Mehr als nur vier Wände

GELD & MARKT
PFORZHEIMER ZEITUNG
FREITAG, 4. MÄRZ 2016
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JO URNA L
Energieriese
spaltet sich auf
ESSEN. Der Aufsichtsrat des
Energieriesen RWE berät über
einen grundlegenden Umbau
des Konzerns. Dabei geht es unter anderem um die künftigen
Vorstände in den zwei geplanten neuen RWE-Großgesellschaften, wie aus dem Umfeld
des Kontrollgremiums bestätigt
wurde. RWE will die erneuerbaren Energien sowie das Netzund Vertriebsgeschäft in einer
neuen Gesellschaft („NewCo“)
bündeln. Sie soll vom jetzigen
Gesamt-RWE-Chef Peter Terium geleitet werden. Die alte
Muttergesellschaft RWE AG mit
den Kraftwerken übernimmt
der bisherige RWE-Vize Rolf
Martin Schmitz. dpa
Ein Mitarbeiter im Volkswagen-Werk in Salzgitter bei der Montage von Dieselmotoren.
FOTO: DPA-ARCHIVSTRATENSCHULTE
Wusste Winterkorn schon lange Bescheid?
Ehemaliger VW-Chef
wurde im Mai 2014 mit
einer Notiz informiert.
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Aufarbeitung der
Abgas-Affäre könnte zu
einem Bumerang werden.
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HEIKO LOSSIE UND MARCO HADEM
WOLFSBURG
E
s dürfte eine der längsten
Pressemitteilungen in der
Volkswagen-Geschichte
sein. Doch der Sprengstoff der gut
drei Seiten, die der VW-Konzern
am Mittwochabend aussendete,
steckt vor allem in einem einzigen
Satz: „Ob und inwieweit Herr Winterkorn von dieser Notiz damals
Kenntnis genommen hat, ist nicht
dokumentiert.“ Der kurze Satz informiert darüber, dass der damalige Konzernboss Martin Winterkorn schon im Frühling 2014 –
rund eineinhalb Jahre vor dem
Ausbruch des Diesel-Skandals –
von der Wurzel des Problems hätte
wissen können.
Doch ob er die Notiz in seiner
Wochenendpost überhaupt las
und ob er deren Brisanz erahnte,
sei eben „nicht dokumentiert“.
Der Hinweis in Winterkorns Post
Martin Winterkorn gerät in der Abgas-Affäre unter Druck.
Volkswagen-Mitarbeiter bekommen Prämie
VW zahlt seinen 120 000 Mitarbeitern im Haustarif trotz der milliardenschweren Belastungen aus
der Abgas-Affäre auch für das
Jahr 2015 einen Bonus. Der Konzern-Vorstandschef Matthias Müller und der Betriebsratsboss
Bernd Osterloh einigten sich auf
eine „Anerkennungsprämie“,
deren genaue Summe jedoch
noch nicht feststeht. Das geht aus
der gestern verteilten Mitarbeiterzeitschrift „Mitbestimmen“
hervor. Der Haustarifvertrag si-
BMW-Chef Krüger sieht große
Chancen durch Digitalisierung
MÜNCHEN. Vor 100 Jahren wurde
der Konzern gegründet. Jetzt will
ihn BMW-Chef Harald Krüger
auf allen Ebenen auf Digitalisierung trimmen. Der Wandel der
Industrie biete BMW erhebliche
Chancen, das Geschäftsfeld der
Mobilitätsdienstleistungen weiter auszubauen, sagte Krüger
dem Wirtschaftsmagazin „Bilanz“. Das Interesse von IT-Unternehmen wie Apple oder Google am Automobilbau macht aus
seiner Sicht deutlich: „Individuelle Mobilität wird ein attraktives
Geschäft bleiben.“
Mit konkreten Umsatzvorgaben in dem Bereich hält sich der
BMW-Chef aber erstmal zurück.
„Ich gehe davon aus, dass die Bedeutung der Mobilitätsdienstleistungen für unser Unternehmen und damit der entsprechende Umsatzanteil deutlich zunehmen werden. Aber die digitale
Entwicklung schreitet viel zu
rasch fort, um sich heute auf eine Zahl festzulegen.“ Der Wandel
der Industrie soll sich bei BMW
auch in der Führungskultur zeigen. „Im Digitalzeitalter gilt:
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist
besser“, sagte Krüger, der früher
Personalvorstand des Autobauers war. Um bei der Digitalisierung vorne dabei zu sein, will
FOTO: GENTSCH
BMW noch in diesem Jahr 500
IT-Experten einstellen. Aktuell
seien bereits 100 Stellen ausgeschrieben, sagte ein BMW-Sprecher. In der kommenden Woche
feiert BMW mit seinen weltweit
rund 116 000 Mitarbeitern die
Gründung der Firma vor einem
Jahrhundert. Mitte März will
Krüger dann mit der Bilanz die
neue Strategie vorstellen und erklären, wie sich BMW in den
kommenden zehn Jahren weiterentwickeln wird. Auch der Volkswagen-Konzern hatte sich bereits im vergangenen Jahr den
deutschen Digitalstrategen Johann Jungwirth ins Boot geholt.
Audi will 1200 Experten für Elektromobilität und Digitalisierung
einstellen. dpa
Harald Krüger, Vorstandsvorsitzender
von BMW.
FOTO: DECK
chert eine Gewinnbeteiligung bei
der Kernmarke VW-Pkw, diese
steckt aber wegen Rückstellungen
für die Abgas-Affäre derzeit tief in
den roten Zahlen.
Osterloh und Müller begründen
die alternative Anerkennungsprämie mit einer herausragenden
Leistung voll Mehrarbeit und Sonderschichten an den Standorten,
aber auch mit dem Einstehen der
Belegschaft für ihren Arbeitgeber
in den schwierigen Zeiten des
weltweiten Abgas-Skandals. dpa
erläuterte Ungereimtheiten beim
Abgasverhalten des Skandalmotors EA 189, die aus einer im Mai
2014 vorgelegten Studie hervorgingen. Die Analyse sollte die USBehörden in der Folge stutzig machen und die Affäre um weltweit
elf Millionen manipulierte Konzernfahrzeuge ins Rollen bringen.
Für einige Medien ist die Sache
damit nun klar: Winterkorn war
schon frühzeitig über den AbgasSkandal informiert. Diese Lesart
aber ist nicht zwingend.
Man kann das annehmen, nur
kann man es nicht belegen. Schon
gar nicht mit der Existenz der Notiz in der Wochenendpost. Doch
die Büchse der Pandora ist nun offen. Schon vor der Pressemitteilung kursierten in den Medien
Teile einer gut 120-seitigen Klageerwiderung, mit der sich VW gegen Anlegervorwürfe wehrt, wonach der Konzern im Wissen um
die Tragweite des Skandals die Finanzwelt zu spät informiert habe.
Seit Monaten geht auch die
Bundesfinanzaufsicht dieser Frage
nach. Wie bei allen anderen Ermittlungen zur Abgas-Krise ist
auch hier noch nichts konkretes
bekannt. „Die Prüfung wird noch
Monate dauern“, sagte gestern eine Sprecherin. Damit dürfte das
Ergebnis auch bei der voraussichtlich erst im Juni stattfindenden
Hauptversammlung noch nicht auf
dem Tisch liegen. Dennoch könnte
es für Winterkorn brenzlig werden.
Denn auch wenn der Konzern argumentiert, dass selbst Anfang
September 2015 die Affäre noch auf
die USA begrenzt zu sein schien, ist
nun erstmals vom Konzern bestätigt, dass die Wurzel des Problems
schon im Mai 2014 zu einem Vorgang für den obersten Chef wurde.
Dies hatte Winterkorn, der kurz
nach Bekanntwerden des Skandals
um manipulierte Dieselfahrzeuge
zurücktrat, immer vehement bestritten. Fraglich bleibt dabei auch,
ob und wie er die Sache wertete,
denn das ist „nicht dokumentiert“.
Für Winterkorn gilt die Unschuldsvermutung.
Womöglich
nahm er die Passage in seiner Wochenendlektüre gar nicht wahr.
Doch allein schon der Umstand,
dass ein schriftlicher Vorgang bei
ihm so früh ankam, manövriert
ihn in eine Zwickmühle. Entweder
er kann sich nicht mehr erinnern.
Oder er nahm es zur Kenntnis,
hielt es aber für Tagesgeschäft.
Für einen der Anlegerkläger,
Andreas Tilp, kommt es indes
nicht großartig auf Winterkorns
tatsächliches Wissen an. „Wenn er
es nicht gelesen hat, muss VW
sich (...) jedenfalls so behandeln
lassen, als hätte er es gelesen“,
schrieb Tilp gestern.
Mehr als nur vier Wände
CLAUDIA KELLER | PFORZHEIM
„Immobilienschwangerschaft“
Auch Immobilienspezialist Georg
Ortner von der GO Immobilienconsulting GmbH aus Knittelfeld
in Österreich ging auf die emotionale Seite beim Hausverkauf ein.
„Wie zeige ich mein Haus her, ohne Vergangenheit zu verkaufen“,
war eine der Fragen, die er in seinem kurzweiligen Vortrag aufgriff.
Den Zeitraum zwischen dem Entschluss zum Kauf einer Immobilie
und dem tatsächlichen Kauf bezeichnete er als Immobilienschwangerschaft, die in Deutschland etwa zehn Monate dauert.
Zunächst ging er aber auf die
Krawatte
überflüssig
Von wegen Schlips und Kragen – die Führungsspitze des
Dax-Konzerns Continental
hat zur Vorlage der Jahreszahlen erstmals auf Krawatten
verzichtet. „Wir passen uns
den Gegebenheiten der Industrie an“, sagte Konzernchef Elmar Degenhart gestern über
das ungewohnte
Bild bei der Bilanzpressekonferenz. Er und
Finanzvorstand
Wolfgang
Schäfer
verzichteten
auf
den edlen Binder. „Die junge
Generation, die heranwächst
und die wir in unser Unternehmen aufnehmen und integrieren, die hat andere Ansprüche. Und das ist ein Zeichen für unsere Flexibilität;
die Mitarbeiter müssen sich
wohlfühlen, wenn sie zur Arbeit kommen, ansonsten werden sie nicht ihre volle Leistung bringen.“ Ob dieses Vorbild auch bei Banken und
Sparkassen Schule macht?
dpa/ne
Reisebranche spürt
Verunsicherung
FRANKFURT. Das Sommerreise-
Hausbesitzer holen sich bei der Volksbank Tipps für den Verkauf ihrer Immobilie
Im VolksbankHaus haben sich
rund 175 Mitglieder und Kunden
durch Georg Ortner in die Tücken
des Immobilienverkaufs einführen
lassen und eine ganze Reihe humorvoller Anekdoten aus seinem
Maklerleben erfahren. „Ein Zuhause ist sehr viel mehr als nur
vier Wände und ein Dach“, sagte
Fritz Schäfer, stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der Volksbank Pforzheim, als er den Abend
eröffnete.
ST O RY
D E S TA G ES
geschäft kommt nach den Anschlägen in beliebten Urlaubsregionen nur schleppend in
Schwung. „In den letzten zwei
Wochen sehen wir eine deutliche Erholung und eine insgesamt positive Buchungsentwicklung“, sagte der Präsident
des Branchenverbandes DRV,
Norbert Fiebig, gestern in
Frankfurt. Insgesamt liegen die
Buchungen derzeit jedoch unter denen des Vorjahreszeitraums. dpa
Zank an Spitze
von Playmobil
Georg Ortner erklärt Chancen und Risiken beim Immobilienverkauf.
Preisfindung ein und empfahl
nach vergleichbaren Objekten
Ausschau zu halten, sowohl im Internet als auch in Tageszeitungen
und Wochenblättern.
Nach der Preisfindung gehe es
dann um die Werbung. „Der Käufer kauft nicht das, was er sieht,
sondern die Vorstellung, wie es
sein wird, wenn er drin wohnt“,
erklärte Ortner anhand von negativen Beispielen. Er empfahl deshalb, das Haus oder die Wohnung
von einem Fotografen aufnehmen
zu lassen oder durch einen Innenarchitekten Möbel in die Grundrisszeichnung einzeichnen zu las-
FOTO: TILO KELLER
sen. Auch hielt er es für besser,
mehrere Besichtigungen an einem
Tag direkt nacheinander zu vereinbaren. Da sich so die potenziellen Käufer auch sehen könnten,
müssten sie sich eventuell eine
Spur schneller entscheiden. Nach
vielen weiteren humorvoll verpackten Tipps ergänzte die Pforzheimer Notarin Eva-Maria Weber
den Vortragsabend mit ihrem Wissen über die rechtlichen Stolpersteine beim Immobilienverkauf.
Sie legte vor allem die verschiedenen Probleme dar, die sich durch
alte Einträge im Grundbuch ergeben könnten.
ZIRNDORF. Gut eineinhalb Jahre nach dem Tod des Playmobil-Alleineigentümers Horst
Brandstätter hat ein Streit über
den künftigen Kurs den fränkische Spielwarenhersteller in eine Führungskrise gestürzt. Im
Zuge der geplanten Neuausrichtung der Unternehmensgruppe musste nun die frühere
Brandstätter-Vertraute Judith
Weingart ihren Hut nehmen,
teilte die hinter den Marken
Playmobil und Lechuza stehende Unternehmensgruppe Geobra Brandstätter gestern mit.
Als Grund nannte das Unternehmen „unterschiedliche Vorstellungen“ bei der geplanten
Neuausrichtung. dpa
PZ vom 04.03.2016
NUMMER 53