Briefing

Jan Philipp Albrecht
www.janalbrecht.eu
"Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung
bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der
Verhandlung in Strafverfahren"
2013/0407(COD)
Aktueller Stand und Hintergrund (15.07.2015):
In den nächsten Verhandlungen über den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine
"Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zur Stärkung bestimmter Aspekte der
Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in Strafverfahren" ab September wird es
um die von einer Mehrheit im Ministerrat geforderte Umkehr der Beweislast in bestimmten Fällen gehen.
Am 31. März hatte der federführende Innen- und Justizausschuss des Europäischen Parlaments
(Committee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs, LIBE) den Berichtsentwurf von Berichterstatterin Nathalie Griesbeck (Allianz der Liberalen und Demokraten, Frankreich) mit
großer Mehrheit angenommen. Darin fordern die Abgeordneten, an der Unschuldsvermutung
festzuhalten. Damit stellen sie sich gegen den Rat der Innen- und Justizminister (Ministerrat),
der in seiner Positionierung ("Allgemeine Ausrichtung") vom Dezember 2014 fordert, die Umkehr der Beweislast in Ausnahmefällen zuzulassen, zum Beispiel bei Verkehrsdelikten. Außerdem wollen die Abgeordneten das Recht auf Anwesenheit im Strafverfahren stärken und
Zwangsmaßnahmen verbieten. Beweise, die widerrechtlich erlangt wurden, sollen aus dem Verfahren ausgeschlossen werden und das Recht zu schweigen gelten.
Die französische Regierung und weitere Mitgliedstaaten, darunter die Niederlande, konnten sich
im Ministerrat durchsetzen mit der Forderung, die Beweislast in bestimmten Fällen umzukehren
und so das Prinzip der Unschuldsvermutung außer Kraft zu setzen, so dass Beschuldigte oder
Angeklagte ihre Unschuld beweisen müssten. Wenn es nach der Mehrheit im Ministerrat geht,
soll das bei geringfügigen Straftaten der Fall sein, etwa bei bestimmten Verkehrsdelikten. Auch
die Option, Zwang anzuwenden, wurde im Ministerrat beschlossen. Die Bundesregierung hat
sich im Ministerrat sowohl gegen die Umkehr der Beweislast und damit gegen die Abkehr vom
Prinzip der Unschuldsvermutung ausgesprochen, als auch gegen die Möglichkeit, Zwang anzuwenden.
Die Kommission hatte ihren Vorschlag für die Richtlinie am 27. November 2013 vorgelegt. Der
Richtlinienvorschlag ist Teil des Maßnahmenpakets zur Stärkung der Verfahrensrechte ("procedural rights package"), dazu gehören auch die Richtlinienvorschläge "Verfahrensgarantien in
Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder" und "Prozesskostenhilfe".
Berichterstatterin und Schattenberichterstatter:
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Nathalie Griesbeck (Allianz der Liberalen und Demokraten)
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Jan Philipp Albrecht (Die Grünen/Freie Europäische Allianz)
Kinga Gall (Europäische Volkspartei)
Birgit Sippel (Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten)
Timothy Kirkhope (Europäische Konservative und Reformisten)
Dennis de Jong (Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische
Grüne Linke)
Laura Ferrara (Europa der Freiheit und der direkten Demokratie)
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Berichterstatter für die Stellungnahme des Rechtsausschusses: Pascal Durand (Die Grünen/Freie Europäische Allianz)
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Zeitplan:
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Nächste Verhandlungen mit dem Ministerrat und der Europäischen Kommission ("Trilog"):
2. September 2015, 17. September 2015, 24. September 2015
Abstimmung im Plenum: noch nicht terminiert
Weiterführende Informationen:
Richtlinienvorschlag "Unschuldsvermutung" - Verfahrensablauf (Englisch)
Stellungnahme des Innen- und Justizausschusses, 20. April 2015
Richtlinienvorschlag "Unschuldsvermutung" - Stellungnahme des Rechtsausschusses,
8. April 2014
Position des JI-Rats ("Allgemeine Ausrichtung"), beschlossen im Dezember 2014
Richtlinienvorschlag "Unschuldsvermutung", 27. November 2013
Maßnahmenpaket zur Stärkung der Verfahrensrechte ("procedural rights package") der Europäischen Kommission, 27. November 2013
Richtlinienvorschlag "Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte
Kinder", 27. November 2013
Richtlinienvorschlag "Prozesskostenhilfe", 27. November 2013
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