K 5158 September/Oktober 2015 RaumPlanung Fachzeitschrift für räumliche Planung und Forschung Städtische Zukünfte Weitere Themen: Schafft Mehrwert: Grün + Blau 181 / 5-2015 Städtische Zukünfte Rubriken Schwerpunkt 6 Peter Ache, Brigitte Adam, Susanne Bieker: Städtische Zukünfte 8 Fabian Dosch, Stephanie Haury, Juliane Wagner: Wege zur Grünen Stadt 14 Brigitte Adam, Lars Wiesemann: Lebenswerte und umweltgerechte Ballungsräume 20 Stephan Günthner, Peter Jakubowski, Eva Schweitzer: Stadtzukünfte & Digitalisierung 26 Lars Porsche: Die Zukunft von Kleinstädten gestalten 34 Julian Petrin: Aufwachen, die Zukunft ist schon da 40 Jörg Knieling, Nancy Kretschmann: Leitbild Klimagerechte Stadt: Nachhaltige Stadt reloaded? 46 Daniel Bläser, Henning Fort: Landkarte der Energiewende Ruhr 4 RaumPlanung 181 / 5-2015 52 Susanne Bieker: Infrastruktursysteme für schnell wachsende Städte 3 Editorial 64 Notizen 67 Campus Frankfurt University of Weitere Themen Applied Sciences: 58 Michael Becker, Jochen Stemplewski, Studieren für die Städte Ralf Schumacher: der Zukunft Herausforderungen der Daseins69 Rezensionen vorsorge 70 IfR Intern 75 Kalender 76 Impressum 8 20 34 Hinweis: Aus Gründen der Lesegewohnheit und der sprachlichen Vereinfachung wird bei Personen die männliche Substantivform verwendet, wenn keine geschlechtsneutrale Formulierung möglich ist. Gemeint sind immer beide Geschlechter. RaumPlanung 181 / 5-2015 5 Städtische Zukünfte D ie „Stadt der Zukunft‘ erfährt gegenwärtig politischen Aufwind. Wir haben eine Nationale Plattform Zukunftsstadt, die getragen wird durch eine interessante Koalition von den Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), für Wirtschaft und Energie (BMWi) und für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Das Wissenschaftsjahr 2015 läuft unter dem Titel ‚Zukunftsstadt’. International ist das Thema ebenso präsent, wie die aus 2014 stammende UN Studie ‚better growth – better climate‘ zeigt, in der Städte als Leistungszentren einer zukünftigen grünen Ökonomie gesehen werden. Zwei Jahre zuvor schrieb Edward Glaeser vom ‚Triumph der Städte‘ mit dem Untertitel ‚wie uns unsere größte Erfindung reicher, intelligenter, grüner, gesünder und glücklicher macht‘. In der öffentlichen Diskussion, gleich ob akademisch, politisch oder auch zivilgesellschaftlich, wird die Stadt als der zentrale Ort der Zukunftsgestaltung gesehen. Die Begründungen bleiben häufig abstrakt oder werden gar nicht angeführt, womit sich auch kritische Stimmen regen. Zunächst sind die Begrifflichkeiten in der Diskussion zu prüfen. Wir sprechen von Stadt, gleichzeitig aber auch von dem Urbanen; analytisch und inhaltlich auseinander zu haltende Aspekte. Viele der Diskussionen gehen beinahe automatisch dazu über, zukünftige Städte eher als Metropolenräume zu definieren. Die Zukunft sind dann funktional eng verknüpfte Agglomerationsräume, die keineswegs mehr dem Bild der klassischen europäischen Stadt entsprechen. Parallel zu den positiven und bestätigenden Darstellungen der Kapazitäten zukünftiger Städte oder Metropolenräume gibt es einen Strang der Diskussion, der die Basis dieser Entwicklungen kritisch reflektiert. Insbesondere die anglo-amerikanische Literatur (z.B. David Harvey oder auch Neil Brenner) erinnert an die grundlegenden Mechanismen unseres städtischen Wachstumsmodelles: vor allem das kapitalistische Wirtschaftssystem ist abhängig von der intensiven Urba- 6 RaumPlanung 181 / 5-2015 nisierung, insbesondere hinsichtlich des Einsatzes neuer Technologien; nur die urbane Kommunikationsgesellschaft ermöglicht neue Wellen der Konsumtion, auf denen Wachstum basiert. In diesem Szenario ist die Stadt eine ‚Maschine’, eine neue Variante der durch Technologieunternehmen geschaffenen ‚company towns‘, in denen der Mensch vor allem als Konsument auftritt. Gleichzeitig aber sind die Stadtbewohner Produzenten der ‚big data‘, die die neuen Geschäftsmodelle erst möglich machen. Angesichts solcher Entwicklungen ist dann die Frage zu stellen, wie es um das ‚Recht auf Stadt‘ in der Zukunft stehen wird? Diese von Lefèbvre aufgestellte These verweist auf eine grundlegendere Perspektive. Stadt als wahrgenommener, geplanter und belebter Raum beinhaltet vor allem das Recht auf die utopischen Versprechen des Städtischen und auf den kreativen Mehrwert, den das urbane Miteinander schafft. Das Recht auf Stadt ist ein Recht auf das unbekannte Neue, das die urbanen Gesellschaften teils harmonisch, teils konflikthaft entwerfen. Nur hierdurch wird es möglich sein, einer Idee wieder nahe zu kommen, die bereits in den 60er Jahren durch Jean Gottman entwickelt wurde. Gottman sprach von der ‚megalopolis’, sein Begriff für die großen Agglomerationsräume der Zukunft. Die ‚megalopolis’ war vor allem ein Ort der ‚Ideen’, in seinen Worten der Hort eines ‚ungezügelten Prometheus’. Damit stellt sich insbesondere die Frage, welches Potential unsere urbane Gesellschaft hat, um Ideen für eine tragfähige Zukunft zu schaffen? In dem vorliegenden Schwerpunkt der RaumPlanung kommen Beiträge zusammen, die einige der vielfältigen Perspektiven zur Zukunft der Stadt auffächern. Ein erster Block von Beiträgen stammt von KollegInnen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Das BBSR arbeitet an Themen, die konzeptionell und explizit mittel- bis langfristig ausgerichtet sind: Lars Porsche wid- Facheditorial Der Beitrag von Julian Petrin erweitert den Begriff der ‚smart’ness’ der Städte. Mit einem ‚Stresstest’ und der Suche nach disruptivem Denken plädiert er für den Aufbau eins „prospektiven Apparates“ in Städten. Petrin fordert eine neue Planungskultur, die es erlauben würde, räumliche Paradigmenwechsel nicht nur zu denken sondern auch zu entwerfen. Der Beitrag von Knieling und Kretschmann untersucht, inwiefern die Diskussion einer ‚klimagerechten’ Stadt mit denen der ‚nachhaltigen’ Stadt vereinbar sind. Gibt es Synergien oder Konflikte zwischen diesen Leitbildern? Das Resultat: Es kommt keineswegs zu einer Ablösung der Nachhaltigkeit durch die Klimagerechte Stadt, da letztere deutlich enger und problemorientiert auf die Fragen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung ausgerichtet ist. In Teilbereichen ist ein „Reloading“ des Leitbilds der Nachhaltigkeit festzustellen. Die Nachhaltige Stadt bleibt weiterhin das übergreifende Leitbild der Stadt- und Raumentwicklung. Daniel Bläser und Henning Fort entwerfen eine Landkarte der Energiewende, die ein möglichst umfassendes Bild des Transformationsprozesses der Energiewende im Ruhrgebiet anstrebt. Der gesellschaftliche Diskurs soll so unterstützt werden, um zu einem erfolgreichen Prozessabschluss beizutragen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass top-down- und bottom-up-Prozesse sich zu vielfältigen Governance-Formationen verschränken und gemeinsam auf ein Ziel hinwirken. Die interaktive Karte erfüllt hierbei den Zweck, die Vielfalt der Transformationsaktivitäten auf integrierte Weise darzustellen, um so unterschiedliche Pfade zusammenzuführen. Susanne Bieker schließlich betrachtet die Stadtentwicklung im globalen Maßstab. Welche Strategien sind angemessen, wenn die städtische Bevölkerung wie im Falle von Shanghai jährlich um eine halbe Million Einwohner wächst? Bevölkerungswachstum und Urbanisierung konfrontieren Raumplanung und Infrastrukturplanung mit enormen Ressourcen- und Energiebedarf. Bieker stellt einen Infrastrukturansatz vor, der für diese Herausforderungen schnell wachsender urbaner Räume entwickelt wurde und eine integrierte Lösung bietet zur Steigerung der Ressourceneffizienz sowie zur flexiblen und bedarfsgerechten Bereitstellung von Wasserinfrastrukturen. © Ilja Hendel, Wissenschaft im Dialog met sich einem in der Stadtforschung immer noch im Schatten stehenden Thema, wenn er sich mit den Zukunftsperspektiven kleiner Städte in peripheren Räumen beschäftigt. Fabian Dosch, Stephanie Haury und Juliane Wagner rollen den Planungsauftrag „Grün in der Stadt“ neu auf. An „Grün in der Stadt“ wird nicht nur deutlich, dass langer Atem gefragt ist, sondern auch, dass Zukunftsthemen abhängig sind von - mitunter wellenförmig widerkehrenden - Spitzen des Handlungsbedarfs und der Herausforderungen. So rückt der Ruf nach einer stärkeren Begrünung der Städte heute angesichts der Debatte um den Klimawandel erneut in den Blickpunkt. Deutlich zu unterscheiden sind dabei gegenwärtig und in Zukunft die praktischen Möglichkeiten und Ansatzpunkte wachsender und schrumpfender Städte. Brigitte Adam und Lars Wiesemann greifen „Grün in der Stadt“ als eine Komponente auf, wenn sie ihre Vision lebenswerter und umweltgerechter Ballungsräume entwerfen. Diese ist freilich umfassender: Es geht um die Qualifizierung der Siedlungsstruktur in toto von der Stadtregion bis auf die Quartiersebene. Soziale Fragen sind unweigerlich eingeschlossen. In einem Heft zur Zukunft der Städte ist ein Beitrag zu Digitalisierung und Smart Cities obligatorisch. Stephan Günthner, Peter Jakubowski und Eva Schweitzer zeigen Beispiele dazu auf und deuten an, dass übertriebene Hoffnungen einer besseren Planung und Stadtentwicklung durch diese neue Medialität überzogen sein könnten. Peter Ache, 1960, IfR, Professor für Planologie, Radboud Universität in Nijmegen, Mitarbeit in verschiedenen Projekten des ESPON Programmes, Redaktion RaumPlanung Brigitte Adam, 1961, IfR, Dr., Dipl.-Ing. (Raumplanung), Referat Stadtentwicklung, BBSR Bonn, Redaktion RaumPlanung Susanne Bieker, 1976, IfR, Dr.-Ing., Leitung des Forschungsschwerpunktes SEMIZENTRAL, Infrastrukturentwicklung unter sich verändernden Rahmenbedingungen, Institut IWAR, Technische Universität Darmstadt Redaktion RaumPlanung RaumPlanung 181 / 5-2015 7
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