Sachsens Gastgewerbe verzweifelt am Mindestlohn

07.10.2015
Sachsens Gastgewerbe verzweifelt am Mindestlohn Branchenvertreter fordern
flexiblere Arbeitszeiten in Absprache mit Mitarbeitern ein
Seit Beginn dieses Jahres gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn von 8,50
Euro pro Stunde. Bereits im Vorfeld der Einführung wurde heftig über Vor- und
Nachteile der Regelung diskutiert. Auch nach den ersten Monaten mit dem
Mindestlohn sind sich insbesondere Arbeitgeber und Politik nicht einig: Ist der
Mindestlohn Fluch oder Segen? Welche Auswirkungen hat die Regelung auf die
einzelnen Branchen? Mit einer umfangreichen Studie versucht der DEHOGA Sachsen
nun in Zusammenarbeit mit der SRH Hochschule Berlin am Campus Dresden diese
Frage für das Gastgewerbe in Sachsen zu beantworten.
?In gewisser Weise sind uns die Folgen des Mindestlohns für die einzelnen Branchen
und Betriebe nahezu unbekannt. Die Auswirkungen werden zwar in Teilen
thematisiert, allerdings gilt das meist nur für einzelne Betriebe. Was bisher jedoch
gefehlt hat, waren Vergleiche oder Studien, die so breit angelegt sind, dass man eine
erste Bilanz ziehen kann?, erklärt Helmut Apitzsch, Präsident des DEHOGA Sachsen,
den Hintergrund der Studie.
In Zusammenarbeit mit dem Campus Dresden der SRH Hochschule Berlin hat man
deshalb im Frühjahr eine Studie angestoßen, die ein besseres Bild der Auswirkungen
des Mindestlohns auf die sächsischen Hotel- und Gaststättenbetriebe zeigen soll. Im
Mittelpunkt der Studie stehen die Fragen nach den konkreten Folgen des
Mindestlohns für die Betriebe, aber auch welche der Unternehmen eher betroffen sind
als andere. Ein weiteres Augenmerk liegt außerdem auf der Frage nach möglichen
Anpassungsmaßnahmen, die die Betriebe ergriffen haben.
Bei der Erstellung der Fragebögen sowie der Erhebung der Daten sind Studierende
des Studiengangs ?Internationales Hotelmanagement? an der SRH Hotel-Akademie
Dresden intensiv eingebunden worden. Zwischen Mai und Juni haben sie rund 1.300
Betriebe in ganz Sachsen telefonisch und per Mail befragt. Antworten gab es von 17,2
% aller befragten Unternehmen. Somit eine Größe, die als repräsentativ gelten kann.
Sachsens Gastgewerbe verzweifelt am Mindestlohn
04/22/16
Seite 1
Danach haben die Ballungsgebiete wie Dresden und Leipzig weniger Probleme mit
den Auswirkungen des Mindestlohns, da in diesen Regionen mehr große Hotelketten
angesiedelt sind. Strukturschwache, ländliche Gebiete abseits der beiden Großstädte
hingegen, so die Studie, spüren die Auswirkungen des Mindestlohns deutlicher. In
diesen Regionen betreiben vor allem Familienunternehmen kleinere Hotels und
Gaststätten mit deutlich geringeren Umsätzen. Bisher haben die Betriebe dieser
Regionen die Mehrkosten durch den Mindestlohn mit Preiserhöhungen kompensieren
können. Wie die Studie zeigt, werden sie in Zukunft jedoch auch zu
Personalkürzungen und Angebotsveränderungen greifen müssen, um zu überleben.
Außerdem führt die Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten in den ländlichen
Kleinbetrieben zu kräfteraubenden zeitlichen und personellen Anpassungen. Auch der
Umsatz hat sich laut der Hälfte aller Betriebe im Gegensatz zum Vorjahr merklich
verschlechtert. Laut der Studie herrscht zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
dennoch nach wie vor Uneinigkeit über die Vor- und Nachteile des Mindestlohns.
?Meine Mitarbeiter reden von einer Mogelpackung?, so Bernhard Rothenberger von
Auerbachs Keller in Leipzig. ?Vor der Einführung des Mindestlohns war der Gast
unser Maßstab, wann man Pause macht. Heute ist es kaum zu schaffen, den Gast zu
betreuen und gleichzeitig alle Regeln einzuhalten.? Nun soll er innerhalb der kaum
organisierbaren Arbeitszeiten Belehrungen für 120 Mitarbeiter unterbringen. ?Jedem
Koch sollen sogar noch einmal erklärt werden, wie gefährlich Messer sein können und
spätestens, wenn man einem Buchhalter die Gefahr von CO2-Maschinen erklären
muss, mit denen er normalerweise nichts zu tun hat, stimmt etwas nicht?, so
Rothenberger.
Da Zum-Roß-Wirtin Gabriele Dörner aus Diesbar-Seußlitz wegen des Mindestlohns
um eine Preiserhöhung zur Kompensation der Kosten nicht herum kam, muss sie nun
die Erfahrung machen, dass Gäste oftmals fernbleiben. Ebenso fragt sie sich, wie
lange sie als Chefin gesundheitlich durchhält. ?Um die gesetzliche Pausenregelung
einzuhalten, müssen wir als Geschäftsführer selbst unsere Mitarbeiter ablösen?, sagt
Dörner. Nach regulärem Feierabend wartet noch die Bürokratie auf sie, somit kommt
sie am Ende auf eine 60- bis 80 Stunden-Woche. Weiterhin bemängelt sie die
einzuhaltenden Sonntags-Frei-Tage: ?Weil Gäste meist sonntags vorbeikommen, ist
es uns als Ausflugsgaststätte gar nicht möglich, den Mitarbeitern die 15
vorgeschriebenen Sonntage im Jahr freizugeben.?
Sachsens Gastgewerbe verzweifelt am Mindestlohn
04/22/16
Seite 2
Dieter Schröter vom ?Parkhotel Bad Schandau? fordert eine Umsatzsteuersenkung für
die Gastronomie. Christine Strohbach-Knaller von der ?Ziegelscheune? in Krippen ist
davon überzeugt, dass Sachsen durch die enorme Bürokratie seine Individualhotels
und somit das ländliche Flair verlieren wird. ?Kleine Familienbetriebe in der
Sächsischen Schweiz werden schließen müssen, weil sie den Auflagen nicht mehr
gerecht werden können?, so Strohbach-Knaller traurig.
?Es wird deutlich, dass die Zeit, sich um den Gast zu kümmern, unter der
aufgezwungenen bürokratischen Mehrarbeit erheblich eingeschränkt wird. Die
unternehmerischen Freiheiten von Arbeitgebern dürfen nicht weiter eingeschränkt
werden, daher fordern wir, dass Arbeitgeber die Arbeitszeiten wieder flexibel mit ihren
Mitarbeitern verhandeln dürfen?, so Helmut Apitzsch, Präsident des DEHOGA
Sachsen abschließend.
zurück zu Pressemitteilungen
Sachsens Gastgewerbe verzweifelt am Mindestlohn
04/22/16
Seite 3