MANAGEMENT & WISSEN Integration nach Plan: In Zeiten höheren Wettbewerbs unterstützt ein differenziertes Benchmarking. Foto: dpa Miss es oder vergiss es Mit potenzialorientiertem Benchmarking erfolgreich im Bankenvertrieb Sebastian Greif, Sebastian Tiedemann S owohl Banken wie auch Versicherer sind stark vom anhaltenden Niedrigzinsniveau betroffen. Die Versicherungsakteure stehen zusätzlich unter Druck, ihren Vertrieb auf das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) anzupassen, was für viele eine Entwicklung von hohen Abschlussprovisionen hin zu laufender Provision bedeutet. Bei den Banken treten schrumpfende Erträge durch den Wegfall der Fristentransformation auf. Betrachtet man das Provisionsergebnis isoliert, ist hier ein positiver Trend zu erkennen, wobei vor allem Provisionen aus dem Versicherungsgeschäft dazu beitragen, die negativen Effekte aus dem Zinsergebnis zu schmälern. Der Vertriebsweg Bancassurance ist schon lange als Erfolgsmodell etabliert, kann aber in Zeiten von niedrigen Zinsen und LVRG weiter profitieren. Nahezu jeder Bankkunde wurde von seinem Bankbe- 50 rater neben dem klassischen Bankgeschäft auch schon auf Versicherungen angesprochen. Viele haben schon Policen über den Bankschalter abgeschlossen. Strategischer Austausch Betrachtet man den Vertriebsweg Bancassurance detaillierter, lassen sich vier Vertriebsansätze voneinander abgrenzen. Beim Spezialisten-Ansatz etwa leitet der Bankberater jeden potenziellen Versicherungskunden an einen Versicherungsspezialisten weiter. Der Versicherer hat durch den vor Ort anwesenden Versicherungsspezialisten einen sehr hohen Aufwand, die Provisionen, die der Versicherer an seinen Bankpartner zahlt, sind in diesem Modell aber geschmälert. Darüber hinaus müssen die Versicherungsspezialisten in die Marktbearbeitungsprozesse der Banken integriert werden. Dies verur- sacht nicht nur einen hohen operativen Aufwand, sondern auch den Wegfall des Ansatzes „Beratung aus einer Hand“, mit erhöhter Absprunggefahr des Kunden. Der Push-Ansatz findet sich vielfach bei Banken mit hauseigenem Versicherer, der gegebenenfalls sogar den Markennamen der Bank trägt. Dieser Exklusivvertrieb zeichnet sich durch hohen Vertriebsdruck aus, da der Versicherungsvertrieb der Bank häufig direkt durch das Top Management gesteuert wird. Zudem ist der Integrationsgrad in den Bankvertriebsprozess sehr hoch. Der Ventillösungs-Ansatz wird häufig von Versicherungsunternehmen genutzt, die sich auf Nischenprodukte fokussieren. Da für einzelne Produkte eine aufwändige Vertriebsintegration aufgrund von geringeren Mengengerüsten zu kostspielig wäre, setzen diese Versicherer eher auf hohe Provisionen, um Versicherungswirtschaft Nr. 1 · Januar 2016 Vertrieb ihre Produkte zu platzieren. Beim SupportAnsatz entwickeln Versicherer und Bankpartner gemeinsame und ganzheitliche Beratungsansätze. Hier werden gemeinsam Produktgruppen, Kundensegmente und deren Bedürfnisstrukturen in den Fokus gestellt. Versicherer liefern die operative Unterstützung in Form von Fach- und Vertriebsschulungen. Gleichzeitig findet ein strategischer Austausch zwischen den Führungskräften von Bank- und Versicherungsplayer statt. Differenzierter Produktmix wichtig Aus den Vertriebsmodellen im Bereich Bancassurance lassen sich Optimierungsfelder ableiten, welche im Folgenden kurz bewertet werden: Die Prozess- und Systemintegration ist neben der operativen Unterstützung von entscheidender Bedeutung für erfolgreiche Vertriebsprozesse. Eines der obersten Ziele ist aktuell die Multikanal-Interaktion zwischen Kunden, Bank und Versicherer. Weitere Themen in der fortschreitenden Digitalisierung sind z.B. Integration des Schriftverkehrs des Versicherers in das elektronische Postfach der Bank, Videoberatung und Digitalisierung aller (Vertriebs-)Prozesse. Vorteile genießen die hauseigenen Bancassurance-Versicherer mit einer besonders engen Bindung bzw. Systemintegration. Das Produktportfolio, welches ein Versicherungspartner dem Bankpartner zur Verfügung stellt, sollte aus wenigen Produkten, mit wenigen Tarifierungsoptionen und technisch hinterlegten Angebotsprozessen bestehen, um die Komplexität im Vertrieb zu reduzieren. Da dies die Grundvoraussetzung ist, um den Vertriebskanal Bancassurance nutzen zu können, ist ein entsprechend hoher Umsetzungsstand vorhanden. Die unterstützenden Einheiten des Versicherers müssen die Geschäftsabläufe des Bankpartners zudem im Detail kennen und dessen „Sprache“ sprechen, um eine effiziente Vertriebsunterstützung zu sein. Dies gilt sowohl für eine direkte Vertriebsunterstützung vor Ort, als auch für Supportfunktionen des Versicherers. Gerade in Zeiten des Niedrigzinsumfeldes und von LVRG rechnen sich die Bancassurance-Kooperationen nur durch einen differenzierten Produktmix, der aus Provisionssicht für den Bankpartner und aus Ertragssicht für den Versicherer interessant ist. Hier sind intelligente Steuerungssysteme beziehungsweise Vergütungsmodelle notwendig. Ein Trade-off durch unterschiedliche Interessenlagen zwischen Bank und Versicherer, wie z.B. zwischen Banken, die im LV-Vertrieb deutlich erfolgreicher sind und Versicherern, deren Produktmarge tendenziell in der Sachversicherung höher ist, soll Versicherungswirtschaft Nr. 1 · Januar 2016 hierdurch vermieden werden. Die Anpassung der Vergütungsmodelle aufgrund des LVRG bietet beiden Partnern die Chance, den bestehenden Produktmix und dessen Vergütungsstruktur gemeinsam zu überprüfen und eine für beide Partner lohnenswerte Kernproduktpalette zu erarbeiten. Das Handwerkszeug zum Verkauf von Versicherungsprodukten ist der Mehrzahl der Bankberater in den letzten Jahren durch Schulungen zu Produkten, Vertriebsthemen etc. zur Verfügung gestellt worden. Aufgrund der in jüngster Vergangenheit zunehmenden Fokussierung der Banken auf notwendige Provisionserträge aus dem Versicherungsgeschäft und der noch immer großen Kundenpotenziale, ist die Unterstützung innerhalb der Marktbereiche der Banken weiterhin erfolgversprechend. Die strategische Integration wird künftig eine der großen Herausforderungen für die Versicherer sein, um die Zusammenarbeit mit Banken für beide Seiten ertragreich zu gestalten. Strategische Integration bedeutet, die Vorteile aus beiden Welten zusammenzufassen, Schnittstellen zu implementieren, Synergien zu heben und gemeinsam mehr Erfolg zu haben. Grundlage hierfür ist ein regelmäßiger Austausch auf allen Ebenen. Gemeinsame Entwicklung einer Strategie für das Versicherungsgeschäft, konkrete Wachstumsziele, Weiterentwicklung von IT-Schnittstellen, Analysen zur Geschäftsentwicklung, gemeinsame Vertriebsschwerpunkte und die Identifikation von Ertragspotenzialen in bestimmten Kundensegmenten und/oder Produktgruppen sind die wichtigsten Grundlagen. Beim potenzialorientierten Benchmarking-Ansatz als strategischem Instrument indes werden vertriebsrelevante Kennzahlen einer Peer Group miteinander verglichen, um Potenziale in bestimmten Produkt- und/oder Kundensegmenten zu erkennen. Als Peer Group bieten sich die verschiedenen Bankpartner des Versicherers an. Alternativ ist auch ein Vergleich innerhalb der Vertriebsstruktur des Bankpartners, z.B. auf Filialebene, denkbar. Die neue-leben-Lebensversicherung führt ihre Benchmarking-Studie seit 2010 mit einer stetig steigenden Teilnehmerzahl durch. 2015 nahmen 33 Sparkassen teil. Aus der langjährigen Erfahrung mit dieser Studie lassen sich auch übergreifende Aussagen über den Erfolg der Bankpartner im Versicherungsgeschäft treffen. Es lässt sich etwa feststellen, dass die Provisionen aus dem Vorsorgegeschäft in Relation zur Bilanzsumme seit 2010 um neun Prozent p.a. gestiegen sind. Der Benchmarking-Ansatz kann als Drehund Angelpunkt der Steuerung der strategischen Integration eingesetzt und in der Mehr- jahresplanung zur Ableitung der Ziele auf Basis der übergeordneten Kennzahlen des Benchmarkings genutzt werden. Die Kennzahl „Provisionen aus Vorsorgegeschäft in Relation zur Bilanzsumme“ etwa ist nur geringen Schwankungen unterworfen, sodass sie sich für eine mittel- bzw. langfristige Zielvereinbarung und damit als „Ankerpunkt“ eignet. Um das strategische Ziel (z.B. 0,09%, Benchmark 2015) zu erreichen, müssen Jahresziele vereinbart werden, die weiter in die verschiedenen Kunden- und Produktsegmente heruntergebrochen werden. Eine Fokussierung auf das Segment Retailkunden mit den Produkten Restschuld, Berufsunfähigkeit (BU), Unfall und Private Rentenversicherungen bietet den größten Hebel, um das Versicherungsgeschäft einer Beispiel-Sparkasse zu erhöhen. Auf diese Fokussierung müsste nun eine gemeinsam von beiden Partnern definierte Maßnahmenplanung gelegt werden, welche diesen Zielpfad unterstützt. Beispielhaft ist hier für die Produkte Restschuld, BU und ggfs. Unfall eine Integration in die bestehenden Kreditprozesse der privaten Baufinanzierung dieser Sparkasse denkbar, um die Kreditsumme gegen unvorhersehbare Ereignisse abzusichern. Um entscheidende Absatzsteigerungen im Bereich der privaten Rentenversicherung zu generieren, wäre die Durchführung von gemeinsamen Multikanalkampagnen zum Thema Altersvorsorge aussichtsreich. Bedarf an Bancassurance steigt Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aktuelle Herausforderungen wie das Niedrigzinsumfeld und das LVRG die Notwendigkeit eines funktionierenden Bancassurance-Modells auf beiden Seiten erhöhen. Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bankpartner und Versicherer kann künftig den entscheidenden Vorsprung liefern. Nur im gemeinsamen Dialog und durch gemeinsame strategische Anstrengungen können Bankpartner und Versicherer die Potenziale im Versicherungsgeschäft realisieren und damit eine Win-win-Situation schaffen. Dabei zeigt sich das vorgestellte Benchmarking als idealer Ausgangspunkt für die Identifikation der Potenziale und die Initialisierung von Maßnahmen. Sebastian Greif (l.), Vorstandsmitglied, und Dr. Sebastian Tiedemann (r.), Vertriebsmanager, neue leben Versicherungen, Hamburg. 51
© Copyright 2024 ExpyDoc