Hot Topics Öffentliches Wirtschaftsrecht Österreich Bundes-Energieeffizienzgesetz – können Kosten der Energielieferanten auf Kunden überwälzt werden? Allgemeines zum Regelungsinhalt Juli 2015 Das Bundes-Energieeffizienzgesetz trat am 1. Jänner 2015 in Kraft und normiert für Energielieferanten die Verpflichtung, „Endenergieeffizienzmaßnahmen bei sich selbst, bei ihren eigenen Endkunden oder bei anderen Energieverbrauchern“ zu setzen. Die nachzuweisenden Energieeffizienzmaßnahmen haben zumindest 0,6% der Energieabsätze an Endkunden in Österreich des jeweiligen Vorjahres zu entsprechen. Eine Quote von zumindest 40% der Energieeffizienzmaßnahmen ist bei privaten Haushalten nachzuweisen. Soweit Energielieferanten keine Effizienzmaßnahmen nachweisen können bzw. wollen, können sie ihre Pflicht zur Durchführung von Energieeffizienzmaßnahmen für das jeweilige Jahr auch durch Zahlung eines Ausgleichsbetrages erfüllen. Die Höhe des Ausgleichsbetrages beträgt bis zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung 20 Cent pro Kilowattstunde (kWh) und darf in weiterer Folge durch den Verordnungsgeber nicht unterschritten werden. Als Energieeffizienzmaßnahme gilt „jede Maßnahme, die ab 2014 in Österreich gesetzt wird und die in der Regel zu überprüfbaren und mess- oder schätzbaren Energieeffizienzverbesserungen führt. Sie muss den Richtlinien gemäß § 27 entsprechen und ihre Wirkung über das 2020 hinaus entfalten“. Aktueller Entwicklungsstand In der Praxis bestehen noch erhebliche Unklarheiten zur Anrechenbarkeit von Energieeffizienzmaßnahmen, zumal die für die Überwachung der Umsetzung zuständige Nationale Energieeffizienz-Monitoringstelle (NEEM) gerade erst aufgebaut wird. Jedenfalls werden Energieeffizienzmaßnahmen von verpflichteten Unternehmen bei sich selbst oder bei Dritten gesetzt bzw. initiiert werden können. Unsere Expertise Öffentliches Wirtschaftsrecht Eine wesentliche Unsicherheit ergibt sich auch aus der noch zu erlassenden Richtlinie zur Anrechenbarkeit von Energieeffizienzmaßnahmen (Methodendokument). Infolgedessen kann noch nicht im Detail beurteilt werden, inwieweit Energieeffizienzmaßnahmen in Zukunft angerechnet und wie sie bewertet werden. Trotzdem müssen bereits dieses Jahr anrechenbare Maßnahmen gesetzt werden, die bis Februar 2016 eingereicht werden müssen. In diesem Zusammenhang ist auch der Umstand von besonderer Bedeutung, dass die zu setzenden Energieeffizienzmaßnahmen in zahlreichen Fällen nicht bei den eigenen Kunden, sondern bei Dritten zu setzen sind. So müssen etwa 40% der Maßnahmen bei privaten Haushalten gesetzt bzw. initiiert werden, selbst wenn das Unternehmen gar keine Privathaushalte beliefert. Ohne Zukauf von Dienstleistungen zur Maßnahmensetzung lässt sich die Verpflichtung für viele Hot Topics Energielieferanten nur sehr schwer realisieren, wenn der direkte Kontakt mit diesem Kundensegment fehlt. Können Kosten überwälzt werden? Ob nun Energieeffizienzmaßnahmen selbst gesetzt bzw. bei Energiedienstleistern (über Ausschreibungen) in Auftrag gegeben werden, oder gleich ganz oder teilweise erhöhte Ausgleichszahlungen in Kauf genommen werden ist letztendlich eine betriebswirtschaftliche Entscheidung. Mit besonderem Interesse verfolgen Energielieferanten jedenfalls die Frage, ob bzw. inwieweit die mit der Setzung von Energieeffizienzmaßnahmen verbundenen Aufwendungen bzw. die zu zahlenden Ausgleichsbeträge an Kunden überwälzt werden können. Bei bestehenden Vertragsbeziehungen kann die Frage nach der Zulässigkeit einer einseitigen Überwälzung jedenfalls nicht allgemein beurteilt werden, sondern ist anhand jedes einzelnen Energieliefervertrages individuell zu prüfen. Die mit den Lieferantenverpflichtungen des Bundes-Energieeffizienzgesetz verbundenen Aufwendungen werden regelmäßig nur schwer auf Kunden überwälzbar sein, da diese Aufwendungen im Zuge der durchzuführenden Vertragsinterpretation selten als überwälzbare Steuern, Kosten oder Gebühren zu interpretieren sein werden. Sofern keine Energieeffizienzklausel vereinbart wurde, kommt eine einseitige Vertragsänderung nicht in Betracht. Demgegenüber wird bei Neuverträgen eine explizite Überwälzung dieser Aufwendungen rechtlich zulässig sein, wobei eine solche – sofern der Energielieferant sich nicht durch die Zahlung eines Ausgleichsbetrages entpflichtet – wiederum schwierige Anrechnungsfragen und Nachweisprobleme für die individuelle Vertragsbeziehung mit sich bringen wird. Letztendlich wird aber bei Neuverträgen der Markt entscheiden, ob die mit den zu setzenden Energieeffizienzmaßnahmen verbundenen Aufwendungen in Zukunft tatsächlich auf Kunden überwälzt werden können. Um die Überwälzung zu erreichen, werden in Zukunft vermehrt Energieeffizienzklauseln (in Verträgen und allgemeinen Geschäftsbedingungen) vereinbart. Hierbei stellt sich die Frage betreffend der Zulässigkeit solcher Vereinbarungen. Zum einem sind gröbliche Benachteiligungen zu vermeiden. So sind allfällige Erhöhungen berücksichtigende Klauseln problematisch, wenn sie nicht gleichzeitig auch Kostensenkungen im selben Umfang berücksichtigen würden. Die in dieser Form weitergereichten Beträge müssen außerdem mit den Aufwendungen in einem tatsächlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. In Anbetracht dessen wird eine Ausgleichszahlung, die für nicht gesetzte Maßnahmen im Bereich der privaten Haushalte entrichtet wird, nur schwer auf unternehmerisch tätige Kunden überwälzbar sein. Die Vertragsgestaltung wird daher in Zukunft sowohl für Rechtabteilungen als auch für Rechtsberater ein reichhaltiges Gestaltungsfeld bieten. Ausblick In der Praxis ist derzeit eine allgemeine Tendenz erkennbar, dass sich Energielieferanten aufgrund des mit der Umsetzung und Anrechnung von Effizienzmaßnahmen verbundenen administrativen Aufwandes gleich zur Entrichtung eines erhöhten Ausgleichsbetrages in der Höhe von derzeit 20 Cent pro kWh entschließen, obwohl diese Alternative – zumindest vordergründig betrachtet – die teuerste Lösung darstellt. 2 Hot Topics Betroffene Energielieferanten als auch deren Kunden sind im Ergebnis bereits heute angehalten, Verträge derart zu gestalten, dass in Zukunft zusätzliche Kosten gedeckt bzw. vermieden werden. Bestehende Verträge müssen dabei analysiert und bewertet werden, um geeignete Vertragsanpassungsmaßnahmen (Änderungskündigungen, Preisvereinbarungen, Neuabschlüsse usw.) frühzeitig zu ergreifen oder auch abzuwehren. Trotz zahlreicher offener Einzelfragen, die aktuell und zukünftig in der Praxis auf Energielieferanten und auch auf Energiekunden zukommen werden, empfiehlt es sich schon jetzt, dieses Thema aufmerksam zu verfolgen und sich mit der praktischen Umsetzung intensiv auseinanderzusetzen. Für weitere Fragen stehen Ihnen unsere Spezialisten zur Verfügung: Dr. Franz Josef Arztmann E-Mail: [email protected] Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG ist ein Mitglied von Baker & McKenzie International Wien Schottenring 25 1010 Wien Tel.: + 43 (0) 1 24 250 Fax: + 43 (0) 1 24 250 600 www.bakermckenzie.com Get Connected: Dieses Mandantenrundschreiben dient ausschließlich der Information. Sein Inhalt sollte daher nicht als Entscheidungsgrundlage im Einzelfall oder als Ersatz für einen einzelfallbezogenen Rechtsrat genutzt werden. Hierfür sollte stets der Rat eines qualifizierten Rechtsanwalts eingeholt werden. 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