Internationales Verhandeln Wer sich im internationalen Umfeld bewegt, kommt immer wieder in Verlegenheit, mit internationalen Geschäftspartnern, Kollegen oder Kunden zu verhandeln. Was gilt es dabei zu beachten? Welche Fettnäpfchen kann man leicht vermeiden, um ein gutes Ergebnis sicherzustellen? In diesem Artikel stellen wir einige wichtige Aspekte des interkulturellen Verhandelns vor. © shutterstock Wie werden Entscheidungen getroffen? Üblicherweise kann man davon ausgehen, dass in Organisationen eine Entscheidungsstruktur festgelegt ist. Diese kann sich aber zu unseren Entscheidungsritualen stark unterscheiden und so zu manchen ungeplanten Verzögerungen und sogar Konflikten führen. Ein Beispiel: Eine österreichische und eine tschechische Firma arbeiten in einem Projekt zusammen. Der österreichische Projektverantwortliche hat mit dem tschechischen Kollegen bis dato sehr gut zusammengearbeitet, als eine Entscheidung fällig ist. Der Österreicher macht mit dem Tschechen einen Termin aus, und fährt nach Prag. Zur großen Überraschung wartet dort neben seinem tschechischen Kollegen auch dessen Chef. Das „Arbeitsmeeting“ verläuft lähmend, eine Entscheidung fällt nicht. Der Österreicher fährt unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Eine Woche später wiederholt sich das Ganze, allerdings ist dieses Mal der tschechische Kollege gar nicht mehr dabei, sondern dessen Chef und der Chef des Chefs. Auch dieses Mal fällt keine Entscheidung, sondern der österreichische Projektleiter wird unmissverständlich vor die Tür gesetzt und aufgefordert, das nächste Mal mit dem richtigen Entscheider aufzutauchen, wenn ihm etwas daran liegt, das Projekt abzuschließen. Was war passiert? Die Entscheidungsrituale beider Unternehmen waren unterschiedlich. Der Österreicher hätte im Rahmen seines Pouvoirs entscheiden können und das auch getan. Der tschechische Geschäftspartner ging davon aus, dass der Boss des Österreichers bei der finalen Runde zur Verhandlung mitkommt, was nicht passiert ist, und was zu massiver Verstimmung geführt hat. Wie kann man solche Probleme vermeiden? Man kann die Kulturindizes von Geert Hofstede heranziehen (www.geert.hofstede.com) , die besonders mit dem PowerDistance-Index eine gute Richtung geben, wie stark eine Kultur hierarchisch ausgerichtet ist. In Ländern mit hohem PDI (Power Distance Index) ist davon auszugehen, dass Entscheidungen eher in den oberen Etagen getroffen werden, und dass Führung eher machtbezogen gelebt wird. Eine weitere Möglichkeit, einen Fettnapf zu vermeiden, ist es, bei der Verhandlungsvorbereitung einfach das Thema anzusprechen und so sicherzustellen, dass es zu keinen unnötigen „Verwerfungen“ kommt. Wie geht man mit dem Thema Zeit um? Welche Erwartungshaltung haben die Verhandlungspartner in Bezug auf Pünktlichkeit? Wie ist es zu verstehen, wenn man „warten gelassen wird“, Wie werden Verhandlungen gestaltet? Wie geht man mit Störungen um? Ein Beispiel: Der Geschäftsführer eines österreichischen Unternehmens möchte nach fast 2-jähriger Vorbereitung in Montenegro ein Geschäft aufbauen. Die Vorarbeiten sind praktisch abgeschlossen, und der Geschäftsführer fährt nach Montenegro, um sich dort mit zwei hochrangigen Vertretern des örtlichen Wirtschaftsministeriums zu treffen, um die letzten offenen Punkte aus zu verhandeln. Als Verhandlungsort ist ein Luxushotel in Podgorica in der Nähe des Flughafens ausgemacht. Der Österreicher ist pünktlich da, wird von der Rezeptionistin gebeten, in der Bar zu warten. Und dann passiert zwei Stunden gar nichts. Als die Delegation des Ministeriums eintrifft, dauert es gut eine halbe Stunde, bis die Sicherheitsleute der beiden Beamten alle Waffen abgegeben hatten und durch die Security durch sind. Als die Verhandlungen endlich losgehen, findet es keiner der Montenegriner notwendig, sich für die lange Verzögerung zu entschuldigen, sondern fangen einfach an, als ob es genau der richtige Zeitpunkt wäre. Was war passiert? Die Österreicher waren sauer, dass sie warten mussten. In Österreich ist dieses Verhalten praktisch immer ein Zeichen von mangelnder Wertschätzung. Wenn sich die andere Seite dann nicht einmal entschuldigt, wird es oft auch als Zeichen gewertet, dass diese Verhandlung für die Seite, die die andere warten lässt, unwichtig ist. Wie kann man so ein Problem vermeiden? Das Zuspätkommen gar nicht, aber den Umgang damit. In eher beziehungsorientierten Kulturen ist das Zuspätkommen ganz normal. Man lebt eher für den Augenblick: das, was gerade passiert, ist wichtig und wird mit voller Energie ausgeführt. Dass andere warten müssen, wird dabei in Kauf genommen. Wenn man dann da ist, gehört die volle Aufmerksamkeit demjenigen, zu dem man gerade kommt. Wenn man als Mitteleuropäer warten muss, ist es sinnvoll, sich mit etwas zu beschäftigen, was einem Spaß oder Freude macht. Wesentlich dabei ist, sich darüber klar zu sein, dass das Zuspätkommen meist nicht die gleiche Bedeutung hat, wie bei uns. Wesentlich ist auch, dass man das Verhalten nicht persönlich nimmt. Kann man selbst auch zu spät kommen? Besser nicht! Denn die Verhandlungspartner wissen meist sehr genau, dass in unserem Kulturkreis Pünktlichkeit ein Zeichen von Höflichkeit ist. Wie klar werden Kritikpunkte angesprochen? In unserem Kulturkreis sind wir gewohnt, Themen, die „nicht passen“ relativ direkt anzusprechen. Dinge die nicht funktionieren, klar auszusprechen. Was passiert, wenn man das in einem Kulturkreis tut, wo das Thema „Gesicht“ es verbietet, den anderen offen zu kritisieren? Ein Beispiel: Eine deutsche Führungskraft geht als Expat nach China. Dort findet er viele Dinge nicht so vor, wie die Konzernrichtlinien es vorsehen würden. Er ist deswegen ziemlich zornig, weil sich damit sein Aufgabenbereich verkompliziert. Wie aus Deutschland gewohnt drückt er seinen Ärger über diese Unzulänglichkeit sehr offen im Teammeeting an, spricht den verantwortlichen Manager direkt an und verlangt die „Reparatur“ des Problems binnen 4 Wochen. Ab diesem Zeitpunkt funktioniert nur noch wenig in seinem Umfeld. Die Kollegen und Mitarbeiter sind unergründlich freundlich, allerdings erlebt er den kompletten Stillstand. Nach rund sechs Monaten wirft er entnervt das Handtuch. Was war passiert? Durch seinen „Auftritt“, bei dem er den Manager sehr unsanft angefasst hat, hat weniger der Manager als vielmehr die deutsche Führungskraft „das Gesicht verloren“ und war so in seiner Rolle nicht mehr tragbar. Wie hätte der Expat diese Situation vermeiden können? Diese Situation wäre als Verhandlungssituation unter vier Augen wesentlich erfolgsversprechender zu klären gewesen. Damit hätten beide Seiten das Gesicht behalten können. Vor allem im asiatischen Kulturkreis ist das Thema „Gesicht wahren“ von besonderer Bedeutung. Es wird zwar beinhart verhandelt, allerdings immer, ohne den anderen persönlich anzugreifen. Wie direkt oder indirekt wird kommuniziert im Verhandeln? Auch wenn man uns Österreichern nachsagt, im Verhältnis zu unseren deutschen Nachbarn eher „weich“ zu kommunizieren, gibt es noch diverse Kulturkreise, wo direkte Kommunikation, so wie sie bei uns gepflegt wird eher unüblich ist und man durch klare Ansagen sich schnell Feinde macht. Ein Beispiel: Im Süden der USA, in einem Werk eines Autobauers findet ein Meeting der ersten Führungsebene statt. Der oberste Chef ist ein Einheimischer, die erste Führungsebene hingegen ist zu 50 % aus Deutschland, die anderen 50 % sind US-Staatsbürger. Während des Meetings entsteht eine intensive Diskussion zu einem Thema und vom Chef kommt die Aussage: „Wäre es eine Möglichkeit das Thema auch von dieser Seite zu betrachten?“ Einer der deutschen Manager antwortet mit einem klaren „Nein, das macht keinen Sinn.“ Das Meeting ist bald darauf zu Ende, und innerhalb weniger Tage dreht sich die Stimmung im Team. Die Amerikaner rücken deutlich von den deutschen Expats ab. Die Kommunikation wird aufs nötigste reduziert. Was war passiert? Der deutsche Manager ist in ein klassisches Fettnäpfchen getappt. Die freundliche Frage des obersten Chefs war keine Frage, sondern eine klare Aufforderung. Das eindeutige Nein des deutschen Managers war ein Affront, der durch nichts so leicht wieder gutzumachen ist. Wie kann man so ein Problem vermeiden: Wenn man sich in Kulturkreisen bewegt, wo eher indirekt kommuniziert wird, macht es Sinn, Empfehlungen der anderen Seite sehr ernst zu nehmen. In „Ratschlägen“ oder Angeboten versteckt sich oft mehr. Im Zweifelsfall hilft nachfragen, was die andere Seite genau meint bzw. Vorschläge, die vor allem aus der Chef-Etage kommen, ernsthaft zu überdenken, und wenn sie wirklich nicht geeignet sind, begründet und in einem Vier-Augengespräch den Vorschlag abzulehnen. Interessenbasiertes Verhandeln oder feilschen? Gerade im arabischen Raum, aber auch in Asien, ist Feilschen als Verhandlungsstil üblich. Nichts desto trotz: Je komplexer die Situation ist, je mehr Parteien an der Verhandlung beteiligt sind, desto besser kann man auch in diesen Kulturräumen interessenbasiert verhandeln. Wesentlich dabei ist es, neben der klassischen interessenbasierten Vorbereitung, sich klar darüber zu sein, welche finanziellen Rahmenbedingungen vorliegen und wo man sich bewegen will oder kann. Desweiteren sollte man als Verhandler im internationalen Umfeld die „Feilsch-Verhaltensweisen“ in der jeweiligen Kultur kennen. Fragt man einen Einheimischen, wird er sagen, beim Feilschen trifft man sich in der Mitte. Wo diese allerdings wirklich liegt, hängt von den Außenpositionen ab, mit denen man einsteigt. Als Mitteleuropäer empfindet man „überhöhte“ Einstiegsgebote meist unseriös. In klassischen Feilschländern ist es aber ein Muss, sich diesen Verhaltensweisen anzunähern wenn man ein gutes Geschäft macht. Gängige Praxis bei vielen Unternehmen, die international agieren, ist es deshalb, die Verkaufspreise in Ländern, in denen klassischerweise gefeilscht wird, um bis zu 25 % höher anzugeben, als in Ländern, in denen man nicht gerne feilscht, wie zum Beispiel in Deutschland. Wie man gut sehen kann, funktioniert Verhandeln im internationalen Umfeld praktisch überall auch interessenbasiert, allerdings sollte man die relevanten Kulturstandards für den jeweiligen Kulturkreis kennen, um unnötige Irritationen zu vermeiden. Diesen Fachartikel schrieb für Sie Mag. Birgit Fischer-Sitzwohl Coverdale Managementberatungs- und -trainingsgmbH, Mohsgasse 1/Halbstock, 1030 Wien, www.coverdale.at, [email protected]
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