Klar, agil und vollständig integriert!

Digitale Planungs- und Steuerungsprozesse in der Fertigung?
Klar, agil und vollständig integriert!
E
in Kunde trug die Anforderung an uns heran, ihn bei der
durchgängigen Gestaltung und vollständigen Digitalisierung
der Planungs- und Steuerungsprozesse in der Komponentenfertigung zu unterstützen. Gleichzeitig sollte die in einem ­großen
Produktlebenszyklus-Management-System (PLM-System) implementierte Planung der Fertigung flexibilisiert werden. Änderungen in der Fertigung sollten zurückgemeldet und in der
Planung zukünftiger Fertigungsprojekte berücksichtigt werden
können. Trotz der Flexibilisierung sollte der Prozess so implementiert werden, dass er zu einer Entlastung des Personals führt
und bei steigender Variantenvielfalt effizientere Planungszyklen
ermöglicht.
Die Herausforderung
Auf der Basis dieser Anforderung konnten wir die folgenden
Ansatzpunkte für eine Optimierung der Prozessdigitalisierung
identifizieren:
> Die Daten zur Fertigungsplanung befinden sich in ­verteilten
Systemen. Innerhalb der Fertigungssteuerung werden zwar
­Messdaten erhoben, bislang aber nur partiell am Ort der M
­ essung
genutzt; sie sind daher auch nur dort verfügbar.
> Der Fertigungsplanungsprozess ist nicht durchgängig – vom
Fertigungsauftrag über die Fertigungsfreigabe, Bereitstellung
bis hin zur Änderungsrückmeldung nach Start der Fertigung –
­definiert und implementiert.
> Eine zentrale Steuerungseinheit, in der – ähnlich dem
menschlichen Gehirn – die über die Sensoren (Sinnesorgane)
aufgenommenen externen Informationen (Reize) via Datenkanäle (sensorische Neuronen) zusammenkommen, auf Basis von
Kontext und Erfahrung über eine Reaktion entschieden wird und
diese wiederum über Datenkanäle (Motoneurone) an die ausfüh-
10
Detecon Management Report dmr • 2 / 2015
renden Ressourcen (Muskelzellen) zur Ausführung kommuniziert wird, ist in der Fertigungssteuerung nicht vorhanden.
Die Lösung
Für eine vollständige und durchgängige Digitalisierung der
Prozesse und der Realisierung von Optimierungspotenzialen
­
fiel zunächst Architekturarbeit an. Im ersten Schritt haben wir
in die Prozesse eine Ende-zu-Ende-Betrachtung eingezogen und
anschließend für die Implementierung eine Vier-SchichtenArchitektur ausgestaltet. Erst nach Abschluss der Architekturarbeit sind wir in die Ausgestaltung, Automatisierung und Integration der Prozesse eingestiegen. Für die Prozessarbeit haben wir
das subjektorientierte Business Process Management (S-BPM)
verwendet und eine Tool-Suite eingesetzt, die S-BPM in der
Modellierung und Implementierung von Prozessen unterstützt.
Ende-zu-Ende-Betrachtung im Prozess
Zur Strukturierung und Reduzierung der ­
Prozesskomplexität
haben wir in einem ersten Schritt die Ende-zu-Ende-Betrachtung in die Prozessarchitektur unseres Kunden eingefügt. Auf
­diese Weise wurde ein Prozessmonolith in sechs Prozesse z­ erlegt.
Für jeden Prozess wurde der funktionale Umfang definiert
und eindeutig von anderen abgegrenzt. Die Ende-zu-EndeBetrachtung ist darüber hinaus ein Ansatz zur vollständigen und
­konsistenten Identifizierung notwendiger Geschäftsobjekte und
deren Lebenszyklus. Jeder Prozess hat nun einen dedizierten Auslöser, über den er gestartet wird. Gleichzeitig wird sowohl das
Geschäftsobjekt identifiziert, das notwendiger Eingang für den
Prozess ist, als auch das Geschäftsobjekt, welches in dem Prozess
bearbeitet und am Ende der Prozessdurchführung als Ausgabe
zur Verfügung gestellt wird. Aus dieser Betrachtung lassen sich
später wichtige fachliche Status für die Spezifizierung des Lebenszyklus eines Geschäftsobjekts ableiten und somit Haltepunkte
Eine Säule zur Gestaltung der digitalen Transformation ist die Prozessdigitalisierung im
Sinne einer durchgängigen, vollständigen Automatisierung und Integration der Prozesse.
Einblicke in ein Kundenprojekt zeigen, wie die Umsetzung funktioniert.
für die Prozessmessung und Prozesssteuerung erkennen. Die
Ende-zu-Ende-Betrachtung des Prozesses ergab die in Abbildung
1 dargestellte übersichtliche Struktur.
Aus der Ende-zu-Ende-Betrachtung des Prozesses ­
ergaben
sich ­
unter anderem die folgenden Geschäftsobjekte mit
­entsprechenden relevanten, fachlichen Definitionen:
Der Planungsauftrag geht über E-Mail als strukturierte
­Excel-Datei oder strukturiertes Word-Dokument ein. Für jeden
­Planungsauftrag wird auf Basis eines entsprechenden Masterplans die Planung erstellt und abgestimmt, bis die Planungsfreigabe durch das zentrale Steuerungsgremium erteilt werden
kann. Mit der Planungsfreigabe startet die Festlegung und
Spezifikation der Komponenten, die eingekauft werden sollen.
Nach ­abgestimmter Spezifikation wird die Einkaufsfreigabe für
den Einkauf der Komponenten erteilt. In Folge der Einkaufsfreigabe wird entlang der Terminpläne die Komponentenbereitstellung überwacht. Wenn die Komponentenbereitstellung
sichergestellt ist, wird der Zusammenbau von Komponenten
aus der Eigenfertigung und der Fremdfertigung erprobt, bis der
Fertigungsstart zu 100% festgelegt werden kann.
Nach Fertigungsstart werden alle Änderungen im Fertigungsablauf an die Planung als Änderungsrückmeldung kommuniziert. Jede Änderungsrückmeldung wird analysiert, um die
Ursachen für die jeweilige Änderung zu identifizieren. Im Falle
von systematischen Änderungen wird eine notwendige Planungsänderung spezifiziert und als Masterplananpassung in zukünftigen
Planungen berücksichtigt.
Architekturbild für die Prozessdigitalisierung
Im nächsten Schritt haben wir auf Basis dieser übersichtlichen Ende-zu-Ende-Betrachtung die Prozessarchitektur um
­weitere Schichten ergänzt. Es entstand eine Architektur aus vier
­Schichten. Für die durchgängige und vollständige Prozessdigitalisierung wurde die Prozesslogik in einer eigenen Schicht gekapselt.
Auf diese Weise konnte der Prozess für die geforderte Prozessdigitalisierung von den Restriktionen bestehender Schnittstellen
zwischen den Bestandssystemen entkoppelt werden.
In der Prozessschicht befindet sich der Prozess mit den fachlichen
Prozessfunktionen und der Prozesslogik. Der Prozess ist subjektorientiert ausgeprägt. Die fachlichen Prozessfunktionen werden
Abbildung 1: Das Ende-zu-Ende der Prozesse
1
Planungsauftrag bis Planungsfreigabe
2
Planungsfreigabe bis Einkaufsfreigabe
3
Einkaufsfreigabe bis Komponentenbereitstellung
4
Komponentenbereitstellung bis Fertigungsstart
5
Fertigungsstart bis Änderungsrückmeldung
6
Änderungsrückmeldung bis Masterplananpassung
Quelle: Detecon
11
Detecon Management Report dmr • 2 / 2015
als internes Verhalten eines Subjektes, also des Prozessbeteiligten,
ausgeführt. Bei der Prozessausführung werden sie über ihre Kommunikationsbeziehung, also den Austausch von Nachrichten,
synchronisiert. Die Prozesslogik wird in einer Workflow-Engine
implementiert. Jede Prozessfunktion wird entweder als ­manuelle
Tätigkeit oder automatisch durch einen Webservice-Aufruf
oder mehrere fachlich zusammenhängende Webservice-Aufrufe
implementiert. In der Prozessschicht werden somit die für eine
vollständige und durchgängige Digitalisierung notwendigen
Services entlang der Prozesslogik fachlich orchestriert und mit
den manuellen Tätigkeiten zusammengebracht.
ausgeprägten Ablagestruktur wird die eindeutige Abgrenzung, die
Wiederauffindbarkeit und damit eine möglichst hohe Wiederverwendbarkeit der Services ermöglicht. In ­Abbildung 2 ist ein Ausschnitt des hierdurch entstandenen Service-­Repositoriums abgebildet. Auf die Einbindung eines Enterprise Service Bus (ESB)
haben wir zur Umsetzung der Integrationsschicht verzichtet, da
die vom ESB angebotenen, hoch standardisierten Services aus
fachlicher Sicht nicht den Anforderungen des Prozesses genügten.
In der Datenschicht liegen die Datenobjekte. Die Datenobjekte
wurden fachlich abgegrenzt und überschneidungsfrei den zur
Prozessausführung benötigten fachlichen Fähigkeiten zugeordnet. Dabei wurde gleichzeitig jedem Datenobjekt ein System zugeordnet, dass die Create-, Read-, Update-, Delete-Funktionen
für das Datenobjekt übernimmt. Auf diese Weise wurde auch
die Verantwortung für die Datenpflege eindeutig und überschneidungsfrei definiert. Die redundante Pflege der Daten sowie
die notwendige Validierung und Konsolidierung der Daten im
Rahmen der Prozessausführung konnten so auf ein Minimum
reduziert werden. Als zentrales datentragendes System wurde
das vorhandene Standard-PLM-System erhalten. Dies sicherte
die Investitionen in das PLM-System. Der Anteil notwendiger
Änderungen wird in der Zukunft zu einem sehr viel größeren
Anteil mit den Standards des PLM-Systems abgedeckt. Auf-
In der Integrationsschicht liegen die Services zur Automatisierung des Prozesses und zur Integration der Fertigungsressourcen, datentragenden Systeme und Bestandssysteme. Die
Services ­werden über Service-Aufrufe aus der Prozessschicht in den
Prozess eingebunden. Die Ablagestruktur der Services ist entlang
der zur Prozessausführung benötigten fachlichen Fähigkeiten ausgeprägt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Fähigkeiten,
die unser Kunde zur Planung und Steuerung seiner Fertigungsabläufe benötigt. Diese fachlichen Fähigkeiten haben wir mit dem
Kunden definiert, unabhängig von dem aktuellen Aufbau der
Fertigung, der aktuell betriebenen IT-Systemlandschaft und den
implementierten Prozessen. Mit der nach fachlichen Fähigkeiten
Abbildung 2: Architekturbild für die Prozessdigitalisierung
Exem
p
laris
Prozesslayer
Planung
Fertigungsplan
erstellen
Integrationslayer
Losgrößen
ermitteln
PDM
Maschine
ansteuern
ERP
Quelle: Detecon
12
Material
transportieren
Fertigung
Planabweichung
analysieren
Datenschicht
Infrastrukturlayer der Fertigung
Materialmanagement
Material
identifizieren
Detecon Management Report dmr • Special Automotive 2015
PLM
cher
Fertigungsschritt
durchführen
MES
Aus
sc
hnit
t
wände für notwendige kundenindividuelle Änderungen an dem
PLM-System konnten durch die Verlagerung der Umsetzung in
die Prozessschicht signifikant reduziert werden.
In der Infrastrukturschicht liegen die Fertigungsressourcen. Für
jede Ressource werden Funktionen definiert, welche diese zum
Aufruf über Services in der Integrationsschicht bereitstellen.
Die Fertigungssteuerung kann Änderungen beispielsweise zur
Optimierung oder Fehlerbehebung an den von der Ressource
erbrachten Funktionen vornehmen. Dadurch, dass diese nun via
Services „veröffentlicht“ werden, sind im Rahmen einer ServiceÄnderungsdokumentation oder Release-Dokumentation solche
Veränderungen für die Prozessbeteiligten transparent. Kleinere
Veränderungen werden im Rahmen einer neuen Revision dokumentiert. Wirken sich solche Änderungen auf die Kompatibilität
zu Eingangs- und Ausgangsgrößen aus, wird eine neue Nebenversion veröffentlicht und in der Integrationsschicht als verbesserte
Alternative bereitgestellt. Größere Änderungen, die auch Änderungen an der Schnittstellendefinition mit sich führen, werden in
einer neuen Hauptversion veröffentlicht. Über die Verbindung
mit der Prozessschicht wird sichtbar, welche Version in welchem
Prozess genutzt wird. Damit ist die Grundlage für Gespräche
­zwischen Disponenten, Steuerern und ITlern über den zukünftigen Einsatz und die Weiterentwicklung der von den Fertigungsressourcen bereitgestellten Funktionen geschaffen.
Subjektorientierte Ausgestaltung der Prozesse
In der Prozessschicht haben wir die Prozesse subjektorientiert
ausgeprägt und eine Workflow-Engine verwendet, die es ermöglicht, aus den Prozessmodellen die Prozessapplikation zur Implementierung der Prozesslogik zu generieren. Und dieser Aspekt
ist zu betonen: Für die Implementierung der Prozesslogik muss
nicht mehr programmiert werden, denn die Applikation wird aus
den Modellen generiert. Änderungen an der Prozesslogik verursachen bei unserem Kunden also nur noch Modellierungsaufwand.
Änderungen am Prozess sind nur dann mit Entwicklungsaufwand verbunden, wenn die Webservices zur Prozessautomatisierung und Prozessintegration geändert, ergänzt oder neu entwickelt werden müssen. Mit der subjektorientiert ausgeprägten
Prozessschicht kann unser Kunde die Änderungszyklen und
Änderungsaufwände signifikant reduzieren. Mit dieser Prozessschicht war unser Kunde in der Lage, Änderungen am Prozess
flexibel und schnell umzusetzen. Noch während des Projekts hat
unser Kunde festgestellt, dass er ein Instrument zur Gestaltung
agiler Prozesse an der Hand hat, das ihn bei der Differenzierung
im Wettbewerb unterstützt.
Bleibt die Frage, ob die Disponenten und Prozessbeteiligten in
der Lage sind, diese flexiblen und schnellen Änderungen mitzumachen und ihre tägliche Arbeit darauf einzustellen? Diese
Frage konnte unser Kunde mit einem klaren „Ja“ beantworten.
Die Begründung für dieses „Ja“ ist so einfach wie die Methode,
die wir für die Ausgestaltung der Prozesse in der Prozessschicht
verwendet haben. Die Disponenten aus der Fertigungsplanung
und -steuerung haben ihre Prozesse und damit notwendige
Änderungen selbst gestaltet und modelliert. Die selbst gestaltete
Prozesslogik und Zusammenarbeit im Prozess konnte unmittelbar nach der Modellierung in einer Prozessapplikation erlebt und
angefasst werden.
Kritische Erfolgsfaktoren in der Prozessdigitalisierung
Die Anwendung des S-BPM Ansatzes wirkte sich insbesondere auf
folgende kritische Erfolgsfaktoren in der P
­ rozessdigitalisierung
positiv aus.
Verwendung und Akzeptanz der Modellierungssprache bei den
Fachanwendern
Nur fünf Modellierungssymbole in Kombination mit der
natürlichen Sprache sprechen eine eindeutige Sprache. Die
Disponenten haben sofort verstanden, wie die Modellierung
funktioniert. Ein besonderes Aha-Erlebnis hatten wir, als die
Fachanwender gesehen haben, dass die Bezeichnung von Prozessfunktionen und deren Erklärungen nicht nur in den Modellen,
sondern eins zu eins auch in ihrer Prozessapplikation zu sehen
waren. Dementsprechend dienten die Prozessmodelle nicht nur
der Prozessbeschreibung, sondern auch als Handlungsanweisung
in der Prozessapplikation.
Bereitschaft der Disponenten, sich in Modellierungsworkshops einzubringen
Im ersten Workshop haben wir „nur“ über die Kommunikationsbeziehung zwischen den Prozessbeteiligten gesprochen
und ermittelt, welche Informationen ausgetauscht werden müssen. Das führte dazu, dass wir kritische Punkte im Zusammenarbeitsmodell zwischen den Prozessbeteiligten aufgegriffen haben.
Die Disponenten haben bereits im ersten Workshop festgestellt,
13
Detecon Management Report dmr • Special Automotive 2015
dass Aufgaben in der Realität nicht so verteilt sind, wie sie laut
Governance-Modell des Unternehmens verteilt sein sollten.
Diese kritischen Punkte haben wir ausdiskutiert, um zu einem
verbesserten und gleichzeitig machbaren Prozessablauf in der
Organisation unseres Kunden zu kommen. Diese kritisch konstruktive Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemen und
die leichtverständliche Darstellung einer Lösung mit nur zwei
Symbolen (dem Subjekt und der Nachricht), hat jede anfängliche Zurückhaltung auf der Seite der Disponenten verschwinden
lassen.
Nachhaltige Akzeptanz der Workshop-Ergebnisse und Zusammenspiel mit der IT
In den Workshops saßen neben den Vertretern aus Fertigungsplanung und -steuerung von Anfang an auch Vertreter der IT und
Fertigungs-IT. Das hatte zunächst nur symbolische Bedeutung,
um zu zeigen, dass Fachseite und IT gemeinsam an einem Modell
arbeiten. In einer späteren Projektphase, in der zur Veredelung des
Prozesses Webservices für die Automatisierung und ­Integration
in den Prozess eingebaut wurden, haben wir gezeigt, dass über
die Symbolik hinaus Fachanwender und IT eine Sprache und
damit über dasselbe Modell sprechen. Die Disponenten haben
unmittelbar erlebt, dass ihre fachlichen Modelle von der IT
genutzt und eins zu eins umgesetzt werden. Die Fachanwender
haben die Workshop-Ergebnisse als nachhaltig auf der Arbeitsebene verankerte Modelle und als ihre eigenen Prozesse und
Applikationen akzeptiert.
Management-Support
Beim Einsatz von S-BPM haben wir ein Phänomen beobachtet,
dass die verbindliche Einbindung des Managements erheblich
erleichtert hat: Die Fachanwender haben die gestalteten Prozesse
als ihre Prozesse erlebt und festgestellt, dass diese Prozesse eins
zu eins in Prozessapplikationen umgesetzt werden. Demzufolge
haben die Fachanwender von sich aus versucht, ihr Management
von der Richtigkeit und Notwendigkeit der Prozessimplementierung zu überzeugen. Die Fachanwender bei unseren Kunden
haben die Rolle des Projekt-Marketings übernommen. In
­Terminen zur Präsentation von Zwischenergebnissen sind die
Fachanwender selbst aufgetreten und haben die P
­ rozessapplikation
und ihre Vorteile präsentiert. Die Reaktion des Managements
war naheliegend: „Wenn meine Mitarbeiter davon überzeugt
sind und mit der Prozessapplikation einen Hebel zur Erreichung
unserer Ziele an die Hand bekommen, dann unterstützen wir
das.“ Von der ersten Präsentation der Zwischenergebnisse an
war das Projekt nicht mehr unser Projekt, das wir als Berater für
Abbildung 3: Die Adaption des agilen Scrum-Rhythmus für die subjektorientierte Prozessdigitalisierung
Process Increment
vi
Re
ew
Daily
Scrum
Process Release
Sprint
Backlog
Process Backlog
Changes
Retrospective
PO
Plann
i
ng 2
PO
Process Vision
Quelle: Detecon
14
Detecon Management Report dmr • Special Automotive 2015
Selected Process
Backlog
1
Process Owner
Release
Planning
g
nin
Plan
PO
Impediment
Backlog
Process Backlog
unseren Kunden durchgeführt haben. Es wurde zum Projekt
unseres Kunden, der Mitarbeiter aus dem Fachbereich und der
IT, das wir als Berater lediglich begleitet haben.
Agile Vorgehensweise im Scrum-Rhythmus
Das Projekt wurde im Rhythmus von Scrum aufgesetzt, um
die Komplexität handhabbar zu machen. Die Kommunikation
zu den Projektergebnissen haben wir entlang des zunehmenden
Verständnisses der Fachanwender für ihren Prozess proaktiv
gestaltet. Die Prozessreleases haben wir an den Ende-zu-EndeProzessen ausgerichtet und entlang einer zunehmenden Prozessautomatisierung und -integration abgegrenzt. Am Ende eines
jeden Sprints wurde im Sprint-Review als Prozessinkrement
immer eine Prozessapplikation präsentiert. Die P
­ rozessapplikation
wurde von Sprint zu Sprint immer weiter veredelt – mit
jedem Sprint ist der Grad der Automatisierung und ­Integration
­gestiegen. In Abbildung 3 ist dargestellt, dass alle Prozess-Backlog-Items immer auf die Erstellung und Veränderung einer
Prozessapplikation als Prozessinkrement eingezahlt haben.
Frank Lorbacher ist Managing Consultant. Er hat über 20 Jahre Erfahrung mit
BPM in unterschiedlichen Branchen. Sein Schwerpunkt liegt in der Konzeption
und Implementierung agiler Prozesse in serviceorientierten Architekturen. Er
ist Experte für die Prozessdigitalisierung und die damit einhergehende Prozesstransformation.
Michael Spiller ist Consultant und berät Unternehmen der Automobilbranche
in den Bereichen Digitalisierung von Prozessen und Unternehmensarchitekturmanagement. Als zertifizierter Scrum-Master beschäftigt er sich auch mit der
agilen Prozessmodellierung und -implementierung.
Kontinuierliche Verbesserung ist das Ziel
Schnelligkeit und Flexibilität in der Fertigungsplanung und
-steuerung erfordern die Integration aller Prozessbeteiligten, der
IT, Daten- und Fertigungsressourcen. Informationen sind in
Echtzeit zu erheben und unverzüglich den jeweiligen Adressaten
bereitzustellen, damit sie Änderungen umgehend nachvollziehen
oder selbst anstoßen können. Dies betrifft vor allem die Akteure,
die täglich damit arbeiten. Die subjektorientierte Prozessmodellierung gibt den Disponenten die Möglichkeit, ihre Prozesse selbst
zu modellieren und ständig anzupassen. Das Modellierungsvorgehen bringt Fachanwender und IT an einen Tisch – Missverständnisse und Kommunikationsprobleme werden signifikant
reduziert, Änderungen schnell und für alle transparent nach dem
Lego-Prinzip integriert. Alle Beteiligten arbeiten in einem Workflow zusammen, der die involvierten Systeme in einem „Single
User Interface“ vereinigt. Die Beteiligten verfügen somit über die
für sie relevanten Informationen. Da subjektorientierte Prozessmodellierungstools die ausführbaren Prozessapplikationen direkt
aus den Prozessmodellen generieren, sind Änderungen schnell
und einfach „live“. Zusammen mit unseren Kunden gestalten wir
eine ganzheitliche Fertigungsplanung und erleichtern die Evaluierung sowie die kontinuierliche Verbesserung von Strukturen
und Prozessen in der Fertigung.
Zitation: Der Artikel basiert auf Lorbacher F. (2015) Designing an Agile
Process Layer for Competitiv Differentiation In: Fleischmann A., Schmidt
W., Stary Ch., S-BPM in the Wild Practical Value Creation, Spinger Open,
S. 97 – 100.
15
Detecon Management Report dmr • Special Automotive 2015