Reportage von Isolde König

Reportage von Isolde König
32. Internationale Meisterschaft "Lange Strecken" in Braunschweig vom 26. - 28. Februar 2016
Der Beginn
Eine perfekt ausgestaltete Schwimmhalle erwartete die Masters schon
am Vorabend der Meisterschaften. Der Braunschweiger Löwe – „ich
bin ein Braunschweiger
Löwe und seeeeehhhrrr
stark“ - bewachte die
Banner der Bundesländer, die Fahnen der ausländischen Vereine ( Paris Aquatique aus Frank- Schwimmhalle Braunschweig (Bild: Isolde König)
reich, Middlesbrough asc
und Otter SC aus Großbritannien, NDCO –Odemira aus Portugal, SV Flipper
Gossau und SV beider Basel aus der Schweiz), die Stühle und Liegen, die
Arbeitsgebiete der Kampfrichter, den Tisch der Fachsparte und die Anzeigetafel, auf der sich das DSV-Masters Logo mit dem Logo der Meisterschaften
und wichtigen Hinweisen abwechselten. Eine lichtdurchflutete Schwimmhalle
die förmlich nach mehr Wettkämpfen schreit und ein Veranstaltungsteam, das
jeden noch so kleinen Wunsch mit „klar, machen wir“, quittierte.
Meldungen von 222 Vereinen mit 1076
Einzel – und 59 Staffelmeldungen konnte
der „Chef des Protokolls“ Kai Mario Falk
entgegen nehmen. Er war auch Ansprechpartner für viele Fragen und gemeinsam mit Marcus Kilian hatten die
beiden die Halle im Griff. Und nie darf
man vergessen, dass zwei Sachen die
Zweitwichtigsten sind: Die Verpflegung
unter der Leitung von Tina Paul, Carola
Henning und Elisabeth Borrmann sowie
das Protokoll, bei dem Sina Zeller die
Eingaben in einem rasanten Tempo vornahm.
Chef des Protokolls Kai Mario Falk
(Bild: Isolde König)
v.l. Tina Paul, Elisabeth Borrmann, Marcus
Kilian, Kai Mario Falk (Bild: Isolde König)
Der Wettkampf
Aber natürlich sind das Wichtigste beim Wettkampf die Ergebnisse. Alle zeigten tolle Wettkämpfe mit vielen persönlichen Bestzeiten; hier und da gingen
nicht alle Träume in Erfüllung. Auch wenn die Teilnehmerzahlen nicht überwältigend waren, so war es einmal wieder die Rekordflut: 27 Deutsche Rekorde, 8 Europarekorde und 7 Weltrekorde untermauerten die schon seit Jahren führende Position der deutschen Masters.
Und hier ein paar unserer Rekordler:
Barbara Gellrich, Dr. (AK
55/Mainzer Schwimmverein
01) Bild: Isolde König
Helga Reich (AK 80/SC Wiking
Herne) Bild: Isolde König
Gabriele Brkowski (AK
55/SC Wiking Herne) Bild:
Isolde König
Brigitte Merten (AK
70/SG Neukölln Berlin)
Bild: Isolde König
Marina Spottke (AK 35/Berliner
TSC) Bild: Isolde König
Werner Schnabel (AK 80/1.
Dresdner Schwimmgemeinschaft)
Bild: Isolde König
Peter Kauch (AK 60/SV Gladbeck
13) Bild: Isolde König
Kurt Frei (AK 70/Schwimmverein
beider Basel) Bild: Isolde König
links: Maike Grösch (AK 30) rechts: Ina
Ziegler (AK 50) beide TSC Berlin (Bild:
Isolde König)
Peter Hoberg (AK 60/SV
Mannheim) Bild: Isolde
König
Matthias Miller (AK
45/SG Wuppertal) Bild:
Isolde König
Die Begegnungen
Es waren auch dieses
Mal wieder die seit Jahren anhaltenden Freundschaften,
die
eine
Mastersmeisterschaft
zum Leben erweckten.
Umarmungen hier, Küsschen dort…
Da konnten wir im Bad
Rolf Schadenberg willkommen heißen. Rolf
Schadenberg, der im Jahre 1969 in Bad Gandersheim die ersten deutschen
Mastersmeisterschaften
mit organisierte.
Ulrike Urbaniak und Rolf Schadenberg (Bild: Isolde König)
Schon lange Gast bei unseren DM Lange Strecken ist Kurt Frei. Alle zwei bis
drei Jahre nimmt der Schweizer an unseren DM teil. Drei Schweizer Rekorde
stellte er in Braunschweig auf. In seiner Jugend war er Leistungsschwimmer,
klopfte bei der Nationalmannschaft an, dann war 30 Jahre Pause. Der Steuerbeamte joggte, wanderte durch die Welt der Schweizer Berge. Und dann
hat er wieder angefangen: 60 Schweizer Rekorde hält er in den AK 55 – 70;
damit alle Rekorde bis auf 200 m Schmetterling. Und das bei einem Training
von nur drei Mal in der Woche.
Berührend war für mich persönlich auch ein Gespräch mit Dr. Ralf Luge. Er
schlenderte mal so eben an unseren Tisch und meinte: „Ich beobachte seit
Jahren deine Arbeit und finde das toll.“ Da wird doch die Seele gestreichelt!
Ralf ist selbständiger Orthopäde und gehört zu jenen Ärzten, die das Messer
erst einmal liegen lassen und stattdessen mit vielen anderen Möglichkeiten
der Medizin eine
Heilung der kaputten Knochen
versuchen.
Auch er war in
der
Kindheit
Schwimmer; seine beste Platzierung war der 3.
Platz bei den
westdeutschen
Meisterschaften.
Dann spielte er
Dr. Ralf Luge und die Autorin der Reportage Isolde König (Bild: Isolde König)
Basketball, joggte, studierte, zog vier Kinder groß, von denen drei freudbetonte Schwimmer
sind.
Überhaupt dieses freudbetonte: Er ist in seinem Verein Koordinator für die
Trainerausbildung. Da sieht er mit Sorge, dass immer weniger Kinder
schwimmen können. Immer mehr Bäder werden geschlossen oder zu Spaßbädern umgebaut. Damit können die Kinder zwar „baden“ gehen, können
aber nicht in einem See schwimmen. Und die Ablage der Bestimmungen für
das Seepferdchen ist für die Eltern zwar eine freudige Sache. Aber dass damit Kinder nicht schwimmen sondern sich nur über Wasser halten können,
dass kann man nicht oft genug erklären. Er richtet deshalb sein Hauptaugenmerk im Verein nicht so sehr auf die Leistungsförderung, sondern auf den
Breitensportbereich, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene beim
Schwimmen zu halten.
„Wat kann icke dafür, dass du gerade ein Meter aus dem Erdboden rausguckst!“ Das hörte ich vor 54 Jahren von der Sportlerin auf der Bahn neben
mir bei den Wettkämpfen der ersten Kinder – und Jugendspartakiade in Berlin.
Christa Simmen, so geschätzte 1,88 m,
schaute mit Wohlwollen und von oben
herab auf meine 1,56 m herunter. Wir
sind uns immer mal wieder begegnet. Sie
wurde 1950 in Rathenow, der Stadt der
Brillenoptik, geboren. Christel Schulz –
damals noch Steffin - kam von den
Olympischen Spielen 1960 mit einer
Bronzemedaille nach Hause zurück (das
war die Medaille der gemeinsamen deutschen Staffel über 4 x 100 m F). Das hat
Christa so fasziniert, dass sie nun auch
Schwimmerin werden wollte. Aber in einen Leistungssportklub wollte sie nie.
Christa Simmen (Bild: Isolde König)
Blieb also in Rathenow, lernte dort einen
Beruf in der Brillenoptik. Als in Rathenow eine Schwimmhalle gebaut wurde,
wurde sie zuerst Schwimmmeisterin, dann hauptamtliche Trainerin. Mit dem
„Aufschwung Ost“ ging es nicht so gut – die Schwimmhalle wurde abgerissen! So suchte und fand sie ab 1992 eine neue Heimat in Hildesheim. Sie
konnte wieder als Schwimmmeisterin arbeiten und fand wieder Gefallen am
Training. Ja, und wer mit und bei Walter Kusch trainiert, der muss doch gut
werden. Jahrelang kämpfte sie um eine Medaille beim Brustschwimmen.
Endlich war es so weit: 2011 hatte Sabine Morche-Bloch nicht gemeldet und
Christa wurde Deutsche Meisterin über 100 m Brust. Aber es ging noch was.
Seit 2012 verbringt sie jeden Sommer als Schwimmmeisterin auf Lanzarote.
Da hat sie auch Zeit. Und nun der große Wurf gelungen: Deutsche Meisterin
über 200 m Brust! Gratulation Christa.
Der Gast aus Großbritannien
Enrico Hahn? Das klingt aber sehr
nach
deutschem
Bürger!
Ich
brauchte nicht mühsam meine mageren Englischkenntnisse hervorzukramen – der Junge sprach fließendes Deutsch. Wie kommt man aus
England zu den DM? Geboren in
Senftenberg – das liegt im Lausitzer
Braunkohlenrevier nahe der polnischen Grenze – im Anschluss des
Abiturs - Hallo, Welt ich komme!
Das hieß im Klartext zunächst ein
Jahr La Gomera und Fuerteventura
als Sportanimateur; Nebeneffekt
Spanisch lernen. Dann kam erst
einmal ein Jahr die Wehrpflicht an
die Reihe. Die Berufsausbildung
Enrico Hahn aus Großbritannien (Bild: Isolde König)
schloss er nach 2 ½ Jahren als Reiseverkehrskaufmann ab und begann bei
Conny Neubert auch wieder mit dem Schwimmen. Aber die Welt ist ja groß!
Also ab für ein Jahr nach Australien, nach Sydney. Angenehmer Nebeneffekt,
Englisch perfekt zu sprechen. Und von Sydney ging es direkt nach London –
dort ist er in einem Reisebüro tätig, das vor allem Geschäftsreisedienste anbietet. Von den DM in Braunschweig fährt er zum Piranha-Meeting und von
dort zu einem WK in England – Erfahrungen sammeln für größere Wettkämpfe.
Schwimmen als Lebensretter
Vor einem Jahr erreichte uns die schlimme Nachricht, dass einer der besten
Schwimmer der AK 75 an Krebs erkrankt ist. Dr. Gerhard Hole wurde in diesem Jahr Deutscher Meister über 200 m Rücken. Man hat ihn aufgrund seiner gesundheitlichen Gesamtsituation Medikamente
gegeben, die Menschen bis
maximal 60 Jahre bekommen.
Sein unbändiger Kampfeswille hat ihn aus dem tiefsten
Loch wieder nach oben getragen.
Die zweite Kämpfernatur ist
Ingeborg Seidel. Im vergangenen Jahr hat man bei ihr
ein Bronchalkarzinom entdeckt. Nach der OP ging es v.l. Monika Warnusz, Ingeborg Seidel, Rosita Alex (Bild: Isolde König)
zur Reha – die sie auf eige-
nen Wunsch nach 11 Tagen wieder verlassen hat! „Da waren zu kranke
Menschen, da wird man statt gesünder noch kränker!“
Ihre eigene Therapie: Ich gehe Schwimmen! Und zwei Monate nach der
schweren OP war sie der Meinung: „Ich werde wieder ein Mensch, ich werde
leben!“
In Braunschweig stand sie auf dem Startblock bei den 200 m Brust - und sie
gewann die 200 m in der AK 70, 12 Sekunden vor der 2. Monika Warnusz
und Rosita Alex!
Das Beste zum Schluss
Masters werden bei ihren Meisterschaften nicht gerade überschüttet mit hohem Besuch. Umso herzlicher werden solche Besucher dann aber begrüßt.
Am Samstag eröffnete der Abteilungsleiter
Jens
Robert
Schulz Herr Lohse,
der Leiter des Sportreferates der Stadt
Braunschweig
die
Veranstaltung, dazu
kam
noch
der
Schwimmwart
des
Kreises
Braunschweig,
Matthias
Harenberg. Und am
Sonntag kam noch
v.l. Jens-Robert Schulz (Schwimm-Abteilungsleiter des ausrichtenden Vereins BSV Ölper),
Wolfgang Loose (Fachbereichsleiter Sport), Isolde König, Matthias Harenberg (Vorsitzender
Kreisschwimmverband)
ein ganz hoher Gast zu Besuch: Der Präsident des LSV Niedersachsen,
Wolfgang Hein, schaute bei den Masters rein. Und er kam zu einem passenden Moment: Er konnte Christel Schulz zu ihrem neuen Weltrekord über 200
m Rücken gratulieren und die Goldmedaille überreichen. Wenn das nicht ein
perfekter Regieplan war!