Recht auf ein faires Verfahren: Neue Vorschriften zur

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Recht auf ein faires Verfahren: Neue Vorschriften zur Garantie der
Unschuldsvermutung
Brüssel, 12. Februar 2016
Die Minister der EU-Mitgliedstaaten haben heute neue Vorschriften angenommen, die jedem,
der von der Polizei oder der Justiz einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt wird, die
Unschuldsvermutung garantieren.
Die Richtlinie gewährleistet ferner, dass jeder das Recht hat, in der ihn betreffenden Verhandlung
anwesend zu sein.
Mit den neuen Vorschriften, die die Kommission 2013 vorgeschlagen hatte (IP/13/1157), wird
sichergestellt, dass diese Grundrechte überall in der EU uneingeschränkt und in gleicher Weise
geachtet werden.
Vĕra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, erklärte hierzu: „Das Recht
auf ein faires Verfahren ist ein Grundrecht, das überall in Europa beachtet werden muss. Heute gibt es
beim Schutz der Unschuldsvermutung immer noch einige Unterschiede in der Europäischen Union. Mit
den neuen gemeinsamen Vorschriften wird sichergestellt, dass die Rechte von Bürgern, die an
Strafverfahren beteiligt sind, von der Polizei und der Justiz geachtet werden. Solange ein Beschuldigter
nicht verurteilt ist, sollte für ihn die Unschuldsvermutung gelten. Ein faires Verfahren setzt auch
voraus, dass Verdächtige das Recht haben, die Aussage zu verweigern und in der sie betreffenden
Verhandlung anwesend zu sein. Dies wird dazu beitragen, einen echten Raum des Rechts und der
Grundrechte auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens zu schaffen.“
Mit den neuen Vorschriften, die für alle Verdächtigen und Beschuldigten in Strafverfahren gelten,
werden die folgenden Grundrechte durchgesetzt:
- Vermutung der Unschuld bis zum Beweis der Schuld: Die neuen Vorschriften verbieten, dass
jemand von Behörden oder in Gerichtsentscheidungen öffentlich als schuldig dargestellt wird,
bevor seine Schuld bewiesen ist. In allen Mitgliedstaaten gilt nun eine gemeinsame Definition der
Unschuldsvermutung.
- Beweislast bei der Strafverfolgungsbehörde: In den neuen Vorschriften wird klargestellt, dass
nicht der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss, sondern dass die Strafverfolgungsbehörde
die Beweislast für die Feststellung der Schuld trägt. Zweifel kommen dem Verdächtigen oder
Beschuldigten zugute.
- Aussageverweigerungsrecht: Auch das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht selbst
zu belasten, wird geschützt und darf nicht gegen den Verdächtigen oder Beschuldigten verwendet
werden, um eine Verurteilung zu erreichen.
- Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung: Das Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung ist
für die Sicherstellung eines fairen Verfahrens unerlässlich. Bei einer Verletzung dieses Rechts hat
der Verdächtige oder Beschuldigte das Recht auf eine neue Verhandlung.
Die neuen Vorschriften stützen sich auf die EU-Grundrechte, die in der EU-Charta der Grundrechte und
der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt sind. Die in der Richtlinie festgelegten
Rechte sind Teil des EU-Rechts und werden als solches von den Mitgliedstaaten durchgesetzt.
Die EU-Grundrechte werden in allen EU-Mitgliedstaaten einheitlich angewandt. Dies wird das Vertrauen
der Mitgliedstaaten in die Gerichtsentscheidungen der anderen Mitgliedstaaten stärken und die
gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen erleichtern.
Die nächsten Schritte
Nach der heutigen förmlichen Annahme der Richtlinie durch den Rat haben die Mitgliedstaaten zwei
Jahre Zeit, um den neuen Vorschriften nachzukommen. Die Kommission wird eng mit den
Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt
wird.
Hintergrund
Im Oktober 2015 hatten sich das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission auf
den endgültigen Text der neuen Vorschriften über die Unschuldsvermutung und das Recht auf
Anwesenheit in der Verhandlung geeinigt. Das Europäische Parlament hat seinen Standpunkt am
20. Januar festgelegt (siehe Pressemitteilung).
Diese Richtlinie gilt für alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreichs.
Die neuen Vorschriften sind Teil eines wichtigen Legislativpakets, das die Kommission im November
2013 vorgeschlagen hatte, um den Bürgern das Recht auf ein faires Strafverfahren zu garantieren
(siehe IP/13/1157). Das Paket umfasst drei Legislativvorschläge:
- die heute erlassene Richtlinie zur Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des
Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren,
- die Richtlinie über besondere Verfahrensgarantien für Kinder, auf die sich das Europäische
Parlament, der Rat und die Kommission im Dezember 2015 geeinigt haben (siehe MEX/15/6350),
die aber vom Rat noch angenommen werden muss,
- eine Richtlinie über vorläufige Prozesskostenhilfe für Verdächtige oder Beschuldigte, denen die
Freiheit entzogen ist, sowie über Prozesskostenhilfe in Verfahren zur Vollstreckung eines
Europäischen Haftbefehls, über die noch verhandelt wird.
Die Kommission hat mehrere Vorschläge vorgelegt, um die Rechte Verdächtiger und Beschuldigter
durch Festlegung gemeinsamer Mindestnormen für die Verfahrensrechte zu stärken. Erlassen wurden
bislang die Richtlinie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren
(2010), die Richtlinie über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (2012) und die
Richtlinie über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und das Recht auf Kommunikation mit
Dritten (2013). Die Opferschutzrichtlinie ist seit dem 16. November 2015 anwendbar.
Weitere Informationen
Richtlinie zur Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit
in der Verhandlung in Strafverfahren
Rechte von Verdächtigen und Beschuldigten
Folgenabschätzung: Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Verletzung
der Unschuldsvermutung
IP/16/291
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