Schluss mit dem Rumgewühle

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Management
Fleckvieh 1/ 2016
Foto: Haubner
Kaum ist frisch eingefüttert, versuchen die Kühe
sich die besten Happen herauszusortieren, indem
sie das Fütter hin und her schieben oder werfen.
Ein Bild, das viele Landwirte kennen.
Schluss mit dem
Rumgewühle
Das Controlling im Stall umfasst die ständige Optimierung der am Trog
vorgelegten Rationen. Jede Kuh muss jederzeit das gleiche Futter fressen
können. Immer mehr Betriebe arbeiten deshalb mit der Kompakt-TMR.
E
ine höchstmögliche Futteraufnahme
ist das Ziel jedes Milchviehhalters.
Das wird durch eine nährstoff- und
energieangepasste, wiederkäuergerechte
und homogene Ration erreicht, die unter
idealen Bedingungen im Tagesverlauf die
gleiche Zusammensetzung aufweist. Das
entscheidet auch über das Fressverhalten
und damit über Leistung und Stoffwechselgesundheit.
Gleichzeitig muss dafür Sorge getragen
werden, dass der Konkurrenzdruck am
Trog gering gehalten, der ständige Zugang
zu Futter und Wasser gesichert und der
Kuhkomfort hoch gehalten wird. Ausreichende Licht- und Luftverhältnisse sowie
eine einwandfreie Hygiene am Trog gehören hier selbstverständlich dazu.
Hinweise für Futterselektion
Oftmals spiegelt sich die gerechnete und
gefütterte Ration nicht in der Leistung wider. Beim Gang über den Futtertisch müssen die Signale erkannt werden, die auf
Einbußen in der Umsetzung hindeuten.
Ein häufig anzutreffendes Phänomen ist
die Futterselektion. Die Kühe versuchen,
besonders schmackhafte Komponenten,
wie etwa Kraftfutter, aus der Ration herauszusuchen. Einige Hinweise darauf:
•Laktationsstart: Starten einige Kühe
sehr hoch in der Milch während ande-
re nicht in Leistung kommen? Gibt es
Stoffwechselprobleme rund um die Geburt? Das könnte daran liegen, dass die
trockenstehenden Kühe beim Fressen selektieren. Sie suchen sich die Konzentrate
heraus und lassen das Stroh liegen.
•Leistungsentwicklung: Leistungsschwankungen im Vergleich zum Vormonat oder innerhalb der Herde deuten auf
Futterselektion hin;
•Die Inhaltsstoffe in der Tankmilch variieren zwischen den Abholungen;
•Gesundheit: Pansenübersäuerung
(Azidose) durch verstärkte Kraftfutterselektion, gehäuft Mastitiden oder Klauenrehe treten auf;
•Körperkondition: Manche Kühe verfetten stark, während andere abmagern;
•Kotbild: Die Kotkonsistenz in der Herde schwankt zwischen dick und dünn, und
das sogar im Tagesverlauf;
•Pansenfüllung: Manche Kühe zeigen
leere, manche volle Pansen;
•Viel Stroh im Futterrest;
•Fressverhalten: Wenn die größten
Futtermengen unmittelbar nach der Futtervorlage aufgenommen werden, wenn
Unruhe und viel Bewegung am Fressgitter
zu erkennen sind, die Kühe ›Löcher‹ in die
vorgelegte Ration fressen oder das Futter
hin und her geschoben wird, deutet das
ebenfalls auf Futterselektion hin.
•Trockensteher: Wenn Schwergeburten
auftreten und einige Kühe bereits vor dem
Kalben Ketose zeigen (NEFA- und Ketonkörpergehalte), könnte das durch Selektion entstanden sein.
Der Landwirt muss vermeiden, dass
Kühe Futter selektieren können. Das gelingt dadurch, dass die Konzentrate so
am Grundfutter haften, dass sie sich auch
durch Wühlen, Hin- und Herschieben und
Schütteln nicht davon lösen.
Das Kraftfutter bindet sich stärker ans
Grundfutter, wenn es vorher mit Wasser
zu einem Brei vermischt wurde – die Idee
der Kompakt-TMR.
So funktioniert´s
Über das Thema ›selektionsfreies Füttern‹ wurde kürzlich in Fachartikeln berichtet, zum Beispiel im Beitrag ›KompaktTMR‹ in der Fleckviehwelt 01/2015. Diese
neu aufgelegte Art des Futtermischens
umfasst das Einweichen des Kraftfutters
mit Wasser über Nacht. Die Silagen werden am nächsten Morgen bei ausreichender Mischdauer hinzugefügt, während auf
Stroh laut Verfasser verzichtet wird.
Da viele Kraftfutterkomponenten die
Einwirkzeit über Nacht nicht benötigen,
hat sich seit einigen Jahren auf vielen
Betrieben die vereinfachte Variante des
selektionsfreien Mischens mit der Zugabe von Wasser kurz vor dem Mischen
bewährt. Dabei wird mit allen ›festen‹
Komponenten (Kraft- und Mineralfutter, Viehsalz und Futterkalk) und Wasser
ein homogener Brei zubereitet. Auf 1 kg
Kraftfutter kommen etwa 1 l Wasser, je
nach TS-Gehalt und Ration. Anschließend kommen die Silagen hinzu. Wenn
nötig, können wirksame Granulate oder
Säuren hinzugegeben werden, damit die
Mischung stabil bleibt.
Um eine bestmögliche Homogenität der TMR zu erreichen, sollten bei jedem Futterwechsel die Einstellungen der
Mischzeit, die Reihenfolge der Befüllung,
die Drehzahl und die Gegenschneiden der
Mischtechnik angepasst werden. Scharfe
Messer verkürzen dabei die Mischdauer.
Erfolge der Kompakt-TMR
Die Kompakt-TMR führt zu einer deutlichen Veränderung des Fressverhaltens.
Das ›Rennen nach Kraftfutter‹ hört auf
und Ruhe entsteht am Futtertisch, auch
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während der Futtervorlage. Verdrängungen von rangniedrigeren Kühen nehmen
ab. Die längeren und gleichmäßig über
den Tag verteilten Fresszeiten sind effektiver und führen zu einer höheren Futteraufnahme. Dadurch steigt die Milchleistung an. Die Kühe merken schnell, dass sie
das Kraftfutter nicht mehr aus der Ration
selektieren können, alles wird ruhiger,
entspannter und gleichmäßiger.
Die homogene Mischung erzeugt
ein gleichmäßiges Kotbild in der Herde, weniger Azidosen treten auf und die
Streuung in der Herde nimmt ab. Die
tatsächliche Milchmenge nähert sich der
berechneten Ration an. Durch die höhere Futteraufnahme wird mehr Rohfaser aufgenommen. Gegebenenfalls kann
auf Stroh oder Heu verzichtet werden,
da durch die höhere und gleichmäßigere
Futteraufnahme auch mehr Faser aufgenommen wird.
Eine Leistungssteigerung von 1 – 3 kg
Milch pro Kuh und Tag sowie eine bessere
Tiergesundheit wurden in vielen Betrieben
ohne Änderung der Futterkomponenten
beobachtet. Das Verfahren erfordert etwas
mehr Zeitaufwand und Disziplin, es bringt
nichts, wenn man es einige Tage macht
und dann wieder nicht.
Ein Fokus sollte auf die Trockensteher
gelegt werden, sie kriegen häufig die KuhTMR verdünnt mit Stroh, das aber oft zu
lang ist, ausselektiert wird und liegen
bleibt. Die Folge: Die Trockensteher fressen eine ähnliche Ration wie die Laktierenden, sie verfetten, kriegen Ödeme und
preschen zu stark in die Leistung.
Welche Möglichkeiten hat der Betrieb,
der nicht homogen mischen will oder
kann? Kühe können durch Selektion
deutlich mehr auswählen, wenn sie sich
von einem Platz zum anderen bewegen.
Durch Fixierung über einen längeren Zeitraum beim Futteranschieben kann dies
verhindert werden. Eine weitere Möglichkeit bietet die mehrmalige Vorlage von frischen Teilmengen. Dabei soll erreicht werden, dass das Kraftfutter einer Teil- oder
Voll-TMR, das für 24 Stunden berechnet
wurde, nicht binnen 12 Stunden aussortiert wird.Die Kontrolle über die tatsächliche pansengerechte Aufnahme der Futtermittel am Trog hat der Landwirt selbst.
Durch Selektion schaden Kühe ihrer eigenen Gesundheit und der Milchleistung. Kilian Linsenmeier, Fa. Schaumann
So sieht es aus, wenn mit dem zu Beginn in den
Mischwagen gegebenen Kraft- und Mineralfutter und
Wasser ein Brei angerührt wird, der deutlich besser an
den Silagen haftet als trockenes Kraftfutter.
Bericht eines Praktikers
Der Betrieb Stefan Wöllhaf aus Wolpertswende
im Landkreis Ravensburg hält 120 Kühe mit einer
Herdenleistung von 9500 Milch, 4,14 % Fett und
3,42 % Eiweiß. Gefüttert wird eine Teil-TMR über
einen selbstfahrenden Lohn-Mischwagen mit
Grassilage, Maissilage, Gerste, Rapsschrot und
Körnermais. Ein MLF 22-4 gibt es am Melkroboter. Die Trockensteher und Kalbinnen erhalten
Grassilage, Maissilage, Stroh und Rapsschrot.
Seine Erfahrung mit der Kompakt-TMR:
»Die Futterselektion am Trog war in Vergangenheit sichtbar. Der teilweise leicht klumpige
Rapsschrot und die Gerste konnten trotz guter
Voraussetzungen (Häckselsilage, Mischtechnik)
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Foto: Linsenmeier
Fleckvieh 1/ 2016
aus der Mischung selektiert werden. Durch das
Mischen mit Wasser kleben sie nun an den Silagen. Dies führte zu einem deutlichen Anstieg
in der Futteraufnahme. Innerhalb kürzester Zeit
musste mehr Futter vorgelegt werden. Parallel
dazu stieg die Leistung um gut 1 kg/Kuh und Tag
an. Ebenso verringerte sich die Streuung in der
Herde (Leistung, Kotbild). Ein ruhigeres Fressverhalten war und ist festzustellen. Ziel ist es,
mehr Milch je gefressenen kg Trockensubstanz
zu melken. Durch das Mischen mit Wasser wurden die Kosten je kg erzeugter Milch gesenkt und
der richtige Schritt zur Steigerung der Effizienz
getan.«
Kilian Linsenmeier
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