K 5158 Mai/Juni 2015 RaumPlanung Fachzeitschrift für räumliche Planung und Forschung Genossenschaftliches Wohnen und Stadtentwicklung Weitere Themen: Die jungen Alten als Bewohner der Inneren Stadt? Machbarkeitsstudie Klimaanpassung Innenstadt Bottrop Digitale Medien als Zukunftspotenzial des stationären Einzelhandels 179 / 3-2015 Genossenschaftliches Wohnen und Stadtentwicklung Schwerpunkt 8 Lynn Schelisch, Maximilian Vollmer: Gründungsklima für Wohnungsgenossenschaften 14 Carsten Praum: Genossenschaftlich organisierte Baugemeinschaften 20 Yvonne Kuhnke: Nachbarschaftliche Hilfen 27 Joscha Metzger: Genossenschaften als Alternative zur Gentrifizierung? 33 Sabine Horlitz: Community Land Trusts in den USA 39 Ernst Gruber: Nutzen statt Besitzen 47 Monika Kegel: Die Wohnungsgenossenschaften in Deutschland 4 RaumPlanung 179 / 3-2015 Weitere Themen 50 Uta Hohn, Anne Rabe: Die jungen Alten als Bewohner der Inneren Stadt? 55 Stefan Beckmann, Michael Happe, Georg Ludes: Machbarkeitsstudie Klimaanpassung Innenstadt Bottrop 61 Martina Stepper: Digitale Medien als Zukunftspotenzial des stationären Einzelhandels Rubriken 3 Editorial 67 Notizen 70 Campus Gemeinschaftliche Wohnformen im Wandel: Die Beginenhöfe in Nordrhein-Westfalen 74 Rezensionen 75 IfR Intern 77 Kalender 78 Impressum 14 27 39 Hinweis: Aus Gründen der Lesegewohnheit und der sprachlichen Vereinfachung wird bei Personen die männliche Substantivform verwendet, wenn keine geschlechtsneutrale Formulierung möglich ist. Gemeint sind immer beide Geschlechter. RaumPlanung 179 / 3-2015 5 Genossenschaftliches Wohnen und Stadtentwicklung D as Modell der Wohnungsgenossenschaft ist ursprünglich in Deutschland entstanden und hat sich nach langer Tradition auch in Zeiten von Wohnungsnot, demografischem Wandel, nachhaltigem Bauen und Wohnen etc. bewährt. Wohnungsgenossenschaften sind als wichtiger Akteur der Stadtentwicklung weithin anerkannt, stehen für innovative Wohnformen und sind Impulsgeber für die Stadtentwicklung. Um eine fachlich differenzierte Auseinandersetzung mit dieser Wohnform in der Stadtentwicklungsdiskussion zu führen, steht im Schwerpunktheft 3-2015 das „Genossenschaftliche Wohnen im Kontext der Stadtentwicklung“ im Mittelpunkt. Vor allem die aktuellen Herausforderungen, dass das Wohnen in Städten immer teurer wird und der Anteil der Älteren auf dem Wohnungsmarkt – und damit auch die Altersarmut – zunimmt, rücken in den Vordergrund. Wohnungsgenossenschaften bieten in ihrer Rechtsform „zwischen Eigentum und Miete“ eine Reihe von Vorteilen, etwa relativ stabile Mieten und Sicherheit vor „feindlichen Übernahmen“ oder eigene Einflussmöglichkeit als Mitglied, was in Anbetracht des angespannten Wohnungsmarkts und steigender Miet- und Eigentumspreise an Bedeutung gewinnt. Denn weite Bevölkerungskreise können insbesondere in Wachstumsregionen die Mieten langfristig kaum noch bezahlen. Durch immer größere Unterschiede in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen spaltet sich die Gesellschaft in Deutschland zunehmend in Arm und Reich. Gemeinschaftliches Eigentum in der Form von Genossenschaften oder ähnlich strukturierten Organisationsformen kann vor allem für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen eine Möglichkeit sein, sich im Bereich Wohnen abzusichern. Wenngleich sich Wohnungsgenossenschaften zunächst wie andere erwerbswirtschaftliche Unternehmen am Markt behaupten müssen, besteht ihr vorrangiges Ziel jedoch nicht darin, Gewinn zu erzielen, sondern ihre Mitglie- 6 RaumPlanung 179 / 3-2015 der als Eigentümer der Genossenschaft zu fördern. Eine Reihe bundespolitischer Programme, Empfehlungen der Expertenkommission Wohnungsgenossenschaften im Auftrag der Bundesregierung und verschiedene Forschungs- und Modellprojekte haben in den letzten Jahren die Bedeutung der Genossenschaften unterstrichen. Doch gibt es nach wie vor weitergehenden Forschungs- und Handlungsbedarf. Denn bezogen auf den Gesamtwohnungsbestand in Deutschland bieten die Genossenschaften nur etwas über 5 % der Wohnungen an, womit es aber immerhin 2,2 Mio. Wohneinheiten in genossenschaftlicher Organisation gibt und rund 5 Mio. Menschen ein sicheres und bezahlbares Zuhause geboten wird. Innerhalb der Gruppe der professionell-gewerblichen Anbieter liegen die Wohnungsgenossenschaften mit einem Wohnungsanteil von immerhin 26 % zwar nur knapp hinter den kommunalen Wohnungsunternehmen (28 %), aber noch weit hinter der Gruppe der privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Wohnungsanbietern (39 %). Diese Machtverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt deuten darauf hin, dass Wohnungsgenossenschaften noch „viel Luft nach oben“ haben und aus sozialer Sicht verstärkte Bemühungen zur Förderung des gemeinschaftlichen Wohnens wünschenswert wären. Ihr Beitrag für eine qualitätsvolle und bezahlbare Wohnungsversorgung ist für eine nachhaltige Stadtentwicklung nicht zu unterschätzen. Allerdings müssen sich auch Genossenschaften stellenweise mit dem Vorwurf auseinandersetzen, mit Modernisierung und Aufwertung zur Gentrifizierung von Stadtteilen beizutragen und dadurch das Mietniveau nach oben zu treiben. Die Beiträge im vorliegenden Heft, greifen eine Reihe von zukunftsorientierten Fragestellungen im Kontext von Wohnungsgenossenschaften und Stadtentwicklung auf. So berichten Lynn Schelisch und Maximilian Vollmer von der TU Kaiserslautern über die Hemmnisse und Unterstützungsmöglichkeiten bei der Gründung von Wohnungsgenossenschaften. Im Rahmen einer Studie wurden unterschiedliche Facheditorial Gründungsprozesse in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz untersucht. Die größte Hürde besteht in der Finanzierung. Hier sind u. a. die Bundesländer angesprochen, zu beraten und Gründungsprozesse wirtschaftlich abzusichern. Baugemeinschaften sind üblicherweise privatwirtschaftlich organisiert. Im Windschatten des Mainstream gibt es aber auch gemeinwirtschaftlich organisierte Baugemeinschaften in der Rechtsform der Genossenschaft. Carsten Praum, STATTBAU in Berlin, berichtet vor dem Hintergrund der wohnpolitischen Situation in Berlin über das Projekt Spreefeld Berlin eG; vier bis zu sieben Geschosse hohe Wohnbauten mit 60 Wohneinheiten stehen auf einem Wassergrundstück unmittelbar vor dem Deutschen Architekturzentrum. Bei genossenschaftlich organisierten Mehrgenerationenprojekten kommt zu dem gemeinwirtschaftlichen Aspekt die nachbarschaftliche Hilfe hinzu. Yvonne Kuhnke von der TU München thematisiert die hohen Erwartungen an Mehrgenerationenprojekte; in der Realität gehen die gegenseitigen Leistungen dann allerdings selten über unregelmäßige Handreichungen hinaus und klammern die dauerhafte Pflege meist aus. An einem Beispiel in Dortmund-Hangeney wird das Miteinander empirisch untersucht. Zur Abrundung des Themenschwerpunkts gibt Monika Kegel, Referentin für Genossenschaftsrecht und Genossenschaftswesen beim GdW - Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Einschätzungen und Daten zur Bedeutung der rund 1.900 im Verband vertretenen Wohnungsgenossenschaften. In jüngster Zeit haben diese wieder mehr in den Neubau investiert und zielen dabei teils auch auf die Nutzergruppen oberhalb der sozialen Wohnraumversorgung. Obwohl dieser Trend einerseits positiv zu bewerten ist, um die Bestände zu durchmischen und für unterschiedliche – auch einkommensstärkere – Teilgruppen ihrer Mitglieder Angebote vorzuhalten, kann dies im Einzelfall auch zu umstrittenen Entwicklungen führen. Dieses Spannungsverhältnis thematisieren mehrere der vorliegenden Beiträge, und es wird für die zukünftige wohnungspolitische Rolle der Genossenschaften sicherlich von erheblicher Bedeutung sein, ob es ihnen gelingt, hierfür eine aus sozialer Sicht überzeugende Strategie zu finden. Kostensteigerungen bei der Miete durch die laufende Erneuerung des Bestandes und sonstige rechtliche Änderungen führen oftmals zur Verdrängung der ansässigen Bevölkerung, sobald sie finanziell nicht mehr mithalten kann. Die Rollen von Genossenschaften bei der Gentrifizierung als stabilisierendes Element oder auch als potentiell nachholender Gentrifizierer betrachtet Joscha Metzger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hamburg, am Beispiel von Hamburger Wohnanlagen. Einen Blick über den nationalen Tellerrand bieten die Beiträge über die Community Land Trusts in den USA und die Genossenschaftsdebatte in Österreich. Sabine Horlitz, TU Berlin, gibt einen Überblick über die Geschichte, die Zielsetzungen und die Funktionsweise des US-amerikanischen Modells kollektiven Eigentums. Das – ebenso wie ursprünglich auch die Genossenschaften – aus den ländlichen Räumen übernommene Konzept kam in den letzten Jahrzehnten vermehrt auch bei städtischen Aufwertungsprozessen zur Anwendung. Durch die bekannte eigentumsrechtliche Trennung von Grundstück und Gebäude sowie weitere sozialpolitische Rahmensetzungen soll kostengünstiger Wohnraum gesichert werden. Auch in Österreich gewinnen alternative Aneignungs- und Verteilungsformen von Boden, Stadt- und Wohnraum an gesellschaftlicher Bedeutung. Vor diesem Hintergrund entstehen Baugruppen als kooperative Eigentums- und Wohnformen. Ernst Gruber (Wien) bezieht diese auf die aktuelle Genossenschaftsdebatte und diskutiert mit dem Wohnheim und der Kleingenossenschaft unterschiedliche Formen gemeinschaftlichen Wohnens. Heidi Sinning, 1965, IfR, Prof. Dr.-Ing., Fakultät Architektur und Stadtplanung, Leiterin Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation (ISP), Fachhochschule Erfurt, Redaktion Raumplanung Ronald Kunze, 1950, Dr.-Ing., Vorstand IfR, Assessor für Städtebau, Fachautor und Planer, Redaktion RaumPlanung RaumPlanung 179 / 3-2015 7
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