Kurs MN.1 Faszination Spieltheorie – Aus der Mathematik in alle

Kurs MN.1
Faszination Spieltheorie –
Aus der Mathematik in alle Lebensbereiche
„Es ist besser, ein Problem zu erörtern, ohne es zu entscheiden, als es
zu entscheiden, ohne es erörtert zu haben.“
Joseph Joubert
Strategisches Denken ist die Kunst, einen Gegner zu überlisten, der das
gleiche mit einem selbst versucht. Spieltheorie ist die Wissenschaft, die
sich mit strategischem Denken und interaktivem Handeln beschäftigt. Die
ihr zugrunde liegende mathematische Theorie wurde von
dem Mathematiker John von Neumann (siehe Abbildung
1) zusammen mit dem Wirtschaftswissenschaftler Oskar
Morgenstern entwickelt, um eine rationale Analyse der
betrachteten Sachverhalte zu ermöglichen. Bekannter als
diese beiden dürfte der Mathematiker John F. Nash Jr. Abb. 1: John
(siehe Abbildung 2) sein, der ebenfalls wesentliche von Neumann
Beiträge zur Spieltheorie lieferte. Gemeinsam mit zwei weiteren Vordenkern auf diesem Gebiet erhielt Nash im Jahr 1994 den WirtschaftsAbb. 2: John
nobelpreis.
F. Nash Jr.
Beispiel aus der Spieltheorie
Ein klassisches in der Spieltheorie betrachtetes Beispiel ist
das Gefangenendilemma (siehe Abbildung 3):
Zwei Täter, die zusammen eine schwere Straftat begangen
haben, werden verhaftet und getrennt verhört. Da es keine
Tatzeugen gibt, kann nur das Geständnis wenigstens eines
Täters zur Verurteilung beider Täter führen. Gesteht nur ein
Täter, geht er aufgrund einer Kronzeugenregelung frei aus
dem Verfahren heraus, während seinen Komplizen die
volle Härte des Gesetzes trifft (10 Jahre Gefängnis).
Gestehen beide Täter, erhalten sie 8 Jahre Gefängnis wegen
mildernder Umstände. Gesteht keiner, werden beide nur
wegen illegalen Waffenbesitzes zu je einem Jahr Gefängnis
verurteilt.
Abb. 3: Das Gefangenendilemma
Die Auszahlungen, also das „Ergebnis“ des Spiels für jeden Spieler bzw. Gefangenen, werden
in negativen Gefängnisjahren bemessen (siehe Tabelle 1).
Gefangener 2
Gestehen Leugnen
Gefangener 1
Gestehen -8
Leugnen
-8
-10
0
0
-10
-1
-1
Tab. 1: Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas
Dabei erkennt man, dass sich die Spieler sehr gut stellen, wenn beide die Tat leugnen. Wegen
der Kronzeugenregelung haben jedoch beide einen Anreiz, die Tat zu gestehen. Ein
Geständnis ist sogar unabhängig vom Verhalten des anderen für jeden der beiden Gefangenen
vorteilhaft. Dies führt zu dem insgesamt gesehen schlechtesten Ergebnis (16 Jahre
Gefängnis).
Wie im Kurs gezeigt wird, sind offensives Fahren im Straßenverkehr, Umweltverschmutzung
oder Fischfang-Verhalten im gemeinsamen Fanggebiet ähnliche Situationen, in denen für
einzelne vorteilhafte Entscheidungen zu für die Allgemeinheit ungünstigen Ergebnissen
führen.
Kursinhalt
Das inhaltliche Ziel des Kurses ist, die Grundlagen
der Spieltheorie umfassend zu erarbeiten. Gegenstand
der Betrachtung sind Problemstellungen aus der
täglichen Praxis, besonders aus den Bereichen Politik,
Sport, Wirtschaft und Biologie. Neben den bereits
genannten Beispielen werden die Erweiterung der
europäischen Union, die Kubakrise, Studiengebühren,
Elfmeterschießen und Tennisschläge, die „Geldzurück-Garantie“, Auktionen und Markteintritte von
Unternehmen thematisiert.
Ein Schwerpunkt der Kursarbeit liegt auf der
formalen Präzisierung der Fragestellungen sowie der
gefundenen Lösungen und ihrer exakten Behandlung
Abb. 4: Zum Schmunzeln…
in mathematischen Modellen, um so Aussagen von
genereller Gültigkeit zu erhalten. Hierbei wird auf
mathematische Konzepte wie Mengenlehre, Funktionen und Fixpunktsätze, Optimierungsverfahren etc. zurückgegriffen.
Nach dem Kurs sind Begriffe wie sequentielle und simultane Spiele, gemischte Strategien,
Kooperationsformen, Glaubwürdigkeitsmechanismen, sowie Signaling und Screening keine
Fremdwörter mehr. Betrachtet werden außerdem Aspekte der evolutionären und experimentellen Spieltheorie.
Kursarbeit
Die Aspekte der verschiedenen Themenbereiche sollen von den Teilnehmenden in Referaten
vorgestellt werden. In der Gruppe werden die Inhalte anschließend gemeinsam vertieft und
eventuell ergänzt. Dabei wird sich der Spieltheorie nicht nur theoretisch sondern auch
praktisch genähert, einige grundlegende Spiele und Situationen werden selbst gespielt. Das
eigene Verhalten stellt schließlich das beste Anschauungsmaterial dar.
Da es in Studium und Beruf immer wichtiger wird, Informationen nicht nur aufzunehmen
sondern auch weiterzuvermitteln, wird im Rahmen des Kurses auch auf die Strukturierung
von Referaten und auf Präsentationstechniken eingegangen.
Teilnahmevoraussetzungen
Spezielle Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, alle nötigen Grundlagen werden im Kurs
erarbeitet. Es wird aber sehr hilfreich sein, zumindest die Grundzüge der Differentialrechnung
(Funktionen, Grenzprozesse) sowie der linearen Algebra (Vektoren, Matrizen) zu kennen.
Alle Teilnehmenden sollten bereit sein, im Vorfeld der Akademie ein Referat vorzubereiten,
wobei die zugrunde liegende Literatur teilweise in englischer Sprache verfasst sein wird.
Am wichtigsten ist aber Spaß an Mathematik, strategischem Denken und Teamarbeit, sowie
die Bereitschaft, sich hin und wieder über das menschliche (eigene?) Verhalten zu wundern.
Kurshomepage
Aktuelle Informationen und Materialen zum Kurs lassen sich unter der Adresse
http://www.BjoernMuenstermann.de/Spieltheorie
im Internet finden.