist
Automotive Business Development
Manager bei der Ixxat Automation
GmbH.
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