Ausgabe 4 - Soldatenarbeitszeitverordnung ( PDF , 3,8 MB)

Soldaten
Arbeitszeitverordnung
AU
F
Meer. Für Dich.
S
R
U
K
2015
Nr. 4
Soldaten Arbeitszeitverordnung in der Marine (SAZV)
Kapitän zur See
Thomas von Buttlar
„Mit der Umsetzung der
SAZV stehen wir vor einem
Systemwechsel. Nicht nur
die Gesundheit der Kameraden, sondern auch die
Attraktivität der Marine, die
Planbarkeit des Dienstes
und die Reduzierung von
Abwesenheitszeiten steht
im Mittelpunkt.
Für dieses Projekt sind Mitarbeit und Kreativität aus
allen Bereichen der Marine
nötig.
Die Umstellungen werden viel Arbeit und auch
Einschränkungen für den
ein oder anderen mit sich
bringen. Dennoch bin ich
der festen Überzeugung,
dass sich die Einführung
der SAZV, nach einer sicherlich holperigen Einführungsphase, als Gewinn für
uns Soldatinnen und Soldaten herausstellen wird.“
Mit dem Gesetz zur Steigerung
der Attraktivität in der Bundeswehr
wurde für Soldatinnen und Soldaten
eine gesetzliche Arbeitszeitregelung
eingeführt. Das Gesetz ist im
Frühjahr in Kraft getreten. Die
Regelungen zur Arbeitszeit werden zum 1. Januar 2016 wirksam.
Damit werden erstmals gesetzliche Regelungen geschaffen, die
sowohl eine EU-Arbeitszeit- und
Gesundheitsschutzrichtlinie aus
dem Jahr 2003 für die Streitkräfte
umsetzen, als auch einen maßgebenden Beitrag für eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie
und Dienst unter Wahrung der
Einsatzbereitschaft bilden.
Für den Grundbetrieb
Im Grundbetrieb (z.B. in den
Kommandos,Flottillenstäben,
Ausbildungseinrichtungen) gibt die
SAZV eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden
vor.
Diese
ist
einzuhalten.
Abweichungen sind möglich, wenn
zwingende dienstliche Gründe dies
erfordern. Die Mehrarbeit ist grund-
sätzlich innerhalb der nächsten
zwölf Monate durch Freizeit auszugleichen. Mehrarbeit muss vom
Disziplinarvorgesetzten schriftlich
angeordnet oder befohlen werden. Dabei darf die Höchstgrenze
von 48 Stunden pro Woche im
Jahresdurchschnitt nicht überschritten werden.
Im Grundbetrieb wird kein DZA
mehr ausbezahlt. Trotzdem kann
Mehrarbeit im Einzelfall und unter
gewissen Voraussetzungen auch
finanziell vergütet werden.
Dabei muss es sich um Mehrarbeit
handeln,
1.
„die angeordnet wurde,
im Rahmen eines Dienstes zur
Herbeiführung eines im öffentlichen Interesse liegenden unaufschiebbaren und termingebundenen
Ereignisses geleistet wurde und ein
messbares Ergebnis produziert und
2.
deren Zeitausgleich aus
zwingenden dienstlichen Gründen
innerhalb eines Jahres nicht möglich (Prognose) ist.
Beispiel:
Leistet
jemand
Dienst
in
einem
Ausnahmetatbestand (z.B.
20 Wochen Seefahrt im
Jahr) wird diese Zeit vom
Jahresarbeitszeitkonto
abgezogen.
Die 44 Arbeitswochen
(52
Kalenderwochen
abzüglich 6 Wochen
Urlaub
abzüglich
2
Wochen für Feiertage)
reduzieren sich rechnerisch auf 24 Arbeitswochen.
Für diese Zeit stehen
dann noch 984 Stunden
(24 Arbeitswochen x 41
Stunden) zur Verfügung.
Die Vorgesetzten müssen somit die verfügbare
Zeit ihrer Einheit oder
Besatzung
errechnen,
um das Personal planbar über das Jahr zur
Verfügung zu haben. Für
sie kommt es darauf an,
Gesundheitsschutz
zu
gewährleisten und gleichzeitig den Auftrag zu
erfüllen.
Die
geplante
Vergütung
entspricht dabei, hinsichtlich Höhe
und
Anspruchsvoraussetzungen,
den für Bundesbeamte geltenden
Regelungen.
Für schwerbehinderte Soldatinnen
oder Soldaten sowie Soldatinnen
und Soldaten mit Erziehungs- oder
Pflegepflichten bleibt die Möglichkeit
der Absenkung der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit erhalten.
Bei Ausnahmetatbeständen
Um die Einsatzbereitschaft der
Streitkräfte
weiterhin
sicherzustellen, wurden im § 30c Abs. 4
SG fünf spezifische militärische
Ausnahmetatbestände (siehe Infobox)
festgelegt, bei denen die SAZV keine
Anwendung findet.
Um in diesen Fällen für den
Gesundheitsschutz zu sorgen, ist
vorgesehen, dass vor einer mehrmonatigen Seefahrt möglichst eine
Woche und anschließend, innerhalb
von vier Wochen, mindestens zwei
Wochen Dienstfrei zu gewähren sind.
Die Freizeit soll aus den bestehenden
Ansprüchen gewährt werden.
Über
einen
weiteren
zeitlichen Ausgleich entscheiden die
Disziplinarvorgesetzten. Dabei sind
der Gesundheitsschutz sowie die
personelle Einsatzbereitschaft der
Einheit/des Verbandes zu berücksichtigen. Sollte, unter Anlegung
eines strengen Maßstabs, ein weiterer Freizeitausgleich aus zwingenden
dienstlichen Gründen nicht möglich
sein, ist ein finanzieller Ausgleich zu
gewähren. Dabei muss aus Gründen
des Gesundheitsschutzes mindestens ein Tag Freistellung vom
Dienst pro Monat gewährt werden.
Finanzieller Ausgleich kann also bei
Ausnahmetatbeständen gewährt werden, allerdings gilt der Grundsatz:
Freizeitausgleich hat Vorrang vor
finanzieller Vergütung.
In den fünf Ausnahmetatbeständen
findet ein pauschaler Ausgleich der
besonderen zeitlichen Belastungen
statt (sogenannte „kleine und große“
Anrechnungsfälle – wie bisher beim
DZA).
Für
diese
Berechnung
des
Jahresarbeitszeitkontos werden Zeiten
in Ausnahmetatbeständen abgezogen und damit „neutral“ gestellt.
Ausnahmetatbestände
1.
2.
3.
4.
5.
Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen
Amtshilfe in besonderen Fällen
Mehrtägige Seefahrten
Alarmierung und Zusammenziehung sowie Gefechtsausbildung zur Vorbereitung von Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen und Fällen von Amtshilfe
Übungs- und Ausbildungsvorhaben, bei denen Einsatzbedingungen simuliert werden
Zeiterfassung
Um die Einhaltung der
Vorgaben der SAZV zu
ermöglichen, wird eine
Arbeitszeiterfassung
(AZE) für alle Soldatinnen
und Soldaten eingeführt.
Die
Arbeitszeit
muss
sowohl im Grundbetrieb,
als
auch
in
den
Ausnahmetatbeständen
erfasst werden, um jederzeit einen Überblick über
die abgeleistete und noch
zur Verfügung stehende
Arbeitszeit zu erhalten.
Die Einführung ist mit
einem hohen finanziellen,
technischen und organisatorischen
Aufwand
verbunden. Daher kann
bis zum Inkrafttreten der
SAZV
zum
1.
Januar
2016 keine vollautomatische Lösung bereitgestellt werden.
Zum
1.
Januar
wird
dafür
aber
2016
eine
IT-gestützte Lösung zur
Verfügung stehen.
Die neuen Arbeitszeitregelungen
und
Zeiterfassung
den
täglichen
die
machen
Dienst
berechenbarer und dienen somit der besseren
Vereinbarkeit von Familie
und Dienst und schließlich auch dem persönlichen Gesundheitsschutz.
Die Ausweitung der gewerblichen Bewachung und Absicherung
der Marinestützpunkte auf die
Liegeplätze und die Zugangskontrolle
zu den schwimmenden Einheiten mit
gewerblichem Wachpersonal, oder
mittelfristig mit Absicherungstechnik,
ist beabsichtigt.
Die
seemännischen
und
betriebstechnischen
Anteile
der Hafenwache werden durch
Betriebsunterstützungsgruppen übernommen.
Diese werden in Abhängigkeit von
Anzahl und Komplexität der in den
Stützpunkten beheimateten Schiffe
und Boote unterschiedlich gestaltet
und ganzjährig schichtfähig ausgebracht.
Die Verantwortung für den abwehrenden Brandschutz soll im Heimathafen
durch die Bundeswehrfeuerwehr
übernommen werden. Im Zielzustand
sollen alle Einheiten fernüberwacht
werden.
Unterbringung
Seit der Einführung der Fregatten
Klasse 122 zu Beginn der 80er
Jahre werden Schiffe als dienstliche
Unterkunft genutzt.
Durch das Freiziehen der Schiffe
und Boote wird sich diese
Rahmenbedingung ändern. dass sich
ihre Vorgesetzten auf allen Ebenen
bemühen, individuell tragfähige und
zumutbare Lösungen zu entwickeln.
Bei der künftigen Landunterbringung
sind drei Personengruppen zu unterscheiden:
1.
Unterkunftspflichtigen (<25
Jahren) muss eine dienstliche
Unterkunft zur Verfügung gestellt
werden
2.
Nichtunterkunftspflichtige
(>25 Jahre) ohne UKV erhalten Trennungsübernachtungsgeld
in standortspezifischer Höhe zur
Anmietung einer Unterkunft. Diese
haben durch die Anmietung von
Wohnraum auf dem freien Markt
zumindest keinen finanziellen Nachteil
3.
Nichtunterkunftspflichtige
(>25 Jahre) mit UKV müssen auf
eigene Kosten eine Unterkunft
anmieten, sofern ihnen keine dienstliche Unterkunft „im Rahmen freier
Kapazitäten“ gegen Bezahlung bereitgestellt werden kann.
Reduzierung
Hafenwachen
der
Ein sehr erheblicher Teil
der Jahresarbeitszeit muss
ab dem 1. Januar 2016
für die Hafenwachen im
Heimathafen investiert
werden. Geht jemand
zweimal
Hafenwache
pro Woche, ist allein
dadurch die höchstmögliche durchschnittliche
Wochenarbeitszeit von
48 Stunden erreicht.
Ein
regelmäßiger
Wachgänger wird entweder seine Jahresarbeitszeit
schnell
verbrauchen oder ständig im
Zeitausgleich sein. Dabei
sollen die Besatzungen
ihre
Jahresarbeitszeit
für Ausbildungen und
Einsätze nutzen und diese
nicht durch Hafenwachen
verbrauchen.
Um die Wachbelastung
zu reduzieren, wurde
durch den Inspekteur
der Marine entschieden,
dass die Besatzungen
von den Hafenwachen
im Heimathafen entlastet werden sollen.
Die Einheiten werden
in Zukunft nach Dienst
freigeräumt
und
an
eine Fernüberwachung
angeschlossen.
Den
militärischen Anteil der
Hafenwache werden zivile
Wachunternehmen übernehmen.
Elementare Voraussetzung der
Unterbringung der Besatzungen
an Land ist die Deckung des
Unterkunftsbedarfs. In Wilhelmshaven
sollen neun Unterkunftsgebäude mit
jeweils ca. 80 Einzelunterkünften und in
Eckernförde ein Unterkunftsgebäude
in gleicher Größe errichtet werden.
Diese
Unterkunftsgebäude
für
unterkunftspflichtige Soldatinnen
und Soldaten können voraussichtlich zwischen 2018 und 2020
an die Marine übergeben werden.
Nichtunterkunftspflichtige
Soldatinnen und Soldaten werden
auf den freien Wohnungsmarkt
angewiesen sein, wobei zwei
Drittel davon aufgrund der bisherigen
Lebensumstände
keinen
Anspruch auf Trennungsgeld oder
Trennungsübernachtungsgeld haben.
Angesichts
seefahrtbedingter
Abwesenheiten von bis zu 180
Tagen pro Jahr, zukünftig 30 Tagen
Freistellung vom Dienst (Prognose)
und 30 Tagen Erholungsurlaub
stellt sich durchaus die Frage nach
der Sinnhaftigkeit einer eigenen
Wohnung.
Der
Marineführung
ist
diese
Problematik durchaus bekannt. Daher
wird zurzeit geprüft, ob die Bundeswehr
als Zwischenvermieter auftreten
kann und z.B. größere Wohnungen
als WG-Zimmer monatsweise vermietet. Übergangsregelungen für
die Personengruppe 3 können nur
zusammen mit den jeweils verantwortlichen Stellen erreicht werden.
Alle Betroffenen müssen wissen,
dass sich ihre Vorgesetzten auf allen
Ebenen bemühen, individuell tragfähige und zumutbare Lösungen zu
entwickeln.
Ausblick
Die Einführung einer gesetzlichen
Arbeitszeit bedarf umfangreicher marineseitiger Vorbereitungen und zum Teil streitkräftegemeinsamer Abstimmung. Vieles
davon muss im Dezember 2015 fertig sein,
manches wird aber auch erst in der praktischen Umsetzung erkannt. Im Ergebnis
darf davon ausgegangen werden, dass
der Dienst künftig planbarer gestaltet wird
und die zeitlichen Mehrbelastungen durch
dienstfreie Zeit gerechter ausgeglichen
werden. Dabei bleibt das übergeordnete
Ziel, die notwendige Flexibilität im Einsatzund Übungsbetrieb zu erhalten.