RAUM FÜR MENSCH UND NATUR – DIE LANDSCHAFTSINITIATIVE FRAGEN UND ANTWORTEN Bedeutet die Landschaftsinitiative, dass nicht mehr gebaut werden darf? Eine Stabilisierung der totalen Bauzonenfläche während zwanzig Jahren bedeutet in keiner Weise einen Stillstand der Bauwirtschaft: Von den 220'000 ha Bauland sind in der Schweiz 27% (60'000 ha) noch nicht überbaut (BFS, Arealstatistik, 1992/97). Diese enormen Bauzonenreserven könnten Platz für rund 2.5 Mio. weitere EinwohnerInnen bieten. Die noch nicht überbauten Bauzonen liegen aber oft an ungünstigen Lagen. Nach Annahme der Landschaftsinitiative könnten diese Flächen in geeignetere Gebiete transferiert werden. Das überbaute Gebiet könnte auf diese Weise um mehr als einen Drittel vergrössert werden, ohne dass die totale Fläche an Bauland vergrössert werden muss. Zusätzlich werden bei Annahme der Initiative wichtige Anreize zur Siedlungsentwicklung nach innen geschaffen. In den wenig dicht besiedelten Vorstädten und auf den 17 Mio. m2 ungenutzten Gewerbe- und Industriearealen kann neuer Wohn- und Arbeitsraum geschaffen werden. Dies bedeutet neue Aufträge für die Bauindustrie in Form von Renovationen, Sanierungen, Umnutzungen und Ausbauten. Was geschieht nach Ablauf der zwanzig Jahre? Es ist nicht Sinn und Zweck der Initiative, dass nach Ablauf der Frist überall wieder beliebig Bauland eingezont wird. Vielmehr sollen in den zwanzig Jahren wirkungsvolle Instrumente für eine haushälterische Bodennutzung entwickelt, erprobt und eingeführt werden. Führt die Begrenzung der Bauzonen nicht zu höheren Baulandpreisen und Wohnkosten? Die Begrenzung der Bauzonen würde zwar zu leicht höheren Baulandpreisen führen. (Untersuchung von Infras 2006: Bodenpreise durchschnittlich + 11%). Höhere Baulandpreise sind jedoch nicht nur negativ. Sie schaffen Anreize zu höheren Ausnutzungsziffern und verdichtetem Bauen und wirken somit der unerwünschten Zersiedelung entgegen. Den Baulandpreisen stehen ausserdem beträchtliche Kosteneinsparungen in anderen Bereichen gegenüber. Durch eine dichtere Bauweise werden Infrastruktur- und Transportkosten eingespart. Mit einer haushälterischen Bebauung könnten in der Schweiz Jahr für Jahr erhebliche Kosten eingespart werden. Die Annahme, dass die Landschaftsinitiative automatisch höhere Wohnkosten nach sich zieht, ist deshalb falsch. Raum für Mensch und Natur- Die Landschaftsinitiative. Fragen und Antworten. 1 Ist die Landschaftsinitiative zum Vor- oder Nachteil der Bauernbetriebe? Die klare Trennung zwischen Bau- und Nichtbaugebiet, wie sie die Landschaftsinitiative fordert, trägt zum Schutz der naturnahen Landwirtschaft bei. Einerseits werden wertvolle Ackerund Weideflächen vor Überbauung geschützt. Andererseits werden die Bodenpreise in der Landwirtschaftszone so tief gehalten, dass sich Bauernbetriebe Landkäufe leisten können. Bauten, welche der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung dienen, dürfen auch nach Annahme der Landschaftsinitiative in der Landwirtschaftszone gebaut werden. Ist nicht hauptsächlich das Bevölkerungswachstum an der Zersiedelung Schuld? Die Zunahme des Siedlungsflächenbedarfs pro Kopf ist viel grösser als das Bevölkerungswachstum. Während die Bevölkerung in der Zeitspanne von 1965 bis heute um 28% zunahm, nahm die in Anspruch genommene Siedlungsfläche in der gleichen Periode um 70% zu. Die Frage, wie der Raum genutzt wird – haushälterisch, wie es die Verfassung eigentlich vorschreibt, oder verschwenderisch, wie es die Realität ist – ist erwiesenermassen wichtiger als die Frage, von wie vielen Personen er genutzt wird. Die Zersiedelung der Schweiz ist in erster Linie auf den gestiegenen Siedlungsflächenverbrauch pro Kopf (Gebäudeareal, Industrieareal, Verkehrsflächen) und die zu wenig griffige Raumplanung zurückzuführen und nur in zweiter Linie auf das Bevölkerungswachstum. Besteht nicht die Gefahr, dass es vor dem Inkrafttreten der Landschaftsinitiative zu „Hamster-Einzonungen“ kommt? Es könnte sein, dass Gemeinden vor der Abstimmung noch schnell versuchen, neues Bauland einzuzonen. Die Landschaftsinitiative könnte dies nicht verhindern, denn es ist nicht erlaubt, eine zeitliche Rückwirkung in eine Initiative einzubauen. Eine Initiative kann erst ab dem Tag der Annahme wirksam werden. Da Einzonungen von neuem Bauland allerdings von den Kantonen genehmigt werden müssen, und ein Bedarf ausgewiesen werden muss, rechnen wir nicht mit einer grossen Zunahme der ohnehin schon zu grossen Bauzonen. Führt die Annahme der Landschaftsinitiative zur Abnahme der Bautätigkeit und somit zu einer Abschwächung der wirtschaftlichen Konjunktur? Die Landschaftsinitiative verlangt keine Beschränkung der Bautätigkeit, sondern eine Plafonierung der Gesamtbauzonenfläche. Die zurzeit 60'000 Hektaren an unbebauter Bauzonenfläche ermöglichen weiterhin eine massvolle Bautätigkeit. Diese Fläche könnte Wohnraum für zusätzliche 2.5 Mio Einwohner bieten (Bundesamt für Raumentwicklung). Die Landschaftsinitiative ist sich bewusst, dass die Bautätigkeit einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung in unserem Land leistet. Knapp zehn Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) werden durch die Baubruttoinvestitionen beigesteuert. Ca. 50% des Gesamtbauvolumens entfielen im Jahre 2006 auf neu entstandene Hochbauten. Das Hauptziel der Landschaftsinitiative ist es nicht, die Bautätigkeit zu verringern, sondern, das Bauen an sinnvolleren Standorten und in raumsparender Art und Weise zu fördern. So soll die die Förderung der Siedlungsentwicklung gegen innen, wie sie von der Landschaftsinitiative gefordert wird, zu einer Vergrösserung des Anteils der Umbautätigkeit gegenüber Raum für Mensch und Natur- Die Landschaftsinitiative. Fragen und Antworten. 2 der Neubautätigkeit führen und Bauvorhaben bevorzugen, welche die beschränkten Flächen optimal nutzen. Neubauten sollen, wenn immer möglich innerhalb der bereits bestehenden Siedlungsflächen entstehen, was meist auch tiefere Erschliessungskosten mit sich bringt und so zur Entlastung der öffentlichen Hand beiträgt. Analog zu anderen Wirtschaftszweigen unseres Landes, muss das Ziel auch für das Baugewerbe eine qualitativ hochstehend Produktion sein, die sorgfältig mit dem beschränkten Raum in unserem Land umgeht und neue, kreative Ideen im Umgang mit der endlichen Ressource Boden entwickelt. Die Landschaftsinitiative ist der Meinung, dass die geforderte restriktivere Raumplanung in der Baubranche einen Innovationsschub in neuen Bautechnologien und -verfahren auslösen und so weitere Wertschöpfung generieren kann Kommt die Landschaftsinitiative nicht sowieso zu spät? Die Landschaftsinitiative ist sich bewusst, dass die Schweiz ein dicht besiedeltes Land mit einem bereits hohen Zersiedlungsgrad ist. Die Schweiz in eine Naturlandschaft zurück zu verwandeln ist weder möglich noch gewünscht. Die Landschaftsinitiative ist aber überzeugt, dass mit dem in der Initiative geforderten Paradigmenwechsel in der Raumplanung und einem Umdenken bei den raumrelevanten Akteuren die bestehende unbebaute Landschaft mit ihren immer noch zahlreichen Naturschönheiten für spätere Generationen erhalten werden kann. Lieber spät als nie, muss eine wirksame Raumplanung dafür sorgen, dass nicht weiterhin jedes Jahr die Fläche von der Grösse des Brienzersees zusätzlich verbaut wird. Wie funktioniert die Umlagerung von Bauzonen, wer ist dafür zuständig Die genaue Ausgestaltung des Prinzips der Umlagerung von Bauzonen muss noch erarbeitet werden. Als Vorbild dient das System, welches für den Wald seit über hundert Jahren im Gesetz verankert ist. Dort wird verlangt, dass für jedes Stück Wald, das gerodet wird, an einem anderen Ort die gleiche Fläche an Wald aufgeforstet werden muss. Die Landschaftsinitiative strebt für den Bereich der Raumplanung ein ähnliches System an: Soll irgendwo ein Stück Land als Bauzone eingezont werden, muss an einem anderen Ort dieselbe Fläche ausgezont (zurückgezont) werden. Die konkreten Instrumente für den Abtausch oder die Verlagerung von Bauzonen und gegen die Baulandhortung soll der Gesetzgeber unter Berücksichtigung bestehender Erfahrungen in den Kantonen schaffen. In Frage kommen etwa eine Planungsmehrwert-Abschöpfung zur Finanzierung von Auszonungen, eine Befristung von Bauzonen, die Einrichtung eines Auszonungs-Entschädigungs-Fonds, kantonale Finanzausgleichsinstrumente oder auch marktwirtschaftliche Mechanismen wie handelbare Flächennutzungszertifikate. Ziel ist es, ein praktikables System zu finden, das nicht nur innerhalb der gleichen Gemeinde sondern über Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg gesamtschweizerisch funktioniert und zu einem haushälterischen Umgang mit der Ressource Boden führt. Raum für Mensch und Natur- Die Landschaftsinitiative. Fragen und Antworten. 3
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