Blickpunkt Deutschland

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Blickpunkt
Deutschland
1
Urteil des Bundesfinanzhofes:
Verluste durch «Knock-OutProdukte» bei automatischem
Optionsverfall steuerlich unbeachtlich
Mit Urteil vom 10. November 2015 (Az.: IX R
20/14) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Verluste aus so genannten «Knock-OutProdukten» bei automatischem Optionsverfall
einkommensteuerlich für die Zeit vor Einführung der Abgeltungsteuer (d. h. bis 31. Dezember
2008) unbeachtlich sind. Knock-Out-Produkte
verbriefen Optionsrechte, die bei Eintritt einer
vordefinierten Bedingung zwangsläufig und
ohne aktive Entscheidung des Kapitalanlegers
verfallen.
Automatischer Optionsverfall als
steuerlich relevante Beendigung
des Termingeschäftes?
Der BFH führt hierzu aus, dass durch den automatischen Verfall von Knock-Out-Produkten aufgrund des Unter- bzw. Überschreitens einer bestimmten Kursschwelle des zugrundeliegenden
Basiswertes der Tatbestand einer Beendigung des
Termingeschäfts (i. S. von § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 EStG i. d. Fassung von 2006) nicht erfüllt
sei. Da dem Steuerpflichtigen nach Erreichen
der Knock-Out-Schwelle kein eigener Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Optionsausübung mehr verbleibe, fehle es nach Ansicht des
BFH an einem verlustrealisierenden Veräusserungsgeschäft. Anschaffungskosten für KnockOut-Produkte könnten daher nicht als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften (i. S.
des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in
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Heiko Kubaile
Partner, Leiter German Tax & Legal Center
KPMG AG, Zürich
Hendrik Kuhl
Senior Manager, German Tax & Legal Center
KPMG AG, Zürich
der Fassung von 2006) abgezogen werden. Insofern sei nach Auffassung des BFH der Verfall
durch Eintritt des Knock-Out-Ereignisses auch
anders zu behandeln als die bewusste Entscheidung des Anlegers für das Verfallenlassen eines
Optionsrechtes. In diesem Fall hatte der BFH
nämlich mit Urteil vom 26. September 2012
(Az.: IX R 50/09) das Nichtausüben einer Option
als Beendigung des Termingeschäfts qualifiziert
und folgerichtig der steuerlichen Geltendmasomit zugestimmt.
chung entstandener Verluste zugestimmt.
Das vorliegende Urteil behandelt einen Streitfall
aus dem Jahre 2006, weshalb der BFH explizit
darauf hingewiesen hat, dass die im Urteil entwickelten Massstäbe nicht für die Beurteilung von
Verlusten aus Knock-Out-Produkten anzuwenden seien, die im Regime der Abgeltungsteuer
(d. h. ab dem 1. Januar 2009) entstanden sind.
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Was gilt für Verluste aus
Knock-Out-Produkten im Regime
der Abgeltungsteuer?
Betreffend die Verluste aus Knock-Out-Produkten
im Regime der Abgeltungsteuer ist seit dem 18.
Dezember 2015 beim BFH (Az.: VIII R 37/15) ein
weiteres Verfahren anhängig. Dieses Revisionsverfahren richtet sich gegen eine Entscheidung
des Finanzgerichts Düsseldorf (FG Düsseldorf)
vom 6. Oktober 2015 (Az.: 9 K 4203/13 E), wonach Verluste aus dem Verfall von Knock-OutProdukten steuerlich zu berücksichtigen seien.
Dabei soll es laut der Urteilsbegründung nicht
schädlich sein, dass das Produkt durch Eintritt
des Knock-Out-Ereignisses automatisch wertlos
verfällt und der angefallene Kaufpreis nicht mehr
erstattet wird. Aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des BFH zum automatischen Verfall von
Knock-Out-Produkten kann bezweifelt werden,
dass der BFH die Ansicht des FG Düsseldorf in
vollem Umfang bestätigen wird. Kapitalanleger
könnten aufgrund der daraus resultierenden
Unsicherheit aus steuerlicher Sicht bei abzusehendem Eintritt des Knock-Out-Ereignisses einen
Verkauf des Produktes bevorzugen.
2
Urteil des FG Düsseldorf zur
deutschen Erbschaftsteuer:
Kürzung des Ehegattenfreibetrags für in der Schweiz
Ansässige ist unionsrechtswidrig
Das Finanzgericht Düsseldorf (FG Düsseldorf)
hat mit Urteil vom 18. Dezember 2015 (4 K
3636/14) festgestellt, dass die Kürzung des Ehegattenfreibetrags bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer für beschränkt Steuerpflichtige unionsrechtswidrig sei.
Im vorliegenden Fall hatten sowohl der Kläger
(schweizerische Staatsangehörigkeit) als auch
seine Ehefrau (deutsche und schweizerische
Staatsangehörigkeit) ihren ausschliesslichen
Wohnsitz in der Schweiz und waren somit in
Deutschland lediglich beschränkt steuerpflichtig (i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG). Die
Frau des Klägers verstarb am 25. Juni 2012 und
vererbte diesem hälftige Miteigentumsanteile an
Eigentumswohnungen in Deutschland. Das zuständige Finanzamt setzte daraufhin die Erbschaftsteuer gegenüber dem Kläger fest, wobei es
nur den reduzierten Freibetrag für beschränkt
Steuerpflichtige (i. S. des § 16 Abs. 2 ErbStG)
in Höhe von EUR 2000 berücksichtigte. Dies begründete das Finanzamt damit, dass zwar angesichts des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Oktober 2013 (Az.:
C-181/12, Rechtssache «Welte») auch einem beschränkt Steuerpflichtigen der für unbeschränkt
Steuerpflichtige geltende Ehegattenfreibetrag in
Höhe von EUR 500 000 gewährt werden müsse,
jedoch zur Vermeidung einer ungerechtfertigten
Besserstellung der Freibetrag um den Teil zu
kürzen sei, der jeweils anteilig auf das nicht von
der beschränkten Steuerpflicht erfasste Vermögen im Ausland entfalle. Dieses Vermögen sei
vorliegend zu schätzen, da der Kläger die benötigten Angaben verweigert habe und es daher im
Ermessen des Finanzamtes liege, das Auslandsvermögen so hoch anzusetzen, dass lediglich ein
Freibetrag von EUR 2000 verbleibe.
Das FG Düsseldorf gab der hiergegen gerichteten
Klage statt und entschied, dass entgegen der Auffassung des Finanzamtes der zu gewährende
Freibetrag nicht um den Anteil des nicht (von
der beschränkten Steuerpflicht) erfassten Auslandsvermögens am Gesamtnachlass gekürzt
werden darf. Eine Besserstellung des beschränkt
steuerpflichtigen Erwerbers gegenüber einem
unbeschränkt Steuerpflichtigen hatte der EuGH
bereits in der Rechtssache «Welte» (EuGH vom
17. Oktober 2013, Az.: C-181/12) aufgegriffen
und zurückgewiesen. Denn der steuerliche Vorteil, der sich im Staat des Vermögensanfalls daraus ergebe, dass ein unverminderter Freibetrag
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de, sofern an dem Erwerb mindestens eine Person
mit Wohnsitz im Inland beteiligt sei, in diesem
Staat durch keine bestimmte steuerliche Belastung
im Rahmen der Erbschaftsteuer ausgeglichen. Das
FG Düsseldorf ist daher der Auffassung gefolgt, dass
es die Gleichbehandlung gebietsansässiger und
gebietsfremder Steuerpflichtiger gebiete, den vollen
Freibetrag von EUR 500 000 zu gewähren, obwohl
der in Deutschland besteuerte Teil des Nachlasses
anders als bei rein unbeschränkt Steuerpflichtigen
nicht den Gesamtbetrag der Erbschaft darstellt.
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Die Entscheidung des FG Düsseldorf ist zu begrüssen und stellt eine konsequente Umsetzung
der vom EuGH jüngst ergangenen Rechtsprechung dar. Das Gericht hat die Revision des
Urteils jedoch im Hinblick auf ein noch beim
BFH anhängigen Verfahren zugelassen, bei dem
es um die Frage der Unionsrechtswidrigkeit bei
Nichtanwendung des Ehegattenfreibetrags für
beschränkt steuerpflichtige Personen geht (Az.:
II R 53/14). Über den weiteren Verfahrensverlauf werden wir berichten.