Lösung - Juristische Fakultät

Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I
Wintersemester 2015/16
Fall 9: Duveneck – 22.12.2015
V hat eine Erbschaft gemacht, in der sich u. a. das in einen Prunkrahmen gefasste
Gemälde „Die Wildschützen“ aus dem 19. Jahrhundert befindet. V findet das Bild
scheußlich. Er möchte es daher zu einem möglichst hohen Preis veräußern.
Anlässlich einer Begutachtung teilt man ihm mit, es handle sich um ein Gemälde des
US-amerikanischen Malers Frank Duveneck. Als solches veräußert er es an den
Kunsthändler K für 6.000 €. K holt das Bild bei V ab. Als V später erfährt, dass es
sich bei dem verkauften Gemälde in Wirklichkeit um ein Bild des hochgehandelten
deutschen Realisten Wilhelm Leibl handelt, fordert er von K die Rückgabe des Bildes.
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Lösung (Grundfall)
A. Ansprüche des V
I. Anspruch V gegen K aus § 985 BGB
Möglicherweise hat V gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des
Bildes aus § 985 BGB. Das setzt voraus, dass V Eigentümer des Bildes
ist.1
1. Ursprünglich war V Eigentümer des Bildes.
2. In Betracht kommt jedoch ein Verlust an K durch Übertragung des
Eigentums gemäß § 929 S. 1 BGB. Die Voraussetzungen liegen
hier
vor.
V
und
K
haben
sich
konkludent
über
die
Eigentumsübertragung geeinigt. Außerdem hat V dem K das Bild
übergeben.
3. Zu prüfen ist, ob V seine dingliche Einigungserklärung durch
Anfechtung rück-wirkend vernichtet hat. Grundsätzlich ist die
Anfechtung einer Einigungserklärung möglich. Voraussetzung ist
jedoch, dass ein Anfechtungsgrund gegeben ist.
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Wiederum schließt sich eine Prüfung der Eigentumslage in Form des historischen Aufbaus
an.
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a. Irrtum i. S. d. § 119 II BGB
In
Betracht
kommt
hier
ein
Irrtum
des
V
über
eine
verkehrswesentliche Eigenschaft des Bildes, nämlich die
Urheberschaft.
b. Kausalität des Irrtums für Abgabe der Willenserklärung
Fraglich
ist
jedoch,
ob
der
Irrtum
kausal
für
die
Einigungserklärung des V geworden ist. Vorliegend wollte V das
Bild im Wege der Veräußerung loswerden. Insoweit kam es ihm
nicht darauf an, ob Leibl oder Duveneck der Maler der
„Wildschützen“ war. Die irrtümliche Annahme, es handle sich
um ein Gemälde von Duveneck und nicht von Leibl hatte für V
Bedeutung ausschließlich bei der Bestimmung des Preises im
Rahmen des Kaufvertrages. Somit bezieht sich der Irrtum des V
ausschließlich auf den Abschluss des Kaufvertrages. Es fehlt an
der Kausalität des Irrtums für die Abgabe der dinglichen
Einigungserklärung.
c. Ergebnis zu 3:
Mangels
Kausalität
Einigungserklärung des
des
Irrtums
V ermangelt
für
es
die
dingliche
an einem zur
Anfechtung der Einigungserklärung berechtigenden Irrtum. K ist
somit Eigentümer geblieben.
4. Zwischenergebnis: V ist nicht Eigentümer des Bildes.
5. Ergebnis: V hat gegen K daher keinen Anspruch aus § 985 BGB.
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II. Anspruch V gegen K aus § 812 I 1 1. Alt. BGB
Möglicherweise
kann
V
von
K
die
Rückübereignung
und
Wiedereinräumung des Besitzes an dem Bild aus § 812 I 1 1. Alt. BGB
(Leistungskondiktion) verlangen.
1. Zu prüfen ist zunächst, was K hier erlangt hat. Das Bild wurde
dem K übereignet. Daher hat K das Eigentum am Bild erlangt. Er
hat
darüber
hinaus
auch
den
Besitz
(tatsächliche
Herrschaftsmacht) am Bild erlangt.
2. Dies geschah durch Leistung des V, nämlich bewusste und
zweckgerichtete Mehrung des Vermögens des K.
3. Fraglich ist, ob V rechtsgrundlos bereichert wurde.
a. Vertrag
Laut Sachverhalt kam zwischen V und K ein Kaufvertrag gem. §
433 BGB zustande.
b. Anfechtung
Zu prüfen ist, ob der Vertrag aufgrund Anfechtung nichtig ist, §
142 I BGB.
(1)
Unzulässigkeit wegen Vorrangs der kaufrechtlichen
Gewährleistungsregeln?
Zwar handelt es sich bei der Urheberschaft des Gemäldes
vorliegend um eine vereinbarte Beschaffenheit. Dennoch
schließt die kaufrechtliche Sachmängelgewährleistung die
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Anfechtung
durch den
Verkäufer
V
hier
auch
nach
Gefahrübergang nicht aus, da dieser sich durch die
Anfechtung nicht seiner Gewährleistungspflichten entziehen
will. K hat hier gar kein Interesse, Gewährleistungsansprüche
geltend zu machen.
(2)
Unzulässigkeit wegen Vorrangs der Regelung in § 313
II BGB?
Eine Unzulässigkeit des Anfechtungsrechts des V im
Hinblick auf die möglicherweise vorrangig anwendbare
Spezialvorschrift des § 313 II BGB (beiderseitiger Irrtum)
kommt hier deshalb nicht in Betracht, weil sich aus dem
Sachverhalt kein Hinweis darauf entnehmen lässt, dass der
Kunsthändler K ebenfalls irrtümlich davon ausging, das
gekaufte Gemälde stamme von Duveneck.
(3)
Anfechtungsgrund
Wiederum kommt als Anfechtungsgrund § 119 II BGB in
Betracht. Er ist gegeben, wenn V sich beim Abschluss des
Kaufvertrages über eine Eigenschaft des Gemäldes geirrt
hat, die im Verkehr als wesentlich angesehen wird (sog.
Eigenschaftsirrtum). Vorliegend ging V irrtümlicherweise
davon aus, das Gemälde stamme von Duveneck. Damit hat
er sich über eine Eigenschaft des verkauften Gemäldes,
nämlich die Urheberschaft des Kunstwerks, geirrt. Diese Eigenschaft muss weiterhin die Voraussetzung der Verkehrswesentlichkeit erfüllen. Verkehrswesentlichkeit liegt vor, wenn
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die
betreffende
Eigenschaft
im
Allgemeinen
zu
den
wertbildenden Faktoren gezählt wird. Das ist bei der
Urheberschaft eines Gemäldes der Fall. Die Urheberschaft
eines Kunstwerks zählt zu den entscheidenden wertbildenden
Faktoren.
Dem
V
steht
damit
ein
Anfechtungsgrund zu.
Demgegenüber scheidet ein Irrtum über den Wert des
Gemäldes als Anfechtungsgrund aus. Der Wert einer Sache
ist Resultat der freien Preisbildung auf dem Markt. Hier hat
jede Partei selbst das Risiko zu tragen, sich hinsichtlich der
Wertschätzung eines Gegenstandes zu täuschen und
gegebenenfalls einen zu niedrigen Preis zu verlangen bzw.
einen zu hohen Preis zu bezahlen.
(4)
Anfechtungserklärung und -gegner
Die Anfechtung hat V durch das gegenüber seinem
Vertragspartner K geäußerte Rückgabeverlangen konkludent
erklärt (§ 143 I BGB).
(5)
Anfechtungsfrist
Mangels anderer Angaben im Sachverhalt ist von einer
fristgerechten Anfechtung auszugehen (§ 121 I BGB).
c. Zwischenergebnis
Die Anfechtung des auf den Abschluss des Kaufvertrages
gerichteten Willenserklärung des V vernichtet diesen mit ex-tunc
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Wirkung (§ 142 I BGB). Es fehlt damit am Vorliegen eines
rechtlichen Grundes i.S.d. § 812 I 1 1 Alt. BGB.
4. Ergebnis
V kann von K die Herausgabe des Erlangten aus § 812 I 1 1. Alt
BGB verlangen. Der Anspruch ist gerichtet auf Verschaffung des
Eigentums und Wiedereinräumung des Besitzes an dem Gemälde.
B. Anspruch K gegen V aus § 812 I 1 1. Alt. BGB
K kann von V den für das Bild bezahlten Kaufpreis in Höhe von 6.000
EUR aus § 812 I 1 1. Alt. BGB herausverlangen. Er wurde ohne
rechtlichen Grund (vgl. oben) geleistet.
[C. Ansprüche gegen den Gutachter
Zu denken ist an einen Anspruch des V gegen den Gutachter auf Ersatz
seines Haftungsschadens (er muss K den Vertrauensschaden ersetzen)
aus schuldhafter Vertragsverletzung, falls er den Gutachtenauftrag erteilt
hat. Mangels näherer Angaben im Sachverhalt – die Person des
Gutachters wird nicht einmal erwähnt – sind sie trotz der offenen
Formulierung der Fallfrage nicht Gegenstand der Prüfung.]
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