Kapitel 1: GRASLAND EUROPA ODER DIE ERNÜCHTERNDE BILANZ NACH 50 JAHREN MARIHUANAVERBOT Das illegale Cannabis-Geschäft wird immer brutaler. Unter den Dealern steigt die Gewalt – auch mit Schusswaffen. Auffällig aktiv sind Gruppierungen aus dem Balkan und Vietnam. Aber nicht nur: In Sachen Cannabis haben Kartelle aus Kolumbien und Mexiko in Europa eine neue Front eröffnet. Kriminelle Gruppen, die zuvor mit Heroin und Kokain handelten, mischen nun im Marihuana-Geschäft mit. Die Polizei verfolgt vor allem die Konsumenten. Für die Strafverfolgungsbehörden erweist es sich als sehr schwierig, an Produzenten heranzukommen und Dealernetzwerke zu zerschlagen. Am meisten werden nach wie vor Kleinanbauer und Kleindealer oder Konsumenten angezeigt. Da wegen Cannabis andere Fälle in den Bereichen Internet-, Wirtschafts- und Umweltkriminalität liegen bleiben oder gar nicht aufgegriffen werden, hat das MarihuanaVerbot Auswirkungen auf die Sicherheit für die Gesellschaft und die Volkswirtschaft. Trotz Repression: Noch nie gab es so viel Marihuana in Europa wie heute. Bei Cannabis und Haschisch lag 2013 der geschätzte Jahreskonsum bei 2500 Tonnen, wobei Frankreich und Dänemark zu den Ländern mit den höchsten Konsumraten gehören, gefolgt von Spanien, den Niederlanden und Deutschland. Obwohl Gras fast überall verboten ist und vonseiten der Strafverfolgungsbehörden rigoros gegen Dealer und Produzenten vorgegangen wird, haben von 2000 bis 2011 die Sicherstellungen im EU-Raum um 165 Prozent zugenommen. Eine Faustregel besagt, dass immer nur zwischen 5 und 10 Prozent der tatsächlich gehandelten Menge beschlagnahmt werden kann. Weltweit konsumieren «nur» etwa 200 Millionen Menschen Gras oder Haschisch. In Europa sollen 77 Millionen Personen mindestens einmal in ihrem Leben gekifft haben, rund 15 Millionen der 15- bis 34-Jährigen sollen es in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal getan haben. In der Schweiz stagniert der Konsum, bei den Jugendlichen und den jungen Erwachsenen geht er sogar leicht zurück. Dies, obwohl eine hohe Versorgung mit Cannabis besteht. Eine ähnliche Entwicklung ist in den Niederlanden zu beobachten, wo Erwachsene legal Hanfblütenprodukte in Coffeeshops kaufen können. In Europa wächst ein gigantisches Hanffeld. Anhaltende Repression gegen Konsumenten und Heimanbauer führte zu einer Professionalisierung des Cannabisanbaus unter Kunstlicht. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der rein kommerziellen Indoor-Produktionsanlagen mit über tausend Pflanzen. Die zum Teil gentechnisch veränderten Cannabissorten weisen zunehmend einen hohen THCGehalt auf, weil Dealer hochpotentes Gras wollen, um eine höhere Gewinnmarge zu erzielen. Experten beobachten diese Entwicklung mit Sorge und sehen darin eine direkte Folge der Prohibition. Auch wird dem illegalen Cannabis gesundheitsschädliches Streckmittel beigemischt. Systematische Jagd auf Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr. Polizei, Staatsanwaltschaft und Straßenverkehrsamt bestrafen jeden Cannabiskonsumenten am Steuer doppelt. Zuerst mit Sanktionen wegen des Konsums, dann mit Sanktionen wie Entzug des Führerausweises. Dabei greifen die Behörden nicht auf wissenschaftlich gestützte THC-Grenzwerte zurück, welche die tatsächliche Fahruntüchtigkeit erfassen. Die Verfolgung von Konsumenten verlegt sich aber zunehmend vom Straf- ins Verkehrsrecht. Die heute angewandten Grenzwerte belegen nur einen Konsumnachweis in den vergangenen Tagen. Ruf nach Umkehr in Sachen Cannabis wird lauter. Die Zahl der Juristen, Richter, Staatsanwälte und Polizisten, die ein Umdenken in der Drogenpolitik fordern, wächst. Sie pochen auf eine Freigabe des Konsums und des Anbaus für den Eigenbedarf von Marihuana sowie die daraus resultierende Entlastung der Strafverfolgungsbehörden. Cannabis und Haschisch sollen gleich behandelt werden wie Alkohol und Tabak. Kapitel 2: WIE DER STAAT MIT DEM CANNABIS-VERBOT STEUERGELDER VERBRENNT Über 7 Milliarden Euro Repressionskosten in Europa: In Deutschland wird etwa 1 Milliarde Euro für die Strafverfolgung und Sanktionierung wegen Cannabis ausgegeben. In Frankreich ebenfalls rund eine Milliarde Euro. Und in der Schweiz sind es über 200 Millionen Franken. Eine Hochrechnung kommt auf mindestens 7 Milliarden Euro Repressionskosten im Kampf gegen Cannabis innerhalb der EU. So viel Europas Drogenpolitik kostet, so gering ist ihr Erfolg: Beim Cannabis kann die Polizei weder auf der Angebots- noch auf der Verbraucherseite etwas ändern. Kriminelle als Gewinner dieser Schattenwirtschaft: Ein Kilo Haschisch kostet in der Herstellung zwischen 90 und 180 Euro. Das gleiche Kilo geht in einem holländischen Coffeeshop für 8000 Euro über die Theke. Bei keiner anderen Pflanze auf der ganzen Welt ist die Gewinnspanne pro angebautem Hektar so hoch wie bei Kifferhanf. Drogenbusiness mit Folgen für die Realwirtschaft: Der Schaden, den der Krieg gegen Drogen in der Wirtschaft anrichtet, ist enorm und kommt in Begleitung mit der Zunahme von Korruption und Gewalt. Wer sein Geld im illegalen Marihuana-Business macht, legt es kaum nach Renditepunkten an; primär will er einfach sein Geld waschen und dessen illegale Herkunft verschleiern. Das führt zu einer Wettbewerbsverzerrung, da andere Marktteilnehmer, die ihr Geld legal erwirtschaften, benachteiligt sind. Der heilige Krieg gegen den Westen finanziert sich mit Cannabis: Islamische Terrorgruppen wie Al Kaida, die Shabab-Milizen oder Boko Haram verdienen im CannabisHandel kräftig mit. Allein die Taliban erzielen mit dem Export von Heroin und Cannabis jährlich gegen 1 Milliarde US-Dollar und ermöglichen damit einen Schwarzmarkt von über 4 Milliarden US-Dollar. Auf der anderen Seite gaben alleine die USA zwischen 2007 und 2011 über 100 Milliarden jährlich für den Krieg in Afghanistan und Irak aus. Afrika ist das «BoomLand» im internationalen Cannabis-Geschäft. Die Schmuggelrouten nehmen zu, und die Kontrolle der illegalen Drogenlieferungen wird immer schwieriger. Das Beispiel Mexiko zeigt, was passiert, wenn Drogenkartelle die Wirtschaft unterlaufen: Verschlechtert sich das Vertrauen in die Wirtschaft, halten sich Geschäftsleute mit Investitionen zurück. Das passiert aktuell in den USA mit Mexiko. Die lateinamerikanische Geschichte zeigt, wohin der Drogenkrieg am Ende führt: Kriminelle Kartelle untergraben den Staat und erzielen mit Drogen Milliardengewinne. Das Geld macht sie immer mächtiger, es kommt zu blutigen Kämpfen um die Vormachtstellung im Geschäft, das Land versinkt im Bürgerkrieg. Und um diese Entwicklung einzudämmen, investieren die Regierungen immer mehr Geld in die Polizei und die Armee. Geld, das für Sozial- und Wirtschaftsprogramme gebraucht würde. Die Polizei kann das Problem mit dem illegalen Cannabis-Handel nicht lösen. Produktion, Schmuggel und Handel haben ein Ausmaß erreicht, bei dem die Polizei das Problem nicht mehr wirksam bekämpfen oder verringern kann. Sie kann es nur noch verwalten. Wegen der Anti-Cannabis-Gesetze liegt ein Milliardenmarkt mit der Nutzpflanze Hanf brach. Das Einsatzgebiet reicht von Nahrungsmitteln, Öl, Kosmetika, Kleidern, Baustoffen, Tierfutter bis hin zu Heilmitteln und Alternativen für Antibiotika-Einsatz im Stall. Die Verbotskultur und die Stigmatisierung von Hanf hält Landwirte davon ab, eine vielseitig nutzbare und ökologisch wertvolle Ackerpflanze anzubauen. Hanf ist weitaus weniger schädlich für den Boden als Baumwolle. Kapitel 3: DIE HANF-VERSCHWÖRUNG Kommissar der Alkoholprohibition «entdeckt» Marihuana als Mittel zur Stigmatisierung. Harry Jakob Anslinger (geb. 1892) war der Sohn von Schweizern, die in die USA ausgewandert waren, und als Kommissar für die Durchführung der Alkoholprohibition zuständig. 1930, als sich das Ende dieses Verbots abzeichnete, suchte er sich ein neues Betätigungsfeld. Er wurde Chef der obersten US-Drogenbehörde und begann «Marijuana» als Teufelsdroge zu brandmarken. «Die profitabelste Nutzpflanze, die man sich wünschen kann». Hanf bedrohte Ende der 1930er-Jahre ein US-Holzzellulose-Unternehmen sowie einen Plastikhersteller in ihrer Existenz. Hanf galt als das landwirtschaftliche Produkt der Zukunft. Die betroffenen Firmenbesitzer schmiedeten mit Harry Anslinger ein Komplott, um den Hanfboom zum Erliegen zu bringen. Nur so war ein Aufstieg der Nylonfaser-Industrie überhaupt möglich. Mit Tricks und Lügen zum Marihuana-Verbot. Am 2. August 1937 unterschrieb der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt den sogenannten Marihuana Tax Act, ein Steuergesetz für Hanf. Niemand durfte mehr ohne Lizenz Hanf anbauen. Anslinger hatte Roosevelt angelogen, indem er behauptet hatte, die US-Ärzte würden das Verbot aus medizinischen Gründen unterstützen. Das stimmte nicht. Mit dem Verbot konnte die Justiz vor allem gegen Jazzmusiker, Schwarze und mexikanische Feldarbeiter vorgehen, die Marihuana als billigen Tabakersatz rauchten. Die Hanfprohibition war auch rassistisch motiviert. Anslinger trug das Marihuana-Verbot in die UNO. Im Jahr 1947 schickten die USA ihren obersten Marihuana-Jäger in die UN-Drogenkommission. Dort wollte er das Verbot rechtlich so gestalten, dass die USA es aufgrund der internationalen Verträge nicht mehr loswerden würden, selbst wenn sie auf nationaler Ebene wollten. Dank der UNO-Konventionen konnte sich das Cannabisverbot weltweit verbreiten – viele Länder mussten es übernehmen. 1951 verkündete Anslinger, nachdem er jahrelang behauptet hatte, Haschisch sei «viel schlimmer als Heroin»: Die größte Gefahr von Cannabis bestünde darin, Konsumenten direkt zum Heroin zu führen. Die Umdeutung der Pflanze wurde möglich, weil die landwirtschaftliche Nutzung an Bedeutung verlor. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der Hanf in Europa wirtschaftlich an Bedeutung und verschwand aus dem Bewusstsein der Menschen. Nun stand einer breiten Umdeutung der alten Nutzpflanze nichts mehr im Weg: Hippies, Pazifisten und Verfechter von alternativen Lebensformen lancierten Gras als Widerstandssymbol und Gegenkultur zum Alkohol. Und die traditionellen Bürger verstanden Marihuana fortan als etwas, das die politisch-gesellschaftliche Ordnung, das Wertesystem und die Gesundheit bedrohte. Krieg gegen Cannabis seit 1971. Mit der UN-Konvention über psychotrope Stoffe begann der Krieg gegen die Drogen, den der damalige USPräsident Richard Nixon im gleichen Jahr ausgerufen hatte. Er dauert in Sachen Hanfblütenprodukte bis heute an. Kapitel 4: DIE ZAGHAFTE RÜCKKEHR VON MARIHUANA IN DIE MEDIZIN Cannabis als Medizin bereits vor 2500 Jahren? Im Grab einer Prinzessin (Schamanin) des Pazyryk-Volkes haben Wissenschaftler im heutigen Grenzgebiet zwischen Russland, Kasachstan und der Mongolei große Mengen Cannabis gefunden. Da die Prinzessin an Brustkrebs erkrankt war, deutet einiges darauf hin, dass sie die heilenden und schmerzbetäubenden Kräfte des Hanfes zu nutzen versuchte. Neue Studien zeigen, dass Hanf bei der Behandlung von Brustkrebs tatsächlich hilfreich sein kann. Breites Einsatzspektrum von Hanf als Medizin. In der Hanfpflanze sind die Wirkstoffe Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) für die Heilkraft verantwortlich. Es ist ein breites Einsatzspektrum bekannt, und es kommen laufend neue Erkenntnisse dazu, bei welchen Erkrankungen Marihuana die Heilung unterstützt oder gar herbeiführt. Die Behandlungsmöglichkeiten reichen von Krebs über Epilepsie und Schlafprobleme bis hin zu Depressionen, Demenz, Arthritis, Multipler Sklerose und Migräne sowie Cluster-Kopfschmerzen. Auch als Schmerzund Beruhigungsmittel kann Hanf helfen. Haschisch – ein erprobtes Medikament. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Haschisch nicht nur ein Genuss-, sondern auch ein anerkanntes Heilmittel, das unter anderem in der Psychiatrie eingesetzt wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es beispielsweise «Dr. Poppy’s Wonder Elixir with Cannabis Extracts» gegen Erkältungen, Husten, Rheuma, Arthritis und Kopfschmerzen. In der Schweiz war Cannabiskraut noch bis in die 1990er-Jahre in Apotheken zu kaufen. Gesetz macht es Patienten schwer, an Hanf als Heilmittel zu kommen. Selbst wenn es aus therapeutischer Sicht sinnvoll wäre, Marihuana als Medizin einzusetzen, sind die bürokratischen Hürden sehr hoch. Dazu ist die Finanzierung dieser kostspieligen Medikamente nicht in allen Fällen gewährleistet. Auch wenn der Grundsatz der Rechtsgleichheit und der Verhältnismäßigkeit in der Verfassung verankert ist, so sprechen gewisse Politiker durch die Beibehaltung des Verbots den Patienten das Recht auf Schmerzlosigkeit, Linderung und Heilung ab. Die Medizin braucht potenten Hanf. Professor Rudolf Brenneisen, Schweizer Cannabis-Experte und ehemaliger Forschungsgruppenleiter am Departement für Klinische Forschung der Universität Bern, sagt im Interview, der von der EU erlaubte Hanf mit 0,3 Prozent THC-Gehalt verfüge über so gut wie keine nutzbaren Wirkstoffe. Brenneisen fordert zudem ein rasches Ende der Stigmatisierung und der Vorurteile gegenüber der Pflanze, gerade auch in Wissenschaftskreisen. Man müsse sich endlich konsequent mit dem medizinischen Nutzen auseinandersetzen. Kapitel 5: DAS TEUFELSKRAUT ODER WIE GEFÄHRLICH IST CANNABIS WIRKLICH? Cannabis ist auf Platz 8 der Gefahrenliste. Der ehemalige britische Drogenbeauftragte David Nutt hat die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf Bereiche wie Kriminalität, Unfälle, Arbeitsunfähigkeit und das soziale Umfeld untersucht und mit anderen Substanzen wie Tabak, Alkohol, Heroin und Kokain verglichen. Cannabis ist beim Risiko für die Gesellschaft auf Platz 5 (fünfmal weniger Punkte als Alkohol) und beim Risiko für den Konsumenten auf Platz 12. In der Mischrechnung aller Gefahren belegte Cannabis Rang 8. Für diese Studie wurde David Nutt seines Amtes enthoben und entlassen. Das verkannte Problem mit Legal Highs. Im Internet werden chemische Varianten von THC und anderen Cannabinoiden angeboten. Diese sind so verändert, dass sie nicht unter das Betäubungsmittelrecht fallen und legal als «Cannabisersatz» angeboten werden können. Vor allem Jugendliche bestellen sich diese Produkte für wenige Euro. Notfallmediziner halten diese Legal Highs aufgrund der medizinischen Vorfälle für weitaus gefährlicher als traditionelles Marihuana. Es kam auch schon zu Todesfällen nach der Einnahme von Legal Highs. Hingegen ist kein einziger Todesfall bekannt, der auf Cannabiskonsum zurückzuführen ist. Gefährlichkeits-Studien bilden oft nur eine Seite ab. Hanfgegner berufen sich nicht selten auf wissenschaftliche Untersuchungen, die die Gefährlichkeit von Cannabiskonsum belegen sollen. Die gängigsten lauten: Wer kifft, muss mit stärkeren Lungenschäden als beim Tabakkonsum rechnen; wer Cannabis konsumiert, ist gefährdet, später harte Drogen zu konsumieren (Einstiegsdroge); Cannabis löst Psychosen und Schizophrenien aus; bei Kiffern steigt die Gewaltbereitschaft; wer Gras zu sich nimmt, wird dumm. Viele dieser Studien wurden entweder in den vergangenen Jahren wissenschaftlich relativiert, als einseitige Interpretation beschrieben oder komplett widerlegt. So zum Beispiel die EinstiegsdrogenTheorie. Cannabiskonsum ist nicht per se harmlos. Bei entsprechender genetischer Vorbelastung oder einer Vorerkrankung können psychische Probleme auftreten. Je nach Stärke des Rauschzustandes sind Hirnleistung, Konzentration, Kurzzeitgedächtnis sowie motorische Fähigkeiten beeinträchtigt. Suchtexperten warnen insbesondere vor täglichem Konsum von hochdosiertem Cannabis mit 15 Prozent oder mehr THC-Gehalt. Jugendliche sind gefährdeter, einen problematischen Konsum zu entwickeln, als Erwachsene ab 25 Jahren. Sehr niedrige Quote von Problemkiffern. Die EU spricht von rund drei Millionen Problemkiffern. Diese machen jedoch gerade mal 0,6 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung aus. Die Quote jener, die sich zum ersten Mal wegen ihres Cannabiskonsums in eine Behandlung begeben müssen, bewegt sich auf niedrigem Niveau: 2006 waren es im ganzen EU-Raum 45 000 Menschen, 2011 dann 60 000 Menschen. Das ist eine Steigerung von 15 000 in fünf Jahren oder 3000 pro Jahr im Verhältnis zu 507 Millionen Einwohnern. In Europa sind 0,38 Prozent der 15- bis 34-Jährigen Problemkiffer. Verzicht oder Maßhalten als oberstes Gebot der Prävention. Die Prävention sollte den Menschen aufklären und ihn zum kontrollierten, selbstbestimmten Konsum und so zu einem möglichst gefahrenarmen Umgang mit Cannabis führen. Auch ein bewusster Verzicht gehört in den Bereich der Eigenverantwortung. Die abschreckende Wirkung des Verbots jedenfalls gilt als wirkungslos, sei es aus der Sicht der Prävention oder aus der Sicht der Strafverfolgung. Kapitel 6: KEIN HAPPY-KIFFER-LAND, SONDERN EIN AUSWEG AUS DEM HANFLABYRINTH «Global war on drugs has failed – der weltweite Krieg gegen Drogen ist gescheitert.» Eine Gruppe namhafter Persönlichkeiten um den ehemaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan – unter anderem mit der Schweizer Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss – fordern einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Weg von Verbot, Strafverfolgung und dem Abstinenzdogma hin zu Aufklärung, Selbstverantwortung und Prävention. Mindestens Konsum und Anbau für den Eigenbedarf sollen straffrei werden. Neues Modell gesucht. Das Verbot ist gescheitert. Was kommt nun? Einige Modelle setzen mehr auf Selbstverantwortung und gehen in Richtung Legalisierung, bei anderen stehen Konsumclubs im Fokus, bei wieder anderen soll der Staat Anbau, Produktion, Saatgut, THCGehalt und Verkauf strikt überwachen. Die Schweiz hätte ein Modell, bei dem Bergbauern den Hanf anbauen und daran verdienen würden. Bei allen neuen Modellen, die diskutiert werden, geht es nicht um ein Happy-Kiffer-Land, sondern um die kontrollierte Abgabe an Erwachsene sowie um eine Produkt- und Marktkontrolle. Hanfladen-Chaos als Folge von Anarchie. Ende der 1990er-, Anfang der 2000er-Jahre scheiterte in Basel der Versuch, den Markt sich selbst zu überlassen. Es kam zu einem Überangebot an Marihuana und Gewaltauswüchsen in der Szene. Grund war aber nicht das Gras, sondern dass der Staat in Form des Bundesamts für Gesundheit sich geweigert hatte, Regeln aufzustellen. Damit wurde eine brisante Mischung geduldet: Illegale Produzenten, Dealer und Hanfbanden hatten plötzlich einen legalen Zugang zum Markt, ohne irgendwelche Steuern, Abgaben oder Produktvorgaben sowie Jugendschutz einhalten zu müssen. Paradiesische Zustände für Gauner, Schurken und Halunken, welche die Vorteile der illegalen Produktion und den legalen Markt kombinieren konnten. Alkohol, Tabak, Glücksspiel und Medikamente werden besteuert – und Cannabis? Bis 2018 sollen in den USA 10 Milliarden Dollar durch den Handel mit Gras umgesetzt werden. Für Frankreich geht man von 1,8 Milliarden Euro jährlich an möglichen Einnahmen für den Staat aus, in Großbritannien wird jährlich für 5 Milliarden Pfund Cannabis umgesetzt. In Deutschland könnten durch eine kontrollierte Abgabe über 2 Milliarden Euro in der Staatskasse landen. In der Schweiz geht es um mehrere 100 Millionen Franken, und in Belgien rechnet man mit etwa 400 Millionen Euro an Steuergeldern für den Fiskus. Besteuerung nach THC-Gehalt. Analog zum Alkohol soll die Besteuerung über den THCGehalt laufen. Der Vorteil dieses Systems ist, dass es sich auf alle Produkte, die THC enthalten, anwenden lässt, und eine jahrzehntelange Erfahrung mit Alkohol vorliegt. Bei Bier, Wein und starken Alkoholika wird dieses System schon lange erfolgreich angewandt. Internationale Reform der Drogenpolitik nötig. Damit die Staaten in Sachen Cannabis zu einem neuen Modell übergehen können, braucht es eine Änderung der UN-Konventionen. Im Frühling 2016 findet eine SpezialKonferenz der UN-Kontrollbehörde mit den UNOMitgliedstaaten statt. Ziel ist eine Öffnung für jene Länder, welche die Verbotsstrategie verlassen wollen. Der Druck der Staaten wird entscheidend sein. Die USA unter der Administration von Präsident Barack Obama arbeiten an einer Legalisierung von Marihuana in den USA.
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