„Körper“ (Halbjahr 11/1)

Kunst Abitur Bayern
Übungsaufgabe 1
Themenbereich:
– „Körper“ (Halbjahr 11 / 1)
Analyse und Interpretation
Aufgabe mit schriftlich-theoretischem Schwerpunkt
Francis Bacon
(1909 –1992)
Kreuzigung, 1965
Öl auf Leinwand
3 Teile, je 198 × 147 cm
München, Pinakothek der Moderne
1. Erster Eindruck und Beschreibung
Beschreiben Sie möglichst sachlich, was Sie auf den Bildtafeln sehen!
Geben Sie erste subjektive Eindrücke wieder! Formulieren Sie Assoziationen und Fragen, die das Werk in Ihnen hervorruft!
(8)
2. Bildnerische Analyse
Legen Sie die folgenden bildnerischen Untersuchungen auf einem
großformatigen Zeichenkarton (ca. DIN A 2) an! Sie können Ihre
Beobachtungen neben den einzelnen Skizzen notieren, um sich in der
anschließenden schriftlichen Analyse darauf beziehen zu können.
(20)
53
a) Studien zum Bildaufbau
Untersuchen Sie in mehreren Studien, wie Francis Bacon den Bildraum in der Fläche organisiert, die Figuren zueinander in Beziehung setzt und in den Raum fügt!
b) Studien zur Farbe
Wählen Sie aus der beigefügten Detailabbildung einen Ausschnitt,
vergrößern Sie diesen und erkunden Sie so – auch durch die Wahrnehmung der Unterschiede Ihres Resultats mit der Abbildung –
Farbauftrag und Malweise Bacons! Notieren Sie auch einige wenige Stichpunkte dazu auf dem Blatt.
(8)
(12)
3. Schriftliche Analyse
Analysieren Sie das Bild! Stellen Sie dabei – auf der Grundlage Ihrer
Erkenntnisse aus der bildnerischen Auseinandersetzung – dar, wie
Bacon Körper zeigt! Erklären Sie, wie er Bildfläche und Bildraum organisiert, Figuren einfügt und aufeinander bezieht! Zeigen Sie ferner
die Funktion der Farbe als Gestaltungsmittel!
Tragen Sie Ihre Ausführungen in geordneter Form und in engem Bezug zu Ihren Beobachtungen bei Ihren vorangegangenen Studien
(Aufgabe 2) vor!
(12)
4. Interpretation
Entwickeln Sie auf der Grundlage Ihrer anfänglichen emotionalen
Reaktionen, Assoziationen und auch Fragestellungen sowie ausgehend
von Ihrer Analyse eine Interpretation zu Bacons Gemälde!
Zeigen Sie, wie Bacon Menschen interpretiert und setzen Sie sich mit
der Frage auseinander, wie er das Thema „Kreuzigung“ deutet und gestaltet!
(10)
5. Kunstgeschichtliche Reflexion
Gewalt wird in der Kunst immer wieder thematisiert. Stellen Sie zwei
Künstler des 20. Jahrhunderts vor, die sich mit unterschiedlichen gestalterischen Mitteln mit diesem Thema auseinandergesetzt haben!
Beschreiben Sie je ein Werkbeispiel und erläutern Sie die jeweilige
künstlerische Position!
(10)
Materialien und Hilfsmittel
Zeichenpapier und Zeichenkarton (ca. DIN A 2), Bleistifte verschiedener Härtegrade, Farbkreiden, Deck-,
Gouache-, Acrylfarben, Abbildungen des Kunstwerks.
Original-Prüfungsaufgabe 2008-III
54
Lösungsansätze
1. Erster Eindruck und Beschreibung
Bei der „Kreuzigung“ von Francis Bacon handelt es sich um ein Triptychon –
drei überlebensgroße Tafelbilder, in geringem Abstand zueinander aufgehängt,
jeweils in einen schlichten, dünnen, vergoldeten Rahmen gefasst; die Malflächen
werden von leicht spiegelndem Glas geschützt.
Der Grund aller drei Tafeln ist auf ähnliche Art und Weise durch eine Zweiteilung in eine Wandfläche in branstigem Orange und eine Bodenfläche in olivfarbenem Grün gestaltet. Es entsteht der Eindruck eines großen, quer durch alle
Tafeln verlaufenden Raumes, lediglich auf der linken Bildtafel öffnet sich am linken äußeren Bildrand eine schwarze, hochrechteckige Fläche.
In dem nicht weiter definierten Raum befinden sich sechs menschliche Wesen
bzw. Körpermassen; vier davon sind mit unterschiedlichen Gestellen verbunden,
aber schattenfrei, zwei weitere (die beiden äußeren Gestalten) sind mit einem jeweils sehr sonderbaren Schatten versehen.
Die Mitteltafel wird beherrscht von einem sich nach links öffnenden, rot dominierten, winkelförmigen Gestell, das sich bis zum oberen Bildrand erstreckt und
an dem sich eine bläulich-rosa changierende menschlich-tierische Masse herablässt, die im unteren Teil an das Gerüst gefesselt hingestreckt ist. Sie gleicht dabei dem geöffneten Kadaver eines Ochsen, dessen Innereien und Rippen teilweise
zu sehen sind.
Die hingestreckten, umwickelt-gebundenen Extremitäten enden in abgerundeten
Klumpen. Im Übergang von der Vertikalen zur Horizontalen des Gerüsts befindet
sich ein auf den Betrachter ausgerichteter menschlicher Kopf, die Augen geschlossen, die Züge verzerrt. Verbunden mit dem Gerüst schwingt sich in Höhe
dessen unteren Drittels eine thekenförmige Lehne in die rechte Tafel hinein. An
ihr lehnen zwei Herren in dunklen Anzügen und hellen Hüten. Sie sind dem Geschehen auf der Mitteltafel zugewandt, aus Körperhaltung und Mimik geht belustigte Anteilnahme hervor. Am äußeren Rand der rechten Tafel ist eine männlichmuskulöse, gekrümmte Gestalt in einer Drehbewegung zu sehen, derjenigen eines
Diskuswerfers nicht unähnlich. Sie erscheint nackt, in der Farbigkeit ähnelt sie
dem Kadaver, wird jedoch von einem seltsamen, unter ihr liegenden Schatten befallen. Am linken Oberarm des Mannes sieht man eine rote Hakenkreuz-Armbinde. Ein nicht näher definierbares militärisches Abzeichen rutscht sein Knie hinab.
Auf der linken Bildtafel befindet sich vor einer dunklen Öffnung eine weibliche,
nackte Gestalt, die von einem kleinen Schatten am Boden festgehalten wird; sie
ist in Bewegung nach links begriffen, wendet ihren Kopf jedoch nach rechts
unten der zweiten Gestalt auf der Tafel zu. Diese zweite menschliche Gestalt liegt
auf einem beigen Feldbett hingestreckt, das zum Betrachter hin ausgerichtet ist.
Ihre Knie sind angewinkelt und nach links gekippt, die Arme sind über dem Kopf
verschränkt; es ergibt sich ein S-Schwung des deutlich versehrten Körpers. Die
Beine sind von Bandagen umwickelt und ein Bettlaken ist verrutscht. Anstelle
des Kopfes scheint ein nackter Totenschädel, nach links gewendet, zu schreien.
59