Interview mit Lioba Braun zu ihrer ersten szenischen Isolde am Staatstheater Nürnberg © 2012 Teresa Pieschacon Raphael – 2013 steht im Zeichen von Richard Wagner. Was bedeutet Ihnen seine Musik? Ich liebe und schätze seine Musik sehr. Faszinierend für mich ist vor allem die künstlerische und gestalterische Herangehensweise an die einzelnen Figuren. Jede steht für eine fassettenreiche innere Verfassung, aus der heraus sie angelegt ist. Eine Herausforderung, die insbesondere auch die Partie der Isolde betrifft. – Dabei stand Wagner zunächst gar nicht im Mittelpunkt Ihres künstlerischen Wirkens. Sie sind in Würzburg aufgewachsen, in einer gewissen geographischen Nähe zu Bayreuth… …ja, aber ich ging an die Hochschule für Musik, um dort Kirchenmusik zu studieren. Ich lernte, Fugen und vierstimmige Choräle zu schreiben, machte mein A-Examen und wurde Regionalkantorin. Ich war zwar ganz weit weg von der Oper, hatte aber immer diesen Drang nach Weiterentwicklung in mir. Ich hätte nie gedacht, dass aus meiner Leidenschaft zum Singen eine Profession werden würde. Übrigens, als Kirchenmusikerin finde ich den Inhalt des Parsifal faszinierend: die Gralsszenen, die Taufe im dritten Akt oder den Karfreitagszauber. – Und Sie nannten Ihren Sohn Tristan ! (lacht) Mein Sohn bekam den Namen noch bevor ich mit dem Wagnerfach begann. Ein Kollege meines Mannes hieß so, und der Name gefiel uns sehr gut. Erst als Tristan zwei Jahre alt war, sang ich 1994 meine erste Brangäne nach zwei Repertoire-Vorstellungen gleich als Einspringer in Bayreuth neben Waltraud Meier unter Daniel Barenboim. – Dem war ein Anruf von der Bayreuther Festspieldirektion um zehn Uhr abends vorausgegangen, ob Sie am nächsten Tag um 17.00 Uhr in Bayreuth die Brangäne aus Wagners „Tristan und Isolde“ singen könnten? Ja, ich war total perplex, erlebte die schlimmste Nacht meines Lebens. Als ich dann auf das Bayreuther Festspielhaus zufuhr, verließ mich kurzzeitig der Mut, aber Daniel empfing mich so warmherzig, dass die Nervosität schnell wich. Und irgendwie hieß es dann nur noch „Toi Toi Toi“, da auch keinerlei Zeit für eine musikalische oder szenische Probe verblieb. Die Kollegen halfen mir sehr in dieser damals für mich so neuen und einzigartigen Akustik des Festspielhauses. – Seitdem sind Sie auf der ganzen Welt im Wagner-Fach zuhause. Nun ist es Isolde, die Sie in einer Neuproduktion am Staatstheater Nürnberg unter der musikalischen Leitung von Marcus Bosch singen werden. Auch die Isolde kam auf mich zu, 2006 wurde sie mir erstmals angeboten, ich habe sie abgelehnt. Erst jetzt fühle ich mich sicher, sie in einer kompletten Inszenierung zu singen. Es gibt den richtigen Zeitpunkt für alles im Leben. – Warum nicht früher? Als Mezzosopran braucht man eine sehr gute Höhe und Durchhaltevermögen für diese Partie. Es ist wie ein Marathonlauf, der erste Akt allein dauert eine Stunde und zwanzig Minuten. Schon deshalb hätte ich das als junge Sängerin gar nicht machen können. Mir steht heute ein anderer Erfahrungsschatz und ein differenzierteres technisches Bewusstsein für die eigene Stimme zur Verfügung. Die konzertanten Aufführungen mit Andris Nelsons in Paris und Birmingham Anfang dieses Jahres bekräftigten meinen Entschluss, die Partie jetzt auch szenisch umzusetzen – Regie führt Monique Wagemakers. Seit 2. Juli probieren wir szenisch, davor haben wir schon musikalisch geprobt. Ich bin sehr glücklich mit dem Regiekonzept, ich fühle mich abgeholt. Monique hat viel mit Harry Kupfer gearbeitet. Das spürt man an ihrer konsequenten Führung der Figuren und ihrer Detailtreue – Mit Harry Kupfer hatten auch Sie bereits in der Neuinszenierung von Wagners „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ gearbeitet Er gab mir Wesentliches an die Hand, was für mein Sängerleben und die Arbeit auf der Bühne unerlässlich ist. Sätze wie „was Du oben auf der Bühne denkst und fühlst, überträgt sich nach unten auf Dein Publikum...“ sind prägend gewesen. – Können Sie das Besondere an der Inszenierung von Monique Wagemakers beschreiben? Sie belässt die Geschichte nicht nur oberflächlich beim Liebesdrama, sondern schafft es, sich entlang des vorgegebenen Textes in verschiedene tiefenpsychologische Ebenen zu lesen und es dann in der Szene umzusetzen, und zwar so, dass es logisch nachvollziehbar ist. Das Besondere daran ist das „WIE“! – Zum ersten Mal steht in einem Wagner’schen Musikdrama ein wirkliches Menschenpaar aus Fleisch und Blut auf der Bühne. Einer der wesentlichsten Momente in den vielschichtigen menschlichen Beziehungen dieses Werkes ist die Stelle im 1. Akt „Er sah mir in die Augen ...“ Mit diesem Moment geraten bisher eindeutig gelebte Strukturen ins Wanken. – Menschliche Bindungen sind also immer bedroht und werden verraten. Isolde begeht Verrat an ihrem Volk, schließlich bringt sie Tristan, den Mörder ihres Verlobten Morold, nicht um, da sie ihn liebt. Tristan wiederum verrät aber durch seine Liebe zu Isolde – der irischen Königstochter – seinen Vormund Marke, der ihn wie einen eigenen Sohn liebt. – Aus welchem stimmlichen und psychologischen Reservoir schöpfen Sie bei der Darstellung dieser Emotionen? Singen ist ganzheitlich zu begreifen: Die Stimme bin ich vom Scheitel bis zur Sohle. Eine ausgereifte Technik beinhaltet eine Transformation der innersten Emotionen in die Stimme hinein. Die psychologische Durchdringung einer solchen Partie steht auch immer in engem Zusammenhang mit eigener Lebenserfahrung und Reife. In der Biografie der Isolde manifestiert sich ein Reifevorsprung gegenüber Tristan, der es ihr im 1. Akt ermöglicht, eine klare Lösung des vorhandenen Konflikts, nämlich den gemeinsamen Tod mittels eines giftigen Trankes einzufordern – in ihrer Konsequenz eine sehr weibliche Vorgehensweise. – Bevor sich allerdings der gemeinsame Tod am Schluss als Liebestod einlöst, kommt jedoch noch der zweite Akt. Die Nacht wird zum Symbol für die Liebe und die Vereinigung der Beiden über den Tod hinaus. Diese Sehnsucht nach der Nacht steht für die Sehnsucht nach Geborgenheit, zurück in den Ursprung jeglichen menschlichen Daseins: „Das Land, das Tristan meint, der Sonne Licht nicht scheint. Daraus die Mutter mich gebar...“ Diese Sehnsucht mündet letztlich in den Liebestod, der mit seinem Text und seiner Musik die Tür zur Ewigkeit öffnet und uns ahnen lässt, wohin die Reise für uns alle geht. -Können Sie noch etwas über die Ausstattung und das Bühnenbild sagen? Nur soviel sei verraten: Weder Sequenzen von Videoclips, noch Shoppingmalls oder Tiefgaragen als Schauplätze sind angedacht.
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