Hot Topics Steuerrecht Deutschland August 2015 Einführung einer Steuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen an Kapitalgesellschaften Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 22.07.2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (den „Diskussionsentwurf“) vorgestellt. Dieser sieht auch die Einführung einer Steuerpflicht für nach dem 31.12.2017 durch Kapitalgesellschaften realisierte Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen an Kapitalgesellschaften, d.h. Beteiligungen von weniger als 10 Prozent, vor. Zur Förderung von Risikofinanzierungen sind bestimmte Steuerermäßigungen für Gewinne aus dem Verkauf von Anteilen an beihilfefähigen Unternehmen geplant. Nach dem Systemwechsel vom Vollanrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren im Jahre 2001/2002 waren von Körperschaften erwirtschaftete Beteiligungserträge (Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften) gemäß § 8b KStG zunächst unabhängig von der Beteiligungshöhe steuerfrei. Diese Steuerfreistellung stellte keine Steuerbegünstigung oder politisch motivierte Wohltat des Gesetzgebers dar. Sie war und ist vielmehr systematisch geboten, um die steuerliche Mehrfachbelastung wirtschaftlich identischer Einkünfte im Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren zu verhindern. Infolge des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 (Rs C-284/09), wonach die steuerliche Schlechterstellung von ausländischen gegenüber inländischen Dividendenbeziehern als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit zu beurteilen ist, hatte der Gesetzgeber jedoch die Steuerfreiheit für diese Bezüge auch für inländische Kapitalgesellschaften unter Änderung des § 8b Abs. 4 KStG abgeschafft (Gesetz vom 21.03.2013, BGBl. I S. 561). Der Diskussionsentwurf sieht nun vor, dass nach dem 31.12.2017 auch die Steuerfreiheit von Gewinnen aus der Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen entfällt. Bisher unterliegen diese wegen des pauschalen Betriebsausgabenabzugsverbots nur in Höhe von 5 Prozent der Besteuerung (§ 8b Abs. 2, 3 KStG). Keine Änderung ist hingegen bei der Veräußerungsgewinnbesteuerung von Einkommensteuerpflichtigen geplant, für die weiter das Teileinkünfteverfahren bzw. die Abgeltungsteuer gilt. Unsere Expertise Steuerrecht Eine Streubesitzbeteiligung liegt vor, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Bislang sieht § 8b Abs. 4 S. 6 KStG im Wege einer Fiktion vor, dass der unterjährige Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 Prozent als zu Beginn des Jahres erfolgt gilt. Wegen angeblicher Anwendungsschwierigkeiten in der Praxis soll jedoch diese Rückbeziehungsfiktion aufgehoben werden. Stattdessen soll allein die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres ausschlaggebend sein. Dies gilt auch dann, wenn während des Kalenderjahres weitere Anteile hinzuerworben werden oder wenn die Beteiligung durch Hot Topics Veräußerungen auf eine Quote von unter 10 Prozent absinkt. Eine Ausnahme gilt lediglich für den Blockerwerb von Anteilen i.H.v. mindestens 10 Prozent zu einem bestimmten Stichtag im Kalenderjahr. Sofern diese nicht vor Ablauf des Kalenderjahres veräußert werden, findet die Streubesitzregelung auf sie keine Anwendung. Das bedeutet beispielsweise, dass eine Dividende in einen steuerfreien und steuerpflichtigen Teil aufzuteilen ist, wenn zu Beginn des Kalenderjahres eine Beteiligung von unter 10 Prozent bestanden hat und im Laufe des Jahres eine Beteiligung von über 10 Prozent hinzuerworben wird, die bis zum Ablauf des Kalenderjahres nicht veräußert wird. Während Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen voll steuerpflichtig sein sollen, dürfen Gewinnminderungen und Veräußerungsverluste grundsätzlich nicht abgezogen werden. Diese können nur mit steuerpflichtigen Gewinnen aus Streubesitzbeteiligungen ausgeglichen werden. Nicht ausgeglichene Gewinnminderungen werden jedoch vorgetragen. Der Vortrag eines negativen Saldos soll allerdings auch den Abzugsbeschränkungen bei Anteilseignerwechseln (§ 8c KStG) unterliegen. Für Zwecke des § 8b KStG wird also ein zusätzlicher Verlustverrechnungskreis geschaffen, der zur weiteren Verkomplizierung des Steuerrechts beitragen wird. Um zusätzliche nicht gewünschte Belastungen von Wagniskapitalgebern zu vermindern, soll ein neuer § 26a KStG eingeführt werden. Dieser sieht vor, dass unter näher bestimmten Voraussetzungen auf Antrag eine Steuerermäßigung für Veräußerungsgewinne aus Anteilen an beihilfefähigen Unternehmen im Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen vom 22. Januar 2014 (2014/C 19/04) gewährt wird. Die Steuerermäßigung beträgt 30 Prozent der Anschaffungskosten des veräußerten Anteils bzw. höchstens die ohne die Vergünstigung auf den Veräußerungsgewinn zu zahlende Körperschaftsteuer. Die Vergünstigung soll zeitlich begrenzt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2018 und letztmals für den Veranlagungszeitraum 2027 gelten. Die im Diskussionsentwurf vorgeschlagenen Neuregelungen des § 8b KStG sollen für alle Veräußerungsgewinne oder Gewinnminderungen, die nach dem 31.12.2017 in der Gewinnermittlung zu erfassen sind, gelten. Da es insoweit auf den Erwerbszeitpunkt nicht ankommen soll, sind auch Altanteile betroffen. Fazit Mit dem vorliegenden Diskussionsentwurf wird die von der Bundesregierung bereits in der Protokollerklärung zum Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 angekündigte ergebnisoffene Überprüfung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen aufgegriffen und zu Lasten der Steuerpflichtigen entschieden, obwohl bereits die seinerzeitige Einführung der Steuerpflicht von Streubesitzdividenden systematisch sehr zweifelhaft war. Die Erstellung des Referentenentwurfs ist für September 2015 vorgesehen. Ob das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abgeschlossen werden wird, erscheint jedoch schon allein deshalb als ungewiss, weil die ebenfalls im Diskussionsentwurf enthaltene grundlegende Neuregelung der Investmentbesteuerung noch zahlreiche Fragen aufwerfen dürfte. 2 Hot Topics Für weitere Fragen stehen Ihnen unsere Spezialisten zur Verfügung: Dr. Stephan Georg Behnes E-Mail: stephan.behnes@ bakermckenzie.com Dr. Dr. Norbert Mückl E-Mail: norbert.mueckl@ bakermckenzie.com Dr. Christian Port E-Mail: christian.port@ bakermckenzie.com Baker & McKenzie - Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern mbB Berlin Friedrichstraße 88 / Unter den Linden 10117 Berlin Tel.: +49 (0) 30 2 20 02 81 0 Fax: +49 (0) 30 2 20 02 81 199 Frankfurt/Main Bethmannstraße 50-54 60311 Frankfurt/Main Tel.: +49 (0) 69 2 99 08 0 Fax: +49 (0) 69 2 99 08 108 Düsseldorf Neuer Zollhof 2 40221 Düsseldorf Tel.: +49 (0) 211 3 11 16 0 Fax: +49 (0) 211 3 11 16 199 München Theatinerstraße 23 80333 München Tel.: +49 (0) 89 5 52 38 0 Fax: +49 (0) 89 5 52 38 199 www.bakermckenzie.com Get Connected: Dieses Mandantenrundschreiben dient ausschließlich der Information. 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