Deutschland hat Zukunft – Automatisiertes Fahren

Deutschland hat Zukunft –
Automatisiertes Fahren: Rechtsrahmen und
Haftungsfragen
Donnerstag, 10.12.2015 um 16:00 Uhr
The Charles Hotel, Ballsaal
Sophienstraße 28, 80333 München
Begrüßung und Statement
Bertram Brossardt
Hauptgeschäftsführer
vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
Es gilt das gesprochene Wort.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich zur heutigen
Veranstaltung in unserer Reihe „Deutschland hat
Zukunft“.
Der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft hat
Mitte des Jahres darauf hingewiesen, dass
Deutschland eine Vorreiterrolle beim
automatisierten Fahren einnehmen kann.
Die weitere Entwicklung und Verbreitung dieser
Technologie kann laut Zukunftsrat aber nur
gelingen, wenn wir den rechtlichen Rahmen zügig
entsprechend anpassen.
Ich freue mich, dass der bayerische Justizminister
Herr Prof. Winfried Bausback diese
Handlungsempfehlung des Zukunftsrats
aufgegriffen und die Anregung zu diesem
Kongress gegeben hat. Herr Minister Prof.
Bausback, vielen Dank dafür.
Ich freue mich sehr darauf, mit Ihnen heute über
die erforderliche Anpassung des Rechtsrahmens
für das automatisierte Fahren zu diskutieren.
Dabei belassen wir es nicht bei dem heutigen
Termin. Wir planen eine ganze Reihe mit
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insgesamt drei Kongressen zum automatisierten
Fahren:
- Die heutige Veranstaltung stellt die Frage nach
der Rechtssicherheit in den Mittelpunkt.
- Nächstes Jahr werden wir uns in einem
weiteren vbw Kongress mit der „Bereitstellung
und Finanzierung der Infrastruktur für das
automatisierte Fahren“ auseinandersetzen –
ein Stichwort ist das leistungsfägige mobile
Breitbandnetz, aber zum Beispiel auch unser
Testfeld A 9.
- In einem dritten Kongress werden wir uns 2016
der IT-Sicherheit und dem Datenschutz
widmen.
Stufen auf dem Weg zum vollständig autonomen Fahren
Meine Damen und Herren,
bis Ende der 2020er Jahre kann unserer Studie
„Bayerns Zukunftstechnologien“ zufolge die
höchste Automatisierungsstufe beim Autofahren
erreicht sein, das sogenannte „autonome
Fahren“.
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Das bedeutet: Es wird Fahrzeuge geben, die die
Insassen völlig autonom, also ohne dass ein
Eingreifen der Reisenden nötig ist, zum Ziel
bringen. Und: es ist auch denkbar, dass sich das
Auto ganz ohne Fahrer durch den Verkehr
bewegt – zum Beispiel, um zu einer Ladestation
zu fahren.
Der Weg dorthin führt über eine Reihe von
früheren Entwicklungsstufen des automatisierten
Fahrens. Von Stufe zu Stufe nimmt dabei der
Automatisierungsgrad zu und das erforderliche
menschliche Eingreifen ab.
Prof. Uwe Clausen, Vorsitzender der Fraunhofer
Allianz Verkehr und Institutsleiter an der TU
Dortmund, wird uns diesen Prozess aus
technischer Sicht erklären. Er vertritt sozusagen
heute unser Zukunftsratsmitglied Prof.
Neugebauer, und ich freue mich sehr, dass er
hier ist.
Vorteile des autonomen Fahrens
Das autonome Fahren bringt viele Vorteile:
Komfort für die Reisenden
Sicherheit im Straßenverkehr.
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Einen optimierten Verkehrsfluss
Und damit auch einen geringeren Kraftstoffbzw. Energieverbrauch.
Bedeutung dieser Entwicklung für den Standort Bayern
Angesichts dieser Vorteile gehen wir fest davon
aus, dass sich das automatisierte und autonome
Fahren durchsetzen wird.
Eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung
befürwortet schon heute das automatisierte
Fahren. Das hängt sicher auch mit den
Erfahrungen zusammen, die viele schon mit
Assistenzsystemen wie einem Tempomaten oder
Einparkhilfen gesammelt haben: das ist einfach
bequem.
Beim komplett selbstfahrenden Autos liegt die
Akzeptanz nach einer anderen Befragung in
Deutschland bisher bei etwas weniger als der
Hälfte. Das ist aber heute reine Theorie, und die
Befragten kennen vor allem ein paar Bilder von
Google-Autos. Ich bin mir sicher: ein
entscheidender Faktor für die Akzeptanz wird die
Sicherheit sein, und da ist das Vertrauen in
deutsche Hersteller – zu Recht – sehr groß.
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Umso wichtiger, dass unsere Unternehmen
diesen Markt besetzen.
Und er ist groß: Weltweit liegt die Akzeptanz
teilweise heute schon deutlich höher.
Umfragen zeigen sogar, dass Fahrzeugkäufer
bereit sind, für autonome Fahrzeuge aufgrund der
vielen Vorteile mehr Geld auszugeben als für
herkömmliche PKW.
Damit stellt sich die zentrale Frage, wer künftig
die autonomen Fahrzeuge bauen wird? Wer wird
von dem riesigen Marktpotentzial profitieren?
Die Automobilindustrie ist ein wichtiges Herzstück
der bayerischen Wirtschaft. Der bayerische
Fahrzeugbau steht für
- 1/5 aller industriellen Arbeitsplätze,
- 1/4 der industriellen Wertschöpfung und
- 1/3 aller Warenexporte
des Freistaats.
Nicht nur für die Automobilindustrie, sondern für
den gesamten Wirtschaftsstandort Bayern ist es
von herausragendem Interesse, dass die
heimischen Hersteller ihre derzeitige weltweite
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Spitzenstellung auch bei autonomen Fahrzeugen
verteidigen und ausbauen können.
Auf keinen Fall dürfen wir das anderen
überlassen – etwa US-amerikanischen
Technologiefirmen.
Anbieter wie Google oder Apple dominieren nicht
nur viele Bereiche der Digitalisierung, sondern
rüsten darüber auch im automobilen Bereich auf.
Die Voraussetzungen dafür, dass wir in Bayern
und Deutschland die Digitalisierung des
Automobils maßgeblich selbst gestalten sind
prinzipiell gut:
- Niemand versteht das Auto so gut wie wir.
- Und wenn ich Auto sage, dann meine ich
auch unseren extrem starken
Zuliefererbereich. Ich freue mich, dass mit
Frank Försterling ein Vertreter von
Continental auf dem Podium sitzt, die
gerade im Bereich des automatisierten
Fahrens ganz vorne dabei sind.
- Und auch am IT-Know-how mangelt es
grundsätzlich nicht – auch wenn wir in
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Sachen Vermarktungserfolge den
Amerikanern deutlich hinterherhinken.
- Zudem haben wir das Vertrauen der
Verbraucher auf unserer Seite: Eine aktuelle
Umfrage der Boston Consulting Group hat
ergeben, dass sich in den Herstellerländern
wie Deutschland, Frankreich und Japan
knapp 70 Prozent aller Konsumenten
wünschen, dass die klassischen Autobauer
bei der Entwicklung selbstfahrender Wägen
vorweggehen – und nicht
Technologieunternehmen. Weltweit haben
knapp 50 Prozent aller Verbraucher eine
Präferenz für die klassischen Autohersteller.
Das bedeutet aber nicht, dass das für die
inländischen Autohersteller ein Selbstläufer wird.
Um die Chancen zu nutzen, muss die deutsche
Industrie offensiv eine Vorreiterrolle beim
autonomen Fahren übernehmen.
Das führt nicht nur zur Innovationsführerschaft
und Wertschöpfung am Standort. So stellen wir
zudem sicher, dass wir die zu entwickelnden
technischen Standards und Schnittstellen selbst
bestimmen können.
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Ich bin überzeugt: Wenn wir beim autonomen
Fahren vorneweg schreiten, können wir damit
„zwei Fliegen mit eine Klappe“ schlagen:
Erstens: Wir handeln gemäß dem Motto des
Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft, wonach
wir vorhandene Stärken am Standort – also den
Automobilbereich – weiter stärken.
Zweitens: Indem wir die Digitalisierung und damit
die IT-Branche stärken, treiben wir die
Diversifikation unserer Wirtschaftsstruktur voran.
Für uns besteht durch das autonome Fahren die
einmalige Chance, im IT-Bereich gegenüber den
US-amerikanischen Konkurrenten aufzuholen.
So reduzieren wir das in Bayern existierende
„Klumpenrisiko“ infolge der hohen Fokussierung
auf das klassische Auto, vor dem der Zukunftsrat
der Bayerischen Wirtschaft ebenfalls gewarnt hat.
Rechtliche Hürden
Damit das klappt, müssen wir jetzt mit Hochdruck
die Voraussetzungen dafür schaffen. Hier gibt es
zahlreiche verschiedene Handlungsfelder, die
angegangen werden müssen.
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Drei maßgebliche Themen – rechtliche Fragen,
Infrastruktur und IT-Sicherheit – decken wir mit
unserer Veranstaltungsreihe ab.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Meine Damen und Herren,
derzeit bestehen in vielen Fällen noch rechtliche
Hürden, die die positive Entwicklung des
autonomen Fahrens bei uns behindern.
Handlungsbedarf besteht in sehr vielen Bereichen
des Rechts.
Es hakt schon bei ganz grundlegenden Dingen –
etwa bei Zulassung von autonomen
Fahrsystemen im Straßenverkehr. So sind gemäß
dem für nationale Verkehrsgesetze maßgeblichen
„Wiener Übereinkommen im Straßenverkehr“
unüberwachte automatisierte Fahrzeuge gar nicht
erlaubt. Auf Initiative von Deutschland wurde
aktuell schon eine Anpassung vorgenommen. Es
fehlt noch ein entscheidender Umsetzungsschritt,
aber zumindest die nächste Generation
automatisierter Fahrzeuge wird damit möglich.
Das kann zum Beispiel automatisiertes Fahren
speziell auf der Autobahn sein.
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Zugelassen sind Fahrzeuge aber nur dann, wenn
sie jederzeit vom Fahrer überstimmt oder
abgeschaltet werden können. Selbst das
vollautomatisierte Fahren ist danach nicht
möglich, vom autonomen ganz zu schweigen.
Hier dürfen wir nicht auf halber Strecke stehen
bleiben!
Ein weitereres wichtiges Thema sind
zivilrechtliche Haftungsfragen. Wir müssen heute
schon klären, wer die Haftung übernimmt – und
wer sie versichert – wenn sich technische Risiken
und Verantwortungen verschieben.
Prof. Schrader von der rechtswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Augsburg wird in seinem
Vortrag auf die Haftung näher eingehen.
Und die Sicht der Versicherungswirtschaft werden
wir im Rahmen der Diskussion von Martin
Wehner von der Allianz Versicherungs-AG
erfahren. Vielen Dank, Herr Wehner, dass Sie
sich so kurzfristig bereit erklärt haben, heute mit
dabei zu sein.
Aus unserer Sicht ist das bisherige
Haftungsregime gut geeignet, um mit
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automatisierten Fahrzeugen umzugehen. Anders
kann es sich darstellen, wenn es um Fragen der
Datenübertragung geht.
Was aber angepasst werden muss, sind die
Verhaltenspflichten im Straßenverkehr – etwa im
Hinblick auf die Handynutzung während der
Fahrt. Es ist keinem Fahrer zuzumuten, dauerhaft
einem System dabei zuzusehen, wie es sich
sicher selbständig durch den Verkehr steuert.
Bei diesen grundlegenden Anmerkungen möchte
ich es zunächst belassen. Herr Minister Prof.
Bausback und Herr Prof. Schrader werden bei
den Rechtsfragen gleich stärker ins Detail gehen.
Ich freue mich auf eine interessante und
aufschlussreiche Veranstaltung!
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