Bildverarbeitungssysteme SIMATIC MV: Integration eines Bildverarbeitungssystems – Mögliche Lösungswege und die damit verbundenen Risiken Bei der Auswahl von industriellen Bildverarbeitungssystemen spielen heutzutage neben Sensoren, Objektiven, Beleuchtung und Algorithmen auch die Kommunikations- bzw. Integrationsmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Dieser Artikel widmet sich den möglichen Chancen und Risiken. Aller Anfang ist schwer Heutzutage gibt es neben unzähligen Bildverarbeitungsherstellern und Lösungsmöglichkeiten für eine Anwendung auch eine Vielzahl von Steuerungssystemen und Kommunikationsarten. Durch diese Kombinationsvielfalt wird man gezwungen, sich einige Gedanken über die Einbindung des Bildverarbeitungssystems (BV-System) in den Prozess der Anlage zu machen. Nachdem man sich bei der Planung bzw. Angebotserstellung schon überlegt hat, welche Bildverarbeitung für die Lösung benötigt wird, und wenn man schon eine ungefähre Vorstellung davon hat, welche Ergebnisse / Daten man ausgeben möchte, stellt sich die entscheidende Frage: "Wie binde ich das BV-System in den Prozess ein?" Einsatzgebiete und typische Daten Im Vordergrund der Betrachtung steht erst mal der Prozess der Anlage. Denn mit der Aufgabe ändern sich auch die Anforderungen an die Kommunikation. In der nachfolgenden Tabelle sind einige typische Aufgaben und beispielhafte E/A-Daten für ein BV-System aufgelistet. Die Tabelle zeigt, dass je nach Aufgabenstellung unterschiedliche Arten und Mengen an Prozessdaten ausgetauscht werden müssen. Dies hat Einfluss auf die möglichen Kommunikationsformen, die in der Anlage zur Verfügung stehen und vom BV-System unterstützt werden: Aufgabenart Eingangsdaten Ausgangsdaten Allgemeine Daten Trigger, Lernen, Programmanwahl, Belichtungszeit, SoftSensorPositionen, Schwellwerte; … Status BV-System (Betriebsbereit, Störung), ErgebnisPrüfung (Pass, Warn, Fail), Statistikdaten, aufgenommene Bilder, Diagnosemeldungen; Codelesen (BarVergleichscode code, Data Matrix) Inhalt des Code, Qualitätsdaten des Code, Sortierung auf Grund des gelesenen Code Farberkennung Gefundene Farbe, Anzahl der Pixel einer Farbe, Qualität der Farbe Form- und Maßprüfung X/Y-Positon von Bohrungen, Durchmesser von Bohrungen, Länge und Winkel von Kanten, Abstände von Kanten und Bohrungen, etc Lageerkennung Lage A/B, X/Y-Position, Drehwinkel Oberflächenanalyse Größe des Fehlers, Häufigkeit des Fehlers, X/Y-Position des Fehlers Objekt-/Mustervergleich (Gut/Schlecht) Gefundenes Objekt / Muster, Qualität des gefundenen Objekt / Muster, Sortierung auf Grund des gefundenen Objekt / Muster; Pick and Place Kalibrierungsdaten ∆ X/Y-Position, ∆ Winkel Schrifterkennung (OCR/OCV) Vergleichsstring Gelesene Schrift, Qualität der gelesenen Schrift, Sortierung auf Grund der Schrift; Vollständigkeitsprüfung SIMATIC Sensors Bildverarbeitungssysteme SIMATIC MV Kalibrierungsdaten Anzahl der Objekte im Bild, Vorhanden bzw. fehlende Objekte s Alles eine Frage des Zeitpunktes Aus Sicht der Bildverarbeitungslösung im Anlagenprozess stellt sich der Zeitablauf vom Trigger bis zum Erhalt der Ergebnisse wie folgt dar: Daten am Prozesseingang Daten am Prozessausgang 7 FertigungsZyklus Prozessablauf Übertragung hier nicht möglich, Warten auf nächsten SPS-Zyklus ∑ ∑ Idle 1 2 3 4 5 6 Prozess Bildverarbeitung Idle Trigger Zeit t SPS Zyklus 8 0 10 Zeit für Ergebnisverarbeitung 20 30 40 50 60 70 80 90 100 1. Warten bis zum Aktualisierungspunkt der Prozessausgänge Von diesen 75 ms verbraucht das BV-System 76%, die Steuerung 24%. Im Fertigungszyklus von 100 ms bleiben also nur 25 ms, um auf das Ergebnis zu reagieren, zum Beispiel durch Ausschleusen eines fehlerhaften Teils. Das Beispiel zeigt, welche wichtige Rolle die Wahl der Kommunikationsart spielt. 2. Übertragungszeit zum BV-System 3. Belichtungszeit 4. Digitalisierungszeit 5. Inspektionszeit Auswahl der passenden Kommunikationsform für das jeweilige Datenaufkommen 6. Ausgabe des Ergebnisses aus dem BV-System 7. Übertragungszeit zur Steuerung 8. Warten bis zum Aktualisierungspunkt der Prozesseingänge Ein Praxisbeispiel: Alle 100 ms wird ein Teil in der Anlage produziert. Der SPSZyklus beträgt ca. 10 ms, der PROFIBUS-Zyklus dauert 2 ms. Prozessablauf 1. Aktualisierung der Ausgänge: Das Triggersignal soll in diesem Beispiel nach der Hälfte des SPS-Programmlaufs gesetzt werden – es vergehen also noch (10ms / 2 = ) 5 ms, bis das Signal die Steuerung verlässt. 2. Übertragung: Weitere 2 ms (1 PROFIBUS-Zyklus) vergehen, bis das BV-System getriggert wird. 3. Belichtung: Die Bildaufnahme dauert 10 ms. Zeit Die benötigte Kommunikationsform ist abhängig vom Prozess, der Anlage, den örtlichen Gegebenheiten und dem Datenvolumen. Die folgende Tabelle gibt einen allgemeinen Überblick über die Einsatzgebiete verschiedener Kommunikationssysteme: Anwendungsart sehr schnell Start 2 12 4. Digitalisierung: Das Übertragen des Bildes in den Speicher dauert 13 ms. 25 5. Berechnung: Die Inspektionszeit liegt bei 34 ms 59 6. Ausgabe: Wieder 2 ms für die Übertragung zur Steuerung. 61 Vom Signalausgang aus der Steuerung bis zum Ergebniseingang wurden 61 ms gebraucht. Wäre die Verarbeitung 2 ms schneller, würde das Signal den vorherigen SPS-Zyklus noch erreichen. Nun entsteht zusätzliche Wartezeit von 9 ms bis zum Beginn des nächsten SPS-Zyklus. Die Verarbeitungszeit von Triggerausgang bis Ergebniseingang beträgt also 75 ms. Bildverarbeitungssysteme SIMATIC MV Zeit t schnell normal Zeit vom Trigger bis zur Ergebnisausgabe ≤ 100 ms 100 - 300 ms ≥ 300 ms Digitale Ein-/Ausgänge OK, ggf. SPS-Zyklusabhängig OK OK Punkt-zu-Punkt Prozedurabhängig OK Bussysteme (z.B. PROFIBUS DP) Abhängig von: ■ SPS-Zyklus ■ Teilnehmer ■ Datenmenge OK Ethernet-basiert (auf TCP/IP) Abhängig von: ■ SPS-Zyklus ■ Teilnehmer ■ Datenmenge ■ Anzahl Netzwerkkomponenten OK Kommunikationsform SIMATIC Sensors © Siemens AG 2006 2 Im Folgenden werden die Abhängigkeiten und die damit verbundenen Risiken erläutert. Systems ausreichen, keinesfalls aber für die Übertragung der gemessenen Werte. Digitale Ein-/Ausgänge Mögliche Lösung: Hier sollte das PROFIBUS-Segment durch den Einsatz zusätzlicher Kommunikationssteckkarten und eigener Leitungsverlegung aufgeteilt werden. Dadurch verkürzt sich zum einen der PROFIBUS-Zyklus, zum anderen teilen sich die verfügbaren E/A Bytes auf weniger Teilnehmer auf, so dass jeder Slave mehr Daten pro Durchgang austauschen kann. Abhängigkeit: SPS-Zyklus Risiko: Der SPS-Zyklus kann sich während der Inbetriebsetzung verlängern. Dann würden die Reaktionen auf das Ergebnis des BV-System zu spät erfolgen. Mögliche Lösung: Die Triggerung des BV-Systems erfolgt direkt über den digitalen Eingang (z.B.: Lichtschranke), die Ergebnisse werden direkt an den Empfänger, z.B. eine Ausschleusung, weitergegeben. Die Steuerung erhält nur noch die Betriebsbereit- bzw. Fehler-Meldungen des BV-Systems. Punkt-zu-Punkt-Kopplung Abhängigkeit: Prozedur Risiko: Bei Punkt-zu-Punkt-Kopplungen (PzP) gibt es verschiedene Übertragungsarten, z.B. das 3964R-Protokoll, welches mehrere Steuer- und Quittierungszeichen beinhaltet. Die Abarbeitung dieser Schritte kostet natürlich Zeit. 1. Mögliche Lösung: Auf die Prozeduren verzichten und den Befehl direkt an das BV-System schicken. Der Nachteil liegt auf der Hand, da es keine Rückmeldung darüber gibt, ob der Befehl auch angekommen ist bzw. ausgeführt wird. 2. Mögliche Lösung: Die zeitkritischen Befehle werden nicht über das PzP-System, sondern über digitale Signale an das BV-System übergeben. Die Rückmeldung der Gut-/Schlecht-Bewertungen erfolgt ebenfalls über digitale Signale. Nicht-zeitkritische Daten, wie z.B. Positionswerte, werden über die PzP-Kopplung übertragen. Bussysteme (z.B. PROFIBUS DP) Abhängigkeit: SPS-Zyklus Risiko: Der SPS-Zyklus kann sich während der Inbetriebsetzung verlängern. Reaktionen auf das Ergebnis des BV-System erfolgen dann zu spät. Mögliche Lösung: Die zeitkritischen Befehle werden über digitale Signale an das BV-System übergeben. Die Rückmeldung der Gut/SchlechtBewertungen erfolgen über digitale Signale, nicht zeitkritische Daten wie z.B. Positionswerte, werden über PROFIBUS DP übertragen. Abhängigkeit: Anzahl Teilnehmer Risiko: Die Anzahl der Teilnehmer hat Einfluss auf die Größe des zur Verfügung stehen E/A-Bereichs des Masters. Das heißt: Bei einem Master mit einem Adressbereich von nur 128 Byte, an dem 32 Slaves parametriert sind, stehen jedem Slave 4 Byte zu Verfügung. Diese 4 Bytes können für das Triggern eines BV- Bildverarbeitungssysteme SIMATIC MV Abhängigkeit: Datenmenge Risiko: Es ist möglich, dass der zu Verfügung stehende E/A-Bereich in der Steuerung trotzdem nicht ausreicht, um alle Daten eines BV-Systems in einem PROFIBUS-Zyklus zu übertragen. Mögliche Lösung: In diesem Fall werden die Daten auf mehrere Telegramme verteilt. Damit aber sichergestellt ist, dass alle Pakete angekommen und in der Steuerung verarbeitet sind, muss die Übertragung über ein Handshake-Verfahren überwacht werden. Der Nachteil: Die Zeit vom Trigger bis zum Erhalt der Daten erhöht sich mindestens um die Anzahl Pakete mal SPS-Zykluszeit. Ethernet basierend (aufgesetzt auf TCP/IP) Abhängigkeit: SPS-Zyklus Bei Risiko und möglicher Lösung entsprechen Ethernet-basierende Netze den PROFIBUS DP-Konfigurationen. Abhängigkeit: Teilnehmer Risiko: Je mehr Teilnehmer an einem Ethernet-Netzwerk hängen, desto höher ist die Gefahr von Datenkollisionen. Eine Kollision hat zur Folge, dass beide Sender sich "zurückziehen" und erst nach einer Zufallszeit erneut probieren, eine Verbindung herzustellen. Um dann mit einem anderen Teilnehmer zu kollidieren... Mögliche Lösung: Strikte Trennung des Firmen- und des Produktionsnetzes. Auf Einsatz von Hubs ganz verzichten, stattdessen Switches verwenden. Abhängigkeit: Datenmenge Risiko: Die in einem Telegramm übertragbare Datenmenge ist zwar im Vergleich zu PROFIBUS-DP wesentlich größer, aber auch nicht beliebig skalierbar. Hier muss überlegt werden, wie schnell die Daten in der Steuerung abgearbeitet und im SPSProgramm zur Verfügung gestellt werden können. Mögliche Lösung: An dieser Stelle ist es sinnvoll, die Daten aufzuteilen. Zeitkritische Daten werden in ein relativ kurzes Telegramm gepackt und sofort an die Steuerung gesendet. Dadurch stehen prozessrelevante Informationen zeitnah zu Verfügung. Die restlichen Daten, z.B. Statistikwerte, Bilder, werden asynchron zum Prozess übertragen, also in den Leerlaufzeiten zwischen zwei Messungen. SIMATIC Sensors © Siemens AG 2006 3 Abhängigkeit: Anzahl der Netzwerkkomponenten Fazit Risiken: Je mehr Switches, Hubs, Gateways und Router ein Telegramm durchlaufen muss, desto länger dauert es, bis die Steuerung erreicht wird. Das kann zur Folge haben, dass der Aktualisierungspunkt des Prozesseingangsbildes einer Steuerung gerade verpasst wurde und erst nach Ablauf des aktuellen SPS-Zyklus die Werte im Programm zu Verfügung stehen. Was bedeutet dies nun für den Anwender, der eine BV-Lösung erstellen und warten soll? Im Idealfall kommen das BVSystem, die Steuerung und ggf. das Visualisierungssystem von einem Hersteller. Mögliche Lösung: Im Rahmen der Aufbaurichtlinien für Netzwerke so wenig Zusatzgeräte wie möglich verwenden. Anwenderfreundlichkeit der Anbindung Die BV-Systeme haben in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte auf dem Gebiet der Anwenderfreundlichkeit erlangt. Wo man noch vor Jahren mit Hochsprachen die BVSysteme richtig programmieren musste, ist man heute in der Lage einen DMC-Code mit ein paar Mausklicks zu lesen. Daraus ergeben sich für den Anwender folgende Vorteile: ■ Ein Gesprächspartner für die Konzeption und Planung der Anlage ■ Reduzierung des Integrations-Aufwands von BV-Systemen durch die Kompatibilität zwischen den Produkten eines Herstellers ■ Wenn es während der Inbetriebnahme zu Änderungen in der Anbindung kommt, kann ein Hersteller alternative Wege aufzeigen und anbieten ■ Im Wartungs- bzw. Servicefall hat der Anwender nur einen Ansprechpartner, der ihm hilft, und nicht für jede Technik einen eigenen Abhängig von der Aufgabe und der verwendeten Kommunikationsform bringt die Softwareanbindung eines BV-Systems in einer Steuerung erheblichen Programmierungs-Aufwand mit sich. Die Palette reicht vom Reagieren auf ein digitales Signal bis hin zu der Programmierung komplexer Handshake-Verfahren. Vom Aufwand der Visualisierung eines BV-Systems in einer Anlage mal ganz zu schweigen. Die oben erwähnten Ansprüche werden durch die umfassende Produktpalette von Siemens abgedeckt. Der Wunsch, dass die Anbindung von BV-Systemen an eine Steuerung genauso einfach ist, wie die Erstellung eines Prüfprogramms, ist völlig legitim. Denn es darf nicht sein, dass die Anbindung mehr Zeit in Anspruch nimmt als das Einrichten des BV-Systems selber. Das Spektrum wird durch die Bildverarbeitungsprodukte von SIMATIC Sensors abgerundet. Neben den skalierbaren Systemen für jeden Anlagenbedarfsfall bietet Siemens eine Palette an Dienstleistungen: vom Beratungsgespräch über den Service-Einsatz bis hin zur komplexen Lösungserstellung. Mit der SIMATIC S7 erhält der Anwender ein skalierbares Steuerungssystem, dass bei Bedarf erweitert werden kann. Die Visualisierungssysteme von SIMATIC HMI sind leicht zu parametrieren und zu integrieren. Weitere Infos zum Thema finden Sie im Internet unter www.siemens.de/simatic-sensors/mv Autor: Oliver Dresen E-Mail: [email protected] Eine Information der Siemens AG Die Informationen in dieser Broschüre enthalten Beschreibungen bzw. Leistungsmerkmale, welche im konkreten Anwendungsfall nicht immer in der beschriebenen Form zutreffen bzw. welche sich durch Weiterentwicklung der Produkte ändern können. Die gewünschten Leistungsmerkmale sind nur dann verbindlich, wenn sie bei Vertragsschluss ausdrücklich vereinbart werden. Liefermöglichkeiten und technische Änderungen vorbehalten. Whitepaper zum Thema Näherungsschalter Automation and Drives Factory Automations Sensors Postfach 48 48 90327 NÜRNBERG DEUTSCHLAND 4
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