FÜTTERUNG Mutterkühe: Trockensteher magerer füttern In der Praxis stehen Mutterkühe häufig länger als zwei Monate trocken. Ein Versuch aus Bayern zeigt, dass für diesen Fall die Versorgungsempfehlungen zu hoch sind.* * Autoren: Siegfried Steinberger, Dr. Hubert Spiekers, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft Grub, Rainer Prischenk, Landwirtschaftliche Lehranstalten Bayreuth R20 top agrar 10/2007 I n der Milchviehhaltung sind Trockenstehzeiten von sechs bis acht Wochen der Normalfall. Anders in der Mutterkuhhaltung: Dort stehen die Kühe nicht selten drei bis sechs Monate trocken. Denn in vielen Betrieben werden die Kälber bereits mit Beginn der Geschlechtsreife im sechsten oder siebten Lebensmonat abgesetzt, um die Herde nicht trennen zu müssen. Analog zur Milchkuh sollte auch eine Mutterkuh bei der Kalbung eine Note von 3,5 bis 3,75 nach dem Körperkonditions-Beurteilungssystem (BCS) aufweisen. Das heißt: Die Kuh sollte über etwas Körperreserven verfügen, aber noch nicht verfettet sein. Um herauszufinden, welche Nährstoffversorgung bei den in der Die Mischration macht es möglich: Die Trockensteher nahmen fast 7 kg Stroh pro Tag auf. Foto: Dorsch Praxis üblichen längeren Trockenstehzeiten zu diesem Ziel führt, hat das Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft zusammen mit den Landwirtschaftlichen Lehranstalten in Bayreuth einen Fütterungsversuch durchgeführt. Als Versuchstiere standen 30 Fleckviehkühe zur Verfügung, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Der Versuchszeitraum lag in den Monaten Dezember bis März. Damit konnte eine dreiwöchige Umstellungsphase von der Weide eingehalten werden (Vorperiode), in der die Tiere mit der gleichen Ration versorgt Übersicht 1: Normen für die Versorgung von Mutterkühen 1. Laktationshälfte 2. Laktationshälfte Trockenstehzeit Energiebedarf in MJ ME Gewicht 600 kg 700 kg 124 137 104 117 92 100 Rohproteinbedarf in g Gewicht 600 kg 700 kg 1 495 1 630 1 195 1 290 1 130 1 180 Die Empfehlungen für die trockenstehenden Mutterkühe passen nur für eine kurze Trockenstehzeit von weniger als zwei Monaten. Quelle: Martin, Dummerstorf (2001) Übersicht 2: Rationen und Futteraufnahme in beiden Gruppen Grassilage 2. Schnitt Weizenstroh Mineralfutter Futteraufnahme kg FM kg FM kg FM kg TM Gruppe I Gruppe II Norm - 25 % 19,2 10,9 5,7 6,7 0,09 0,1 12,5 10,3 Trotz der enormen Strohmengen war die Futteraufnahme in beiden Gruppen relativ hoch. Übersicht 3: Energie- und Eiweißgehalte der Rationen im Vergleich Gruppe I Gruppe II Norm - 25 % Energiegehalt MJ ME/kg TM 8,3 7,6 Energiegehalt MJ NEL/kg TM 4,8 4,4 Energieaufnahme MJ ME 103 79 Rohproteingehalt g/kg TM 86 73 Rohproteinaufnahme g RP 1 070 748 wurden. In den letzten vier Wochen vor dem Kalben wurde die Versuchsgruppe wieder nach den bestehenden Normen gefüttert, weil in dieser Phase der Nährstoffbedarf der Tiere ansteigt. Die Ration der Vergleichsgruppe (Gruppe I) wurde entsprechend der Empfehlungen für eine Energieaufnahme von 100 MJ ME bei 700 kg LG ausgelegt. Für die Versuchsgruppe (Gruppe II) wurde die Energieaufnahme durch einen höheren Strohanteil um 25 % reduziert. Futterkomponenten waren Grassilage 2. Schnitt, Weizenstroh und ein handelsübliches Mineralfutter für trockenstehende Kühe (siehe Übersicht 2). Das Futter wurde täglich ad libitum als TMR in Gruppenfütterung vorgelegt und der Futterrest täglich rückgewogen. Die Kühe der Gruppe I nahmen 19,2 kg Grassilage und 5,7 kg Stroh auf, in Gruppe II betrug die Futteraufnahme 10,9 kg Silage und 6,7 kg Stroh. Trotz der hohen Rohfasergehalte von 32,8 % (Grup- Die Verdünnung der Ration mit Stroh verminderte die Energieaufnahme um 23 %. Die Rohproteinaufnahme ging sogar um 30 % zurück. pe I) bzw. 36,3 % (Gruppe II) war die Futteraufnahme in beiden Gruppen mit 12,5 kg bzw. 10,3 kg TM relativ hoch. Die tatsächlich aufgenommenen Energiemengen von 103 MJ ME in Gruppe I und 79 MJ ME in Gruppe II entsprachen den Versuchsvorgaben, die eine Reduzierung um 25 % vorsahen. Kühe verfetteten bei Versorgung nach Norm Die Nährstoffversorgung nach bestehender Empfehlung für trockenstehende Kühe führte bei dem vorliegenden frühen Trächtigkeitsstadium der Kühe zu einer sehr starken Gewichtszunahme bis knapp 800 kg LG (siehe Übersicht 4 auf Seite R 22). Selbst die Energiereduzierung um 25 % führte noch zu einer Gewichtszunahme. Erst gegen Ende des Versuches wurde diese Entwicklung durch den zunehmenden Nährstoffbedarf des wachsenden Fötus gestoppt. top agrar 10/2007 R21 FÜTTERUNG 820 in kg Versuchsbeginn Übersicht 4: Gewichtsverlauf der Tiere Gruppe I 800 Versuchsbeginn 780 in kg 820 760 Gruppe I 800 Gruppe II 740 780 720 760 700 Gruppe II 740 Vorperiode Versuchszeitraum 680 720 660 70011.11. 12.1. Versuchszeitraum 9.2. 9.3. Vorperiode2.12. 680 660 11.11. 2.12. 12.1. 9.2. 9.3. 30.3. Während bei Versorgung nach Norm die Kühe stark zunahmen, hielt sich der Gewichtsanstieg mit der verdünnten Ration in Grenzen. 30.3. Übersicht 5: Verlauf der Körperkonditionsnoten nach BCS 4,3 BCS Versuchsbeginn Die Versuchsgruppe mit der mageren Ration erreichte die angestrebte BCS-Note. Gruppe I 4,0 BCS 4,3 Versuchsbeginn Gruppe I 3,8 4,0 3,5 3,8 Gruppe II 3,3 3,511.11. 2.12. Vorperiode 3,3 11.11. 2.12. Grafiken: Breithaupt Versuchszeitraum Gruppe II Vorperiode 12.1. 12.1. 9.2. Versuchszeitraum 9.2. Auch die Ultraschallmessungen der Rückenfettdicke machten eine Überversorgung bei der Fütterung nach Norm deutlich. Die Tiere der Gruppe I bauten konti- 9.3. 9.3. 30.3. 30.3. nuierlich Energiereserven in Form von Körperfett auf. Anders in Gruppe II: Nach einem anfänglich leichten Rückgang von 2 mm stabilisierte sich hier dieser Wert. Diese Gefahren drohen bei langem Trockenstehen Wenn Kühe über drei bis sechs Monate trocken stehen, sind die Folgen in der Praxis nicht zu übersehen: Die Kühe verfetten oft sehr stark, weil sie zu gut versorgt sind. Denn mit dem Trockenstellen entfällt für die Kuh der Nährstoffbedarf für die Milch. Gleichzeitig ist der Bedarf für den wachsenden Fötus noch sehr gering. Die Konsequenz aus der Verfettung sind vermehrte Schwergeburten und lebensschwache Kälber aufgrund von Geburtsstress. Zudem nehmen stark verfettete Tiere kurz vor und nach der Geburt weniger Futter auf, was einen verstärkten Abbau von Körperfett nach R22 top agrar 10/2007 sich zieht. Die Milch solcher Muttertiere weist einen wesentlich höheren Milchfettgehalt (5 bis 6 %) auf, was wiederum die Gefahr von Durchfallerkrankungen der Kälber stark erhöht. All diese Gefahren werden durch eine arbeits- und zeitsparende Vorratsfütterung noch gefördert. Anders als in typischen Mutterkuhländern, wo die Trockenstehphase in eine futterknappe Zeit mit Dürre oder Winteraußenhaltung fällt, steht in den Grünlandgebieten, in denen sich die Mutterkuhhaltung schwerpunktmäßig etabliert hat, meist viel Futter mit guter Qualität zur Verfügung. Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Beurteilung der Körperkondition: Die Gruppe I verfettete zwar nicht extrem, sie ist aber mit einer Note von knapp über 4,0 an der kritischen Grenze angelangt. Die Gruppe II stabilisierte sich hingegen bei der angestrebten Note von 3,75 Punkten (siehe Übersicht 5). Beim Abkalbeverhalten waren keine Unterschiede zwischen den Gruppen zu erkennen. Auch die ermittelten Geburtsgewichte der 22 Kälber, die während der Stallhaltungsperiode geboren wurden, ergaben keinen gerichteten Unterschied. Zufällig waren die männlichen Kälber in Gruppe II mit 49 kg sogar schwerer als die in Gruppe I (40 kg). Um zu prüfen, ob eine erhöhte Stoffwechselbelastung vor allem bei den Kühen mit der energiereduzierten Fütterung (Gruppe II) vorliegt, wurden zum Beginn und zum Ende des Versuches Blutproben von allen Tieren gezogen. Davon wurden Leberprofile erstellt und die Konzentration der Mineralstoffe Calcium, Phosphor und Magnesium bestimmt. Bei beiden Gruppen konnten anhand der Blutwerte keine Hinweise auf eine Leber- bzw. Stoffwechselbelastung gefunden werden. Auch bei den Mineralstoffen zeigten die Ergebnisse der Blutproben keine Anzeichen einer Mangelversorgung, obwohl die Phosphor- und Magnesium-Konzentrationen im Futter aufgrund des erhöhten Strohanteils unter den Norm-Werten lag. Wir halten fest Stehen Mutterkühe länger als zwei Monate trocken, führen die geltenden Fütterungs-Empfehlungen zu einer unerwünschten Verfettung. Die Zugabe von knapp 7 kg Stroh/Kuh und Tag senkte die aufgenommene Energiemenge soweit ab, dass eine Stabilisierung der Körperkondition erreicht wurde, ohne dass negative Auswirkungen auf die Kuh oder das Kalb zu erwarten sind. Vier Wochen vor der Abkalbung sollte jedoch die Nährstoffzufuhr an den zunehmenden Bedarf des wachsenden Fötus angepasst und wieder nach Norm gefüttert werden. Weil der hohe Strohanteil in der Ration unter Praxisbedingungen oftmals nicht zu realisieren ist, sollte ein Teil des Heus oder der Grassilage mit geringerer Energiekonzentration geerntet werden. In diesem Fall sollten die bestandsbildenden Gräser bereits verblüht sein. Solches Futter weist dann erfahrungsgemäß niedrige Energiegehalte von etwa 8,4 bis 9 MJ ME bzw. 4,7 bis 5,2 MJ NEL pro kg TM auf. Als weitere Möglichkeit sollte eine Verlängerung der Säugezeit auf 10 Monate geprüft werden, um das Leistungsvermögen der Kühe besser zu nutzen.
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