Mitteilungen der Juristischen Zentrale

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VERTRAGSANWÄLTE
Nr. 77/2015
15.12.2015 Wk
Entschädigung wegen unrechtmäßigem Entzug der Fahrerlaubnis
Sehr geehrte Damen und Herren,
gem. § 5 Abs. 2 StrEG ist eine Entschädigung ausgeschlossen, wenn und soweit der
Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Das LG Oldenburg hat in seiner Entscheidung vom 17.03.2015 (AZ.: 5 Qs
80/15) ausgeführt, dass hierzu die Sorgfalt in besonders schwerem Maße vernachlässigt werden muss.
Sachverhalt
Die Betroffene fuhr mit einem Blutalkoholgehalt von 0,47 Promille nachts zum Teil
deutlich langsamer als erlaubt (50 bis 70 km/h bei erlaubten 70 und 100 km/h), geriet
in drei Kurven mindestens 50 cm auf die Gegenfahrbahn und nutzte auf gerader
Strecke die Breite der gesamten Fahrspur aus. Bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung wurde der Fahrerin für knapp 6 Monate die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.
Das zuständige Amtsgericht sprach die Autofahrerin vom Vorwurf des § 316 StGB
frei und entschied, dass sie für den Schaden, den sie durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erlitten hatte, zu entschädigen sei.
Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Entschädigungsentscheidung sofortige Beschwerde ein. Die zulässige Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.
Gründe
Eine Entschädigungspflicht durch die Staatskasse für die unbegründete Entziehung
der Fahrerlaubnis besteht grundsätzlich nach §§ 8, 2 Abs. 1 und 2 Nr. 5 StrEG; sie ist
aber unter anderem dann ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die
Strafverfolgungsmaßnahme grob fahrlässig verursacht hat (§ 5 Abs. 2 StrEG).
Grobe Fahrlässigkeit war im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Das LG weist darauf hin, dass sich der Sorgfaltsmaßstab der groben Fahrlässigkeit zivilrechtlich beurteilt. Die erforderliche Sorgfalt muss in besonders schwerem und ungewöhnlich
hohem Maße vernachlässigt werden. Vorausgesetzt wird eine das gewöhnliche
Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigende Schwere des Sorgfaltsverstoßes.
Nach der Rechtsprechung könne bereits die Schaffung eines erheblichen Tatverdachts einer Trunkenheitsfahrt durch Alkoholgenuss vor oder nach der Fahrt als
grob fahrlässig angesehen werden. Die Alkoholisierung lag hier jedoch unterhalb von
0,5 Promille und die festgestellten Fahrfehler ließen sich durch die Dunkelheit und
Ortsunkenntnis erklären. Das Verhalten der Fahrerin erscheine zwar aufgrund der
Alkoholisierung im Hinblick auf eine mögliche Fahrerlaubnisentziehung als fahrlässig;
einen darüber hinausgehenden ungewöhnlich schweren Sorgfaltsverstoß konnte die
Kammer jedoch nicht erkennen.
Praxishinweis
Wenn im Laufe des Ermittlungsverfahrens wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis vorläufig nach § 111a StGB entzogen wird, dieses jedoch im weiteren Verfahren aufgehoben wird und keine endgültige Entziehung nach den §§ 69, 69a StGB
erfolgt, stellt sich stets die Frage nach einer Entschädigung.
Nur wenn die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Alkoholisierung grob
fahrlässig veranlasst wurde, gibt es keine Entschädigung. Die Rechtsprechung geht
davon aus, dass bei einer festgestellten BAK von mindestens 0,5 ‰ ein Ausschluss
der Entschädigung aufgrund grober Fahrlässigkeit zu bejahen ist (LG Aachen, Urteil
vom 30.01.2012, SVR 2012, 272). Unter 0,5 Promille ist eine Entschädigung dagegen regelmäßig zuzusprechen, wenn keine Besonderheiten vorliegen.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dr. Markus Schäpe
Leitung Juristische Zentrale
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