Antibiotika-Therapie
Sarah Kim
Franz Bauernfeind
Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie
Überblick
Grundlagen
Leitsätze der Antibiotika-Therapie
Fallbeispiele und Vorstellung der Antibiotika-Klassen
Die häufigsten Fehler der Antibiotika-Therapie
Kalkulierte Antibiotikatherapie
1. Wie heißt die Infektion oder das Syndrom
2. Was sind die häufigen Erreger
3. Sind genügend Kulturen abgenommen
4. Welche Antibiotika/Kombinationen sind für diese Indikation Standard?
5. Welche individuellen Voraussetzungen des Patienten sind zu
berücksichtigen (Allergie, Vorerkrankung/Begleitmedikation, AB-Vortherapie
in den letzten 3 Monaten, Reiseanamnese)
Grundlagen I
Bakterizide Antibiotika
Bakteriostatische Antibiotika
Keimabtötung
rev. Hemmung der Bakterienvermehrung
MBK = min. bakterizide Konzentration
(min. AB-Konz. mit bakterizider Wirkung)
MHK = minimale Hemmkonzentration
(min. AB-Konz. mit bakt.-stat. Wirkung)
β-Laktam-AB (Penicilline, Cephalosporine,
Carbapeneme, Monobaktame)
Glykopeptidantibiotika (z.B. Vancomycin)
Transkription/Nukleinsäuresynthese
Translation/Proteinsynthese
Zellwandsynthese
Fosfomycin
Aminoglykoside (z.B. Gentamicin)
Tetracycline
Makrolide
Lincosamine (z.B. Clindamycin)
Gyrasehemmer / Chinolone
Cotrimoxazol (Trimethoprim +
Rifampicin
Sulfomethoxazol)
Nitroimidazole (z.B. Metronidazol)
Grundlagen II
Wirkung der Antibiotika ist abhängig von:
- körpereigenes Immunsystem: durch bakteriostatische Therapie im Wachstum gehemmte
Erreger müssen abgetötet werden (Cave: bei Immunsuppression bakterizide AB
bevorzugen), abgetötete Keime müssen phagozytiert werden
-  Infektionsort: welches Gewebe? Intra- oder extrazellulär gelegen
-  Stoffwechsellage der Bakterien
Abtötungskinetik:
- konzentrationsabhängig: je höher die AB-Konzentration, desto stärker ist der antibakterielle
Effekt (z.B.: Aminoglykoside, Fluorchinolone)
- zeitabhängig: Die Dauer der AB-Exposition ist die determinierende Größe, eine weitere
Dosissteigerung bringt keine Wirkungssteigerung (z.B.: β-Laktam-AB, Vancomycin, Makrolide,
Clindamycin)
Grundlagen III
Resistenz:
Definition: Erregervermehrung trotz wirksamer Konzentration des Antibiotikums am Wirkort
1) natürliche Resistenz: genetisch bedingt („nicht im Wirkspektrum des Antibiotikums“)
2) Mutations-Resistenz:
a) spontan: ohne Einwirkung der antibiotischen Therapie
b) sekundär: unter Selektionsdruck einer Therapie eintretend (= erworben)
3) übertragbare Resistenz: Plasmide, extrachromosomale ringförmige genetische Elemente, die die
Resistenzgene enthalten können zwischen Stämmen gleicher und unterschiedlicher Art
übertragen werden
4) Kreuzresistenz: gegen alle Vertreter einer bestimmten AB-Gruppe mit gleichem Wirkmechanismus
Leitsätze der AB-Therapie I
Vermeidung unnötiger antibiotischer Therapie: ein Antibiotikum ist kein Antipyretikum
Möglichst gezielte Therapie
- Erregerisolation anstreben (wenn möglich vor Beginn der AB-Therapie)
- „Schmalspektrum“-Antibiotika sog. „Breitspektrum“-Antibiotika vorzuziehen
- ggf. Umsetzen nach Erhalt des Antibiogramms (von breit auf gezielt)
Ausreichend hohe Dosierung
Dosisanpassung bei z.B. Leber-/Niereninsuffizienz
Spiegelbestimmung bei Antibiotika mit geringer therapeutischer Breite
Leitsätze der AB-Therapie II
Therapiedauer:
- Bis 48-72 h nach klinischer Besserung mit Entfieberung, jedoch frühestens
nach 5 Tagen
- Therapiedauer ≥ 7-10 Tagen bedarf einer Begründung
Antibiotika nicht zu häufig umsetzen; auch bei „richtiger“ Therapie tritt Entfieberung
häufig erst nach 2-3 Tagen ein
Wenn AB nach 3-4 Tagen noch nicht anspricht, überlegen: falsches AB?, falscher
Erreger (Viren, Pilze?), Substanz erreicht Infektionsort nicht?, Abszess?,
Fremdkörper? (Katheter), Drug-Fever?
Die meisten Lokalantibiotika können durch Antiseptika ersetzt werden.
Fallbeispiel 1
Anamnese:
66-jähriger Mann beim Hausarzt mit zunehmender AZ-Minderung seit 2 Tagen, seit
gestern Fieber, Husten
Vorerkrankungen:
Diabetes mellitus II
Medikation:
Protaphane 30/70, Ramipril, HCT
Weitere Anamnese? Untersuchungen?
Verdachtsdiagnose?
Kalkulierte Antibiotikatherapie
1. Wie heißt die Infektion oder das Syndrom
Ambulant erworbene Pneumonie (CAP)
2. Was sind die häufigen Erreger
Pneumokokken, Haemophilus, Mykoplasmen, Enterobakterien, Staphylokokken
3. Sind genügend Kulturen abgenommen
Sputum/Bronchialsekret, Rachenabstrich, Urin
4. Welche Antibiotika/Kombinationen sind für diese Indikation Standard?
=> Leitlinie
5. Welche individuellen Voraussetzungen des Patienten sind zu
berücksichtigen (Allergie, Vorerkrankung, Begleitmedikation, etc)
DM Typ II
Beta-Lactam-Antibiotika
4 Klassen:
Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Monobaktame
Einheitliches Merkmal:
Beta-Lactam-Ring als aktives antibakterielles Zentrum
Pharmakodynamik:
Bakterizid (Hemmung der bakt. Zellwandsynthese)
Pharmakokinetik:
Elimination vorwiegend unverändert renal und sehr rasch
Beta-Lactamasen:
> 340 verschiedene β-Lactamasen -> zunehmende Problematik
Allergie:
Allergierate bei Penicillinen am höchsten, meist Kreuzallergie unter den Penicillinen;
in 5-8% Kreuzallergie zu Cephalosporinen
Sensibilisierung: oral < parenteral < lokal (obsolet!)
Penicilline 1
Vorteile:
bakterizide Wirkung, gute Verträglichkeit, große Dosierungsspanne,
Wirkungssteigerung durch β-Lactamasehemmer, keine oder nur langsame
Resistenzentwicklung unter der Therapie
Nachteile:
Lückenhaftes Wirkspektrum bei ungezielter Therapie, geringe Stabilität gegen
verschiedene β-Lactamasen, Sensibilisierungsgefahr, kurze Halbwertzeit
Cave:
Niereninsuffizienz
Meningitis (erhöhte Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke), Epilepsie, da bei hoher
Dosis neurotoxische Reaktionen möglich
Penicilline 2
Schmalspektrum-P.
Penicillin-Klassen
Penicil
linase
stabil
Gute Wirksamkeit / Besonderheiten
Benzyl-P.:
Penicillin G
-
-
Streptokokken, Pneumokokken, Meningokokken,
Gonokokken, Treponemen, Borrelien,
(zunehmende Resistenz von Pneumo- + Gonokokken)
Phenoxy-P.: Penicillin V
+
-
„Oralpenicillin“; Wirkspektrum entspricht Penicillin G
+
ausschl. penicillinase-bildende Staphylokokken (bis zu 80% der
Staph.); schlecht gewebegängig
Isoxazolyl-P.:
(Oxacillin), Flucloxacillin
Amino-P.:
Amoxicillin
Ampicillin
Breitspektrum-P.
Säure
stabil
Acylamino-P.:
Piperacillin
P. / β-Lactamaseinhibitor:
Amoxicillin/Clavulansäure
Ampicillin/Sulbactam
Piperacillin/Tazobactam
+
+
-
-
-
+/+
+/-/-
+
+
+
Spektrum wie Penicillin G (aber schwächer) plus
Enterokokken, Listerien,
Proteus, E. coli, Haemophilus influenzae
NW: häufig Störung der Darmflora -> Diarrhoe, cave: C. diff.!
Amoxicillin gut oral wirksam
bes. im gramnegativen Bereich (einschließlich Pseudomonas),
jedoch unvollst. Staphylokokken-Wirksamkeit, daher nur in
Kombination einsetzen (s.u.)
Indikationserweiterung um β-Lactamasebildner
Cave: nur ein Teil der β-Lactamasen können gehemmt werden!
Cephalosporine (parenteral)
Gruppe 1
Cefazolin
schmales Spektrum, beste Staphylokokkenaktivität unter Cephalosporinen
Wirksamkeit: Staphylokokken, Enterobakterien (nicht gegen Pseudomonas)
Indikation: leichte Infektionen, Ersatz von Penicillin G bei Allergie, Staphylokokken-Infektion
(bessere Alternative zu Flucloxacillin!)
Gruppe 2
Cefuroxim
(Zinacef®)
Gruppe 3a
Cefotaxim,
Ceftriaxon
(Rocephin®)
Gruppe 3b
Ceftazidim
(Fortum®)
breites Spektrum (grampositiv und gramnegativ), gute Pharmakokinetik; weitgehend βlactamasefest
Wirksamkeit: H. influenzae, nicht gegen Enterokokken und Pseudomonas
Indikationen: perioperative Prophylaxe, Organinfektionen, bei denen mit grampositiven und
gramnegativen Bakterien gerechnet werden muss (z.B. Pyelonephritis)
sehr breites Spektrum (zunehmend gramnegativ), weitgehend β-lactamasefest
Wirksamkeit: nicht gegen Enterokokken und Pseudomonas, unzureichend gegen
Staphylokokken
Indikation: (un)gezielte Therapie schwerer lebensbedrohlicher Infektionen (Sepsis,
Pneumonie, Wundinfektionen)
sehr breites Spektrum, ähnlich Ceftriaxon, β-lactamasefest
Wirksamkeit: nicht gegen Enterokokken, gut gegen Pseudomonas!, schwach gegen
Staphylokokken)
Indikation: bei schweren Infektionen mit der Möglichkeit einer Pseudomonasinfektion
(Kombinations-Therapie!); Fieber in Neutropenie, Mukoviszidose
Cephalosporine (oral)
Gruppe 1
Weitgehend überholte Gruppe durch Loracarbef, ähnliches Wirkspektrum wie Cefazolin
Cefachlor
Cefalexin
Wirksamkeit: nicht gegen Enterokokken und Pseudomonas
Gruppe 2
Derivat von Cefachlor, aber bessere Pharmakokinetik, zunehmend gramnegativ
Loracarbef
Wirksamkeit: nicht gegen Enterokokken und Pseudomonas, gut gegen Hämophilus infl.,
Indikation: Staphylokokken-Infektionen (bessere Alternative zu Flucloxacillin)
Pneumokokken, Streptokokken, Staphylokokken, E. coli
Indikationen: leichte Atemwegs- (incl. HNO), Harnwegs-, Weichteilinfektionen
Gruppe 3
Erweitert im gramnegativen Bereich, aber z.T. verminderte Staphylokokken-Wirksamkeit
Cefpodoxim
Wirksamkeit: nicht gegen Enterokokken und Pseudomonas
Ceftibuten
Indikation: leichte Atemwegs-, Harnwegs-, Weichteil-Infektionen
Carbapeneme
(Imipenem, Meropenem)
Erregerspektrum:
fast das gesamte Erregerspektrum (incl. Pseudomonas, Anaerobier, ESBL-Bildner) ⇒
Reserveantibiotikum mit derzeit breitestem Spektrum!
Lücken im Erregerspektrum:
MRSA, C. diff., Legionellen, Chlamydien, Mycoplasmen
Unterschiede Meropenem vs. Imipenem:
Meropenem: verbesserte Aktivität gegen gramnegative Bakterien (u.a. Pseudomonas),
aber schwächere Aktivität gegen grampositive Bakterien
Imipenem: Kombination mit Cilastatin (=rev Dehydropeptidase I-Inhibitor)
Indikationen:
Initialtherapie schwerer lebensbedrohlicher Infektionen (vor Erregernachweis);
Mischinfektionen; Sepsis; Meningitis (nur Meropenem);
Infektionen mit Acinetobacter baumanii oder ESBL-Bildnern
Wichtige Kombinationspartner (synergistische Wirkung):
Gentamicin oder Ciprofloxacin
 Pseudomonas
Vancomycin
 Staph. Aureus
Metronidazol
 Anaerobier
Monobactame
(Aztreonam)
Allgemeines
Theoretisch interessant, aber insgesamt geringe klinische Bedeutung;
Einzige Substanz dieser Klasse
Unübliches β-Lactam-Antibiotikum (besteht nur aus halbem β-Lactamring)
Das Vancomycin Pendant im gramnegativen Bereich
Erregerspektrum:
Fast alle gramnegativen Stäbchen (incl. Pseudomonas)
Wirkt nicht gegen grampositive Bakterien, wirkt nicht gegen Anaerobier
Indikationen:
Komplizierte Harnwegsinfektionen durch sonst resistente Keime;
in Kombination zur Pseudomonas-Therapie
Reservepräparat für Kombinationstherapie
Fallbeispiel 1
Anamnese:
66-jähriger Mann mit zunehmender AZ-Minderung seit 2 Tagen, seit gestern Fieber,
Husten
Vorerkrankungen:
Diabetes mellitus II
Medikation:
Protaphane 30/70, Ramipril, HCT
Einteilung Pneumonie?
Therapie?
Ambulant erworbene Pneumonie 1
(CAP = community aquired pneumonia)
Definition:
Jede nicht im Krankenhaus erworbene Pneumonie, dies gilt auch für Diagnosen im
Krankenhaus innerhalb von 48 Stunden nach Krankenhausaufnahme.
(Infiltrate in Rö-Thorax + Infektzeichen + 2 Zeichen einer Atemwegsinfektion)
Risikostratifizierung:
CRB-65-Index: (Confusion, Respiratory Rate >30/min, Blood Pressure <90/60, Age >65 )
 CRB-65-Index ≠ 0  stationäre Einweisung empfohlen
Diagnostik:
Röntgen
Labor
Mikrobiologie
Ambulant
+
-
-
Stationär
+
+
+/-
ICU
+
+
+
Ambulant erworbene Pneumonie 2
(CAP = community aquired pneumonia)
Antibiotika [Alternative]
CAP ohne RF
CAP mit RF
CAP mit
PseudomonasRisiko
Amoxicillin p.o.
[Azithromycin p.o., Doxycyclin p.o.]
Amoxicillin/Clavulansäure p.o.
[Laevofloxacin p.o./Moxifloxacin p.o.]
Piperacillin/Tazobactam i.v. ±
Ciprofloxacin p.o.
[Carbapenem i.v. + Ciprofloxacin]
Erregerspektrum
Pneumokokken (40-50%),
H. influenzae,
Mykoplasmen, Chlamydien,
Besonderheiten
Keine
Gyrasehemmer:
zu breit, Gefahr von
Resistenzen
(Ciprofloxacin hat nur
unzureichende
PneumokokkenAktivität!)
Pneumokokken, H. influenzae, Bei V.a. atyp. P.:
Staphylococcus aureus,
β-Lactam + Makrolid
Enterobakterien,
Mykoplasmen, Chlamydien
Pneumokokken, H. influenzae,
Staph. aureus, Enterobakterien,
Pseudomonas
ggf. Mykoplasmen, Chlamydien,
Legionellen
Bei V.a. Aspiration
zusätzlich
Metronidazol
(Anaerobier)
Risikofaktoren: COPD, Alter, Rauchen, Herz-/Leber-/Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, Aspirationsgefahr, Z.n. InfluenzaInfektion, Malnutrition
Pseudomonas-Risiko: Steroidbehandlung, Intensivbehandlung, strukturelle Lungenerkrankung, vorhergehende stat. Behandlung
(< 30d), antibiotische Vorbehandlung, Malnutrition
Nosokomiale Pneumonie 1
(HAP = hospital aquired pneumonia)
Definition:
Jede Pneumonie, die sich im Krankenhaus später als 48h nach Aufnahme
erstminfestiert, ist eine nosokomiale Pneumonie.
Man unterscheidet in frühe (early onset < 4d) und späte (late onset ≥ 5d) HAP.
Letalität 30-50%.
Risikofaktoren:
Alter > 65 Jahre
1 Pkt
Strukturelle Lungenerkrankung
2 Pkt
Antimikrobielle Vorbehandlung
2 Pkt
Late onset (ab dem 5. KH-Tag)
3 Pkt
Schwere respiratorische Insuffizienz
3 Pkt
Extrapulmonales Organversagen
4 Pkt
Nosokomiale Pneumonie 2
(HAP = hospital aquired pneumonia)
Therapie:
Gruppe
I
(≤ 2 Pkt.)
II
(3-5 Pkt.)
III
(≥ 6 Pkt.)
Antibiotika [Alternative]
Ampicillin/Sulbactam i.v.
[Moxifloxacin]
Piperacillin/Tazobactam i.v.
[Chinolon]
Piperacillin/Tazobactam i.v. + Chinolon
wenn möglich p.o. sonst i.v.
[Carbapenem i.v. + Chinolon]
Erregerspektrum
Besonderheiten
Early onset:
Pneumokokken, H. influenzae,
Staph. aureus (MSSA),
Enterobakterien
„Late-onset-HAP“:
Pneumokokken, H. influenzae,
Staph. aureus (MRSA)
Klebsiellen, Enterobacter,
Stenotrophomonas
Pseudomonas, Acinetobacter
baumanii
ggf. Mykoplasmen, Chlamydien,
Legionellen
Bei Nachweis
Pseudomonas oder
Acinetobacter immer
Komb.-Therapie
Legionellen-Pneum.
Therapie-Dauer mind.
3 Wochen
Leitlinien Innere I, UKB
MRSA-Risiko: Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Koma
Pseudomonas-Risiko: Steroidbehandlung, Intensivbehandlung, strukturelle Lungenerkrankung
Fallbeispiel 2
Anamnese:
24-jährige Frau, seit gestern Übelkeit/Erbrechen, Kopfschmerzen, Fieber bis 39,5°C,
Rückenschmerzen
Vorerkrankungen:
keine
Medikation:
„Pille“
Untersuchungen?
Verdachtsdiagnose?
Kalkulierte Antibiotikatherapie
1. Wie heißt die Infektion oder das Syndrom
Aufsteigender Harnwegsinfekt mit akuter Pyelonephritis
2. Was sind die häufigen Erreger
E.coli, Proteus mirabilis, Staphylokokken
3. Sind genügend Kulturen abgenommen
Urinstix, Sediment, Urinkultur, evtl Blutkultur
4. Welche Antibiotika/Kombinationen sind für diese Indikation Standard?
=> Leitlinie
5. Welche individuellen Voraussetzungen des Patienten sind zu
berücksichtigen (Allergie, Vorerkrankung, Begleitmedikation, etc)
Kontrazeptiva
Harnwegsinfekt / Pyelonephritis
Allgemeines:
Keine empirische Therapie bei afebrilen, symptomlosen Patienten.
Nur Leukozyturie und Keimzahlen > 105/ml deuten auf signifikante Bakteriurie hin
Reichlich Flüssigkeitszufuhr für ausreichende Diurese („wash-out-effect“)
Das ideale Antibiotikum zur Behandlung von Infektionen der Nieren und ableitenden
Harnwege wird möglichst unverändert renal ausgeschieden
Risikofaktoren:
Weibliches Geschlecht (3.-60. LJ), Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft, Diabetes,
Harnretention
Erreger:
Häufig: E. coli, Proteus mirabilis, Klebsiellen
Schwere Verläufe: s.o. + Pseudomonas, Staph. Aureus, Enterokokken
Sexuell Übertragbar: Gonokokken, Chlamydien, Mycoplasmen, Trichomonas
Gynäkologischen Infektionen: zusätzlich Anaerobier
Folsäure-Antagonisten
(Sulfonamide + Diaminopyrimidine)
Wirkstoffe:
Sulfonamide: Sulfamethoxazol, Sulfadiazin
Diaminopyrimidine: Trimethoprim, Pyrimethamin
Kombination: Sulfamethoxazol + Trimethoprim = Cotrimoxazol
Wirkung:
Hemmung der bakt. Folsäure-Synthese (2 unterschiedliche Schritte)
bakteriostatisch
synergistischer Effekt und verzögerte Resistenzentwicklung durch Kombination
insgesamt breites Wirkspektrum aber zunehmende Resistenzen auch gegen Komb.
Nebenwirkung:
Gastrointestinale Störungen, Allergische Reaktionen (Exanthem)
Indikation:
1)  Cotrimoxazol: MdW bei Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie, trotz Resistenzrate:
unkomplizierte HWI
2) Sulfadiazin + Pyrimethamin: Toxoplasmose
Gyrasehemmer / (Fluor)chinolone
Pharmakodynamik:
Bakterizid (Hemmung der Topoisomerase v.a. II (bakt. Enzym, das DNA in ihre
Superhelix-Quartär-Struktur verwandelt))
Pharmakokinetik
parenterale und orale Gabe möglich, renale Elimination
gut gewebegängig
Verwendung:
sehr breiter Einsatz, da sehr breites Erregerspektrum und orale Gabe möglich
Ursachen für Resistenzen (zunehmendes Problem):
breiter Einsatz beim Menschen
Abusus in der Veterinärmedizin
breiter Einsatz von Nalidixinsäure – dem ersten Chinolon von 1962 – als Diarrhoe-Mittel
in Indien bis heute!
Gyrasehemmer / (Fluor)chinolone
Erregerspektrum
Indikationen
I: Norfloxacin
Gramnegative Stäbchen, Pseudomonas
Harnwegsinfektionen (hohe
Urinkonzentration)
II: Ciprofloxacin
v.a. gramnegativ (incl. Pseudomonas),
Harnwegs-I., Gallengangs-I.,
Reisediarrhö,
Pseudomonas-I. (z.B. zystische
Fibrose)
Chlamydien, Mycoplasmen + Staphylokokken,
schlechte Wirksamkeit gegen Pneumokokken!
III:
Laevofloxacin
IV: Moxifloxacin
besser grampositiv (Pneumokokken),
Atemwegs-I., Harnwegs-I.,
schwächere Wirkung auf Pseudomonas
Haut-/Weichteil-I.
Gute Wirksamkeit gegen bakt. Erreger von
Atemwegs-I., Haut-/Weichteil-I.,
Atemwegs-I. (Pneumokokken, Haemophilus,
Tuberkulose (Reserve)
Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen,
Mykobakterien), gute Anaerobier-Wirksamkeit,
schlecht wirksam gegen Pseudomonas
Aminoglykoside
(Gentamicin, Amikacin)
Pharmakodynamik:
bakterizid (Hemmung der bakt. Proteinsynthese)
Besonderheiten:
Als Monotherapeutikum nur relativ schlecht wirksam, daher in erster Linie
Kombinations-Antibiotikum
Bei oraler Gabe kaum Resorption -> Darmsterilisation
Geringe therapeutische Breite (Oto-/Nephrotoxizität):
- regelmäßige Spiegelkontrollen
- tgl. Einmalgabe (siehe auch Abtötungskinetik konzentrationsabhängig)
Wirkspektrum:
Gut wirksam gegen: E. coli, Klebsiellen, Proteus, Pseudomonas, Staphylokokken
Schlecht wirksam gegen: Streptokokken, Haemophilus, Anaerobier
Indikationen:
i.v.: Kombinationspartner bei schweren Infektionen (Pneumonie, Harnwegs-I.,
Endokarditis, Sepsis)
Lokal: infizierte Wunden, Augeninfektionen, Knochen-/Weichteil-I.
Harnwegsinfekt / Pyelonephritis
Antibiotika [Alternative]
Erregerspektrum
Besonderheiten
Therapiedauer:
Einmalgabe bis zu 3 Tagen
Unkomplizierte
Zystitis
Ciprofloxacin, Cotrimoxazol
[Fosfomycintrometamol,
Nitrofurantoin]
E. coli (60-80%),
Klebsiellen, Proteus
Unkomplizierte
Pyelonephritis
Ciprofloxacin, Levofloxacin
(meist orale Therapie
ausreichend)
s.o. plus
Staphylokokken
Komplizierte
Pyelonephritis
Ciprofloxacin o. Ceftriaxon i.v.
[Ampicillin/Sulbactam i.v.]
Urosepsis
Piperacillin/Tazobactam i.v. +
Chinolon i.v. oder p.o.
[Ceftazidim + Amikacin i.v.]
s.o. plus
Staphylokokken,
Pseudomonas,
Enterokokken
(bei Sepsis v.a. E. coli,
Klebsiellen oder
Proteus)
Bei Pseudomonas immer
Kombinationstherapie
Leitlinien Innere Medizin I, UKB; Leitlinien Paul-Ehrlich-Gesellschaft
Fallbeispiel 3
Anamnese:
68-jähriger Mann; seit 2 Stunden Fieber 38,7°C; AZ-Minderung
Vorerkrankungen:
Magen-Carcinom, Z.n. 3 Zyklen Chemotherapie (zuletzt bis vor 5 Tagen)
Medikation:
Pantoprazol, Furosemid, MCP
Untersuchungen?
Verdachtsdiagnose?
Kalkulierte Antibiotikatherapie
1. Wie heißt die Infektion oder das Syndrom
Fieber in der Neutropenie
2. Was sind die häufigen Erreger
Staphylokokken, Streptokokken, gramneg. Bakterien (Pseudomonas, E.coli, etc)
3. Sind genügend Kulturen abgenommen
Blutkulturen, Urikult, ggf. Stuhlkultur, ggf. Abstriche
4. Welche Antibiotika/Kombinationen sind für diese Indikation Standard?
=> Leitlinie
5. Welche individuellen Voraussetzungen des Patienten sind zu
berücksichtigen (Allergie, Vorerkrankung, Begleitmedikation, etc)
Chemotherapie
Glykopeptide
(Vancomycin, Teicoplanin)
Pharmakodynamik:
Bakterizid (Hemmung der Zellwandsynthese)
Pharmakokinetik:
Bei oraler Gabe kaum Resorption
Elimination: v.a. renal (Cave: Niereninsuffizienz -> Spiegelbestimmung)
Gute Penetration in Leber, Herz, Niere, Lunge, auch Abszesse; nicht in Knochen!
Wirkspektrum:
Ausschließlich grampositiv (Strepto-, Staphylo-, Enterokokken, Clostridien)
Indikationen:
i.v.: Schwere Staphylokokken-Infektionen (auch MRSA), Reserve-AB gegen
Enterokokken (Cave: VRE), Fremdkörper-Infektionen
oral: C.-diff.-assoziierte Diarrhö, pseudomembranöse Enterokolitis
Weitere Antibiotika-Klassen 1
Makrolide (Erythro-, Roxithro-, Azithro-, Clarithromycin):
PD: bakteriostatisch (Hemmung der bakt. Proteinsynthese)
Bes.: intrazelluläre Wirkung, Cyt.-P450-abh. Metabolisierung; Anwendung v.a.
ambulant (Resistenzen!); breite Anwendung in der Pädiatrie
Wirkspektrum: Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken, Haemophilus,
Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen, Helicobacter
Indikationen: CAP, atyp. Pneumonie, HNO-Infektionen (Roxithro- o. Azithromycin)
H.p.-Eradikation (Clarithromycin in Komb.)
Tetrazykline (Doxycyclin, Minocyclin):
PD: bakteriostatisch (Hemmung der bakt. Proteinsynthese)
Bes.: identisches Wirkungsspektrum aller Tetrazykline, extra- + intrazelluläre Wirkung,
Ablagerung in wachsenden Knochen und Zähnen -> (KI Pädiatrie)
Indikationen: MdW intrazelluläre Infektionen (Chlamydien, Rickettsien, Mykoplasmen),
Breitspektrum-Ab gegen zahlreiche grampos und gramneg Bakterien
(Streptokokken, Neisserien, E.coli, Borrelien)
Weitere Antibiotika-Klassen 2
Lincosamine (Clindamycin):
PD: bakteriostatisch (Hemmung der bakt. Proteinsynthese)
Bes.: gut gewebegängig, gut knochengängig; Anreicherung in Makrophagen und
Granulozyten -> gute Wirkung im Abszess
häufig Störung der Darmflora -> Diarrhoe, cave: C. diff.!
Wirkspektrum: Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken, Anaerobier
Indikationen: schwere Anaerobier- + Staphylokokken-Infektionen (Abszesse, Zahn-I.,
Osteomyelitis), nekrotisierende Fasziitis
Nitroimidazole (Metronidazol):
PD: bakterizid (Hemmung der Nukleinsäuresynthese obligat anaerober Bakterien)
Indikationen: Anaerobier-Infektionen (meist Mischinf.  Komb. mit aerobierwirksamem
Breitspektrum-AB) ( Abszess, Peritonitis, Aspirationspneumonie, …)
Trichomonaden-I., Amöben-I
H.p.-Eradikation (in Kombination)
proph. vor großen Darm- o. gyn. Operationen (in Kombination)
C.-diff.-assoziierte Diarrhoe / pseudomembranöse Kolitis
Fieber in der Neutropenie
Definition:
Fieber > 38,5°C (oral) bei neutrophilen Granulozyten < 500/µl o. Leukozyten < 1000/µl
Je länger die Neutropenie, desto höher das Letalitäts-Risiko für Patienten bei Fieber!
Diagnostik:
Klinik (!), Blutkulturen, Urikult, Rö-Thorax, ggf. CT-Thorax, ggf. Stuhlkultur, ggf. Abstriche
Häufige Erreger:
Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken, E. coli, Klebsiellen, Pseudomonas,
Clostridium difficile, Candida, Aspergillus
Therapie-Leitlinie (vereinfacht) Innere I, UKB:
1) Piperacillin/Tazobactam i.v.
wenn nach 72-96h nicht fieberfrei dann
2) Vancomycin i.v. + Meropenem i.v. + ggf. Voriconazol
bei Thearpieversagen, dann
3) Vancomycin i.v. + Ceftazidim i.v. + Ciprofloxacin p.o. + Antimykotikum
Reserve-Antibiotika 2
Oxazilodinone (Linezolid)
PD: bakteriostatisch (Hemmung der bakt. Proteinsynthese)
Bes.: wirkt ausschließlich grampositiv; orale Applikation
Indikationen: Pneumonie + Haut-/Weichteilinfektionen mit MRSA oder VRE
Daptomycin:
PD: bakterizid (Hemmung der Zellwandsynthese)
Bes.: wirkt ausschließlich grampositiv
Indikationen: Haut-/Weichteilinfektionen durch MRSA oder VRE
Glycylcycline (Tigecyclin):
PD: bakteriostatisch (Hemmung der bakt. Proteinsynthese)
Bes.: Breitspektrum-AB, auch wirksam gegen MRSA + VRE, nicht wirksam gegen
Pseudomonas
Indikationen: komplizierte Haut-/Weichteil-I. und intraabdominelle Infektionen
Problemkeime
Clostridium difficile
Infektionsquelle: Flora des Gastrointestinaltrakts
Pathopysiologie: Keimvermehrung von C. diff. unter antibiotischer Therapie durch
Floraverschiebungen -> erhöhte Toxinproduktion -> sekret. Diarrhö
häufig unter Ampicillin/Sulbactam und Clindamycin
Klinik: C.-diff.-assoziierte Diarrhö, pseudomembranöse Enterokolitis
Therapie: Metronidazol p.o. oder i.v. [Alternative: Vancomycin p.o.]
Problemkeime 1
MRSA (methicillin-resistenter Staph. aureus):
Infektionsquelle: Staph. aureus Normalflora der Haut und Nasenvorhöfe bei 10-30%
Klinik: Pneumonie, Sepsis, Wundinfektion, Endokarditis
Therapie: Zimmer-Isolation im Krankenhaus
a) Infektion: Vancomycin (+ Fosfomycin), Linezolid, Daptomycin, Tigecyclin
b) Kolonisation: evtl. Mupirocin-Nasensalbe
VRE (vancomycin-resistente Enterokokken):
Bes.: vanA-Typ -> Resistenz gegen Vancomycin + Teicoplanin
vanB-Typ -> Resistenz nur gegen Vancomycin
Infektionsquelle: Enterokokken Normalflora des Gastrointestinaltrakts
Klinik: Harnwegsinfekt, Endokarditis, Sepsis, Wundinfektion
Therapie: Zimmer-Isolation im Krankenhaus
a) Infektion: Linezolid, Daptomycin, Tigecyclin, Doxycyclin, (Teicoplanin)
b) Kolonisation: keine Therapie
Problemkeime 2
ESBL-Bildner (extended spectrum β-lactamase)
Bes.: Resistenz gegen alle β-Lactam-Antibiotika
Vorkommen bei Enterobakterien (v.a. E. coli + Klebsiellen)
ESBL-Bildner entstehen durch Mutation aus klass. β-Lactamasen
auf Plasmiden lokalisiert -> Austausch mit anderen gramnegativen Bakt. möglich
Infektionsquelle: Flora des Gastrointestinaltrakts
Klinik: Harnwegsinfekt, intraabdominelle I., Pneumonie,
Therapie: mind. Kontaktisolation im Krankenhaus
a) Infektion: Meropenem, Tigecyclin
b) Kolonisation: keine Therapie
Acinetobacter baumanii:
Bes.: Vorkommen ubiquitär
klin. Problematisch v.a. auf Intensivstationen (beatmete Patienten)
Klinik: Pneumonie, Wundinfekte, Harnwegsinfekte, Sepsis
Therapie: Carbapeneme (auch hier Resistenzen schon vorhanden)
Die häufigsten Fehler der AB-Therapie
Falsche Indikation: z.B. bei viralen Erkrankungen….
Zu breite Therapie, wenn spezifische Therapie möglich ist
Keine Umstellung der Therapie, wenn Antibiogramm bekannt ist
Zu lange Therapie
Keine Dosisanpassung
Falsche antibiotische Therapie bei Unkenntnis der aktuellen Resistenzsituation
(Leitlinien werden regelmäßig adaptiert!)
Intravenöse Therapie wenn gleichwertig oral möglich
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit