Bertram Brossardt Deutschland hat Zukunft

Deutschland hat Zukunft
Freiheit statt Schranken – unser
Gesundheitssystem im Wandel
Donnerstag, 21.07.2016 um 15:00 Uhr
hbw Haus der Bayerischen Wirtschaft, ConferenceArea, Europasaal
Max-Joseph-Straße 5, 80333 München
Begrüßung
Bertram Brossardt
Hauptgeschäftsführer
vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
Es gilt das gesprochene Wort.
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Sehr geehrte Frau Staatsministerin Huml,
liebe Melanie,
sehr geehrter Herr Prof. Ulrich,
sehr geehrte Frau Dr. Demmler,
meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich im Haus der
Bayerischen Wirtschaft zu unserem Kongress
„Deutschland hat Zukunft – Freiheit statt
Schranken – unser Gesundheitssystem im
Wandel“.
Wachsende Bedeutung der Gesundheit
Gesundheit gewinnt in unserer Gesellschaft
immer mehr an Bedeutung – und die Ausgaben
dafür werden weiter steigen.
Die Gründe dafür sind vielfältig:
- Die Alterung der Gesellschaft – die
Gesundheitsausgaben wachsen mit dem Alter.
- Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein der
Menschen, das die Zahlungsbereitschaft
wachsen lässt.
- Und der technisch-medizinische Fortschritt, der
zusätzlichen Nutzen und Effizienzgewinne
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bringt, aber auch zusätzliche Kosten
verursacht.
Die steigende Bedeutung des Gesundheitssektors ist prinzipiell keine schlechte Nachricht.
Sie ist Ausdruck einer wachsenden Nachfrage
der Menschen.
Gesundheit ist ein Wachstumsmarkt, von dem die
starke und innovative bayerische
Gesundheitswirtschaft besonders profitiert.
Und weil diese Branche sehr personalintensiv ist
– schon heute arbeiten dort über zehn Prozent
aller Beschäftigten des Freistaats –, trägt sie mit
zur guten Situation auf dem Arbeitsmarkt bei.
Problem: Finanzierung
Problematisch ist allerdings, dass die
Finanzierung des Gesundheitssystems nicht
nachhaltig ist und strukturell falsch läuft.
Innerhalb von nur zehn Jahren – von 2004 bis
2014 – sind die Ausgaben der Gesetzlichen
Krankenversicherungen um 45 Prozent nach
oben geschossen.
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Und das, obwohl die Alterung der Bevölkerung in
diesem Zeitraum noch nicht die Dynamik hatte,
die in den kommenden Jahren zu erwarten ist.
Fest steht: Wenn wir nicht Kurs ändern, droht
eine weiterer starker Kostenanstieg, der die
Beitragszahler und damit auch unsere
Unternehmen und unseren Standort überfordern
wird.
In unseren Augen gibt es drei Kernprobleme:
Erstens: Die Kopplung der Finanzierung an den
Lohn, die zu einer einseitigen Belastung des
Faktors Arbeit führt.
Zweitens: Mangelnde Eigenverantwortung.
Drittens: Mangelnder Wettbewerb, der durch die
Einführung des Gesundheitsfonds weiter
zementiert wurde.
Erstens: Kopplung der Finanzierung an den Lohn
Zu Erstens: Das aktuelle System knüpft den
Großteil der Finanzierungslast an den Faktor
Arbeit. Das verteuert die Lohnstückkosten und
schwächt so die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe.
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Experten erwarten, dass der Beitragssatz bis zum
Jahr 2030 von heute im Schnitt 15,7 Prozent auf
mehr als 25 Prozent klettern wird, wenn wir so
weiter machen wie bisher.
Zwar ist der Arbeitgeberbeitragssatz derzeit
festgeschrieben. Darauf verlassen, dass das so
bleibt, können wir uns aber nicht.
Die im Vergleich zu anderen Ländern zu hohen
Arbeitskosten sind ein Dauerthema und stellen für
die Firmen eine hohe Belastung dar.
Klar ist: Wenn wir als Standort weiter attraktiv
bleiben wollen, dann dürfen die Beiträge und
damit die Arbeitskosten nicht noch weiter steigen.
Im derzeitigen System sind zusätzliche
Belastungen aber programmiert. Und zwar in
einem Ausmaß, das die Unternehmen zu
überfordern droht.
Hinzu kommt: Die lohnbasierte Finanzierung ist
nicht besonders gerecht – auch wenn immer so
getan wird.
75 Prozent der Einnahmen der Gesetzlichen
Krankenversicherung stammen aus
Arbeitseinkommen.
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Nicht arbeitende Ehegatten, Immobilien- und
Kapitaleinkünfte tragen dagegen gar nichts bei.
53 Millionen zahlende gesetzlich Versicherte
stemmen die GKV-Ausgaben von knapp 71
Millionen GKV-Versicherten – und zudem weitere
Ausgaben, die für gesamtgesellschaftliche
Aufgaben zu bezahlen sind.
Wir wollen keine Neiddebatte. Aber: Angesichts
dieser Schieflage muss die Diskussion um die
Finanzierung des Gesundheitssystems ehrlicher
geführt werden.
Zweitens: Mangelnde Eigenverantwortung
Zu Zweitens, der mangelnden
Eigenverantwortung: Das aktuelle System setzt
viel zu wenig Anreize für kosten- und
gesundheitsbewusstes Verhalten der
Versicherten.
Weil die Höhe des Krankenkassenbeitrags sich
nicht danach bemisst, welche und wie viele
Leistungen ein Versicherter in Anspruch nimmt,
besteht kein erkennbarer Zusammenhang
zwischen Leistungsbezug und zu zahlendem
Versicherungsbeitrag.
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Wo aber zu wenig Eigenverantwortung und
Transparenz herrscht, wird auch nicht
ökonomisch gehandelt. Daran krankt das
gesamte System.
Die Praxisgebühr war zwar falsch konstruiert. Sie
ist aber grundsätzlich ein Mittel, um genau diese
Eigenverantwortung zu stärken. Ihre Abschaffung
war ein Fehler. Eine Fortentwicklung wäre
sinnvoller gewesen.
Drittens: Mangelnder Wettbewerb / Gesundheitsfonds
Dritter Schwachpunkt ist der mangelnde
Wettbewerb.
Die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre
haben diesen Wettbewerb verzerrt und
geschwächt. Bis 2007 ermöglichte die
Beitragsautonomie den Kassen einen
einigermaßen transparenten Wettbewerb.
Mit der Einführung des Gesundheitsfonds und der
Rücknahme des in Euro zu zahlenden
Zusatzbeitrags durch die derzeitige
Bundesregierung wurde dieser Wettbewerb unter
den Kassen stark reduziert.
Gesundheitsfonds: Verteilungsprobleme
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Der Gesundheitsfonds schwächt nicht nur den
Wettbewerb unter den Krankenkassen.
Dazu kommen weitere Probleme hinsichtlich der
Verteilungsmechanismen des Fonds, auf die
Staatsministerin Huml und Herr Prof. Ulrich sicher
noch näher eingehen werden.
Durch das Auseinanderfallen von Beiträgen und
Leistungen wird zum einen Bayern über Gebühr
benachteiligt. Der Freistaat zahlt jährlich 1,7
Milliarden Euro mehr an Beiträgen in den Fonds
hinein, als er wieder herausbekommt.
Wir haben es hier mit einer Art zweiten
Länderfinanzausgleich unter dem Deckmantel der
Sozialversicherung zu tun. Das kann nicht sein!
Wir drängen deshalb auf eine Neuordnung über
einen Regionalausgleich beim Gesundheitsfonds.
Eine Schieflage gibt es nicht nur bei der
regionalen Verteilung der Gelder des
Gesundheitsfonds. Auch zwischen den Kassen
gibt es Verwerfungen.
So werden Betriebskrankenkassen systematisch
schlechter gestellt. Frau Dr. Demmler wird die
Zusammenhänge gleich näher erläutern.
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Betriebskrankenkassen sind in der Regel sehr
solide geführt, nah an den Versicherten und
zeichnen sich durch sehr gezielte und wirksame
Gesundheitsprävention aus.
Es kann nicht sein, dass diese gut
funktionierenden Kassen zu Gunsten anderer
Organisationen systematisch benachteiligt
werden. Auch daran muss sich etwas ändern.
Anmerkungen zu den aktuellen Gesundheitsreformen
Noch ein paar Sätze zu den jüngsten
Gesundheitsreformen.
Die letzte sogenannte „Strukturreform“ im
Gesundheitswesen, die vor zwei Jahren
verabschiedet wurde, greift zu kurz. Die
grundsätzlichen Finanzierungsprobleme wurden
kaum angepackt. Zu begrüßen ist allerdings die
weitere Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags.
Die weiteren Gesetze, die seither verabschiedet
wurden, sind allesamt Leistungsgesetze und
pumpen zusätzliches Geld in ein strukturell nur
bedingt zukunftsfähiges System.
Ärgerlich ist auch, wie die Finanzierung des
Präventionsgesetzes geregelt ist. Es verlangt von
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den Beitragszahlern für allgemeine
Präventionsmaßnahmen zu bezahlen, die
eigentlich Aufgabe des Staates sind. Dass die
Beitragszahler dabei sogar zur Finanzierung einer
Bundesbehörde – der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung – gezwungen werden,
ist nicht hinnehmbar.
Unser Vorschlag: Regionaler Gesundheits-Kombi
Meine Damen und Herren,
das gegenwärtige System ist strukturell nicht
geeignet, die Herausforderungen der Zukunft zu
meistern.
Die vbw hat zusammen mit dem Institut für
Gesundheitsökonomie einen Lösungsvorschlag
entwickelt, der für die Zukunft eine tragfähige
Finanzierung unseres Gesundheitssystems
gewährleistet.
Der Name des Vorschlags lautet: Regionaler
Gesundheits-Kombi. Er basiert auf zwei Säulen:
Die erste Säule besteht aus einem
weiterentwickelten Gesundheitsfonds. Der
Arbeitgeberanteil wird auf der Grundlage des
heutigen, bundesweit einheitlichen Beitragssatzes
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eingefroren und direkt an den Gesundheitsfonds
abgeführt.
Die Arbeitgeber bleiben damit Teil des
Finanzierungssystems in der GKV. Gleichzeitig
wird der Faktor Arbeit langfristig entlastet. In den
Gesundheitsfonds fließen zudem Steuermittel für
versicherungsfremde Leistungen, etwa für die
beitragsfreie Versicherung von Kindern.
Die zweite Säule bildet ein Versichertenbeitrag,
der von jeder Krankenkasse als Preis in Euro und
Cent individuell festgesetzt wird. Jeder
Erwachsene Versicherte ist beitragspflichtig und
zahlt den kassenspezifischen Versichertenbeitrag
direkt an seine Krankenkasse.
Versicherte, die ihren Beitrag nicht aus eigener
Kraft aufbringen können, erhalten
Einkommenshilfen aus Steuermitteln.
Beide Säulen des Modells enthalten regionale
Differenzierungsfaktoren:
Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds
erfolgen nach einem Schlüssel, der den
unterschiedlichen regionalen Kostenniveaus und
Lebensverhältnissen Rechnung trägt.
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Über die kassenspezifischen
Versichertenbeiträge werden regionale
Vergütungs-, Versorgungs- und
Qualitätsunterschiede unmittelbar berücksichtigt.
Dieses Modell adressiert die Kernprobleme des
aktuellen Systems:
1. Die Lohnzentrierung wird deutlich reduziert.
2. Die Eigenverantwortung der Versicherten
wird durch ein Mehr an Wahlfreiheit erhöht.
3. Der (Preis-) Wettbewerb unter den
Krankenkassen wird durch frei gestaltbare,
vom Arbeitsabkommen abgekoppelte
Versicherungsprämien wieder hergestellt.
Wir sind uns bewusst, dass dieses Modell nicht
einfach durchzusetzen sein wird.
Aber wir brauchen Lösungen. Die Reformen der
Vergangenheit haben wenig gebracht und waren
zum Teil sogar kontraproduktiv. Meistens ging es
darum, kurzfristig irgendwelche Finanzierungslöcher zu stopfen.
Das ist aber der falsche Weg.
Wir sind fest davon überzeugt, dass unser
Vorschlag den richtigen Weg weist.
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Deswegen werden wir weiter dafür werben.
So viel von meiner Seite.
Ich wünsche uns allen eine informative und
aufschlussreiche Veranstaltung!
Vielen Dank!
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