Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow PREDIGT im Gottesdienst am 17.04.2016 in der Hoffnungskirche (Textgrundlage: 1Joh 5,1-4) von Pfarrer Matthias Motter Es ist nicht schwer, ein Christ zu sein. Mit diesen Worten, liebe Gemeinde, beginnt ein Lied aus der Zeit Anfang des 18. Jahrhunderts. Stimmt das? Ist es nicht schwer, ein Christ zu sein? Eine Antwort finden wir in der Bibel. Eine Antwort aus einer Zeit, in der Christsein keineswegs offiziell möglich war, in einer Zeit, in der die noch jungen christlichen Gemeinden sich heimlich trafen und mit äußeren und inneren Problemen zu kämpfen hatten. Da schreibt einer: Es ist ganz einfach! Der Schlüssel ist die Liebe. Und das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer. Der Verfasser des 1. Johannesbriefs im Neuen Testament unserer Bibel, der das schreibt, steht damit nicht allein. Schon Jesus selbst sagt, so erzählt es Matthäus in seinem Evangelium: Kommt her zu mir, … mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. (Mt 11,28.30) Und doch – so leicht kommt es uns wohl oft genug nicht vor. Da gibt es manche schwere Last. Wir wollen gut sein – gewiss jeder von uns. Aber es geht nicht immer gut. Wir sind nicht immer gut, manchmal tun wir das Falsche – und da wird uns vielleicht schmerzlich bewusst, wie schwer es sein kann, das Gute zu tun. Für viele von uns sind die Gebote der Bibel eine Richtschnur, eine Orientierung für das Gutsein. Oft genug aber merken wir: So einfach ist es nicht. Und dann solche Sätze wie der aus dem 1. Johannesbrief: Gottes Gebote sind nicht schwer, oder so eine Lied-Behauptung: Es ist nicht schwer, ein Christ zu sein. Passt das zusammen? Ja, es passt! Was wie ein Widerspruch erscheint, ist vielmehr Ausdruck einer ganz grundlegenden und so wichtigen Botschaft unseres Glaubens. Christsein ist leicht, ja! Die Last der Gebote ist leicht, ja! Dann nämlich, wenn etwas anderes dem Gebot und den eigenen Lebens-Entscheidungen vorausgeht. Es ist leicht, weil unsere Würde und unser Lebens-Wert, unsere Existenzberechtigung nicht von unserer Leistung, von unserem Verhalten abhängen. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, so haben wir es aus dem ersten Buch der Bibel vorhin gehört. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Der Mensch: ein Bild Gottes. Der Mensch: Träger einer Würde, die er nicht sich selbst verdankt. Der Mensch: gut – noch ehe er etwas tun kann. Und: Das bleibt so, auch wenn er etwas tut. Das ist die Voraussetzung, die wunderbare Voraussetzung unseres Lebens. Der Verfasser des 1. Johannesbriefs fasst dies in die Worte: Wir sind aus Gott geboren. Wir sind Gottes Kinder. Alle. Ein Kind kann seine Abstammung nicht ändern. Dass wir Gottes Kinder sind, daran können wir nichts ändern. Daran kann nichts und niemand etwas ändern. Wie gut! Aber wie es leben will, da kann, da muss das Kind, der Mensch mitentscheiden. Da gibt es Möglichkeiten, da gibt es Entscheidungen zu treffen. Da helfen Regeln, Gebote, Richtungsweisungen. Regeln, Gebote, Richtungsweisungen, die alle ein Ziel haben sollten: Dass ein gutes Handeln und Miteinander möglich wird. Ein Miteinander in Liebe würde wohl der Verfasser des 1. Johannesbriefs jetzt sofort sagen. Und diese Liebe geht – so seine Überzeugung – als unsere Antwort auf Gottes Liebe zu uns in zwei Richtungen: Zurück zu Gott, der uns zuerst geliebt hat, und hin zum Mitmenschen, der ja auch aus Gott geboren ist, wie es im 1. Johannesbrief heißt. Wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den – also den anderen Menschen –, der von ihm geboren ist. Anders gesagt: Wer auf Gott vertrauen kann, der kann auch liebevoll gegenüber seinen Mitmenschen leben. Weil Gottes Liebe zu uns allem anderen voraus geht. Deshalb sind seine Gebote leicht, weil sie nicht bedrohlich für uns sein sollen, sondern eine Hilfe, eine Orientierung. Deshalb ist Christsein leicht, ja erleichternd, weil es frei macht von der Angst, nicht gut genug zu sein – vor Gott, vor mir selbst. Wir haben einen Gott, der Ja zu uns sagt, allem unserem Tun voraus. Gott sagt gewiss nicht Ja zu allem, was wir tun, aber er sagt Ja zu uns als Mensch, als seinem Kind. Zu jedem von uns. Damit sind wir nicht allein an diese Welt gebunden. Die Werte, die Normen, die hier gelten, die Beurteilungen anderer über uns, unsere Urteile über andere, ja sogar die scheinbar unüberwindbaren Grenzen und scheinbar endgültigen Abbrüche – all das ist nicht das Letzte und Entscheidende. Weil wir Gottes Kinder sind, wie es der Verfasser des 1. Johannesbriefs schreibt, haben wir mehr als diese Welt. Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Unser Glaube, ein Sieg. Ein Sieg ohne Verlierer. So leicht ist es – weil das Entscheidende schon längst für uns getan ist. Derselbe Liederdichter, Christian Friedrich Richter hieß er, der eines seiner Lieder mit den Worten begann: Es ist nicht schwer, ein Christ zu sein – derselbe dichtete ein Lied, das mit den Worten beginnt: Es kostet viel, ein Christ zu sein. Wie passt das zusammen? Es passt! Eben, weil beides gilt. Es ist leicht, ein Christ zu sein, weil Gott seine Liebe zu uns an keine Bedingungen knüpft. Christsein kostet aber dennoch manchmal viel, weil wir Kinder Gottes die Liebe leben sollen. Mutig und verantwortungsbewusst leben. Gebote und Traditionen können uns dabei helfen. Sie entbinden uns nicht davon, selbst nach dem Weg zu suchen, der in unserer Zeit und an unserem Ort für uns der beste scheint. Das kann Kraft und Mühe kosten. Vielleicht meinte der Liederdichter vor allem das, als er dichtete: Es kostet viel, ein Christ zu sein. Aber das sollte wohl nicht so stehen bleiben. Deshalb ein paar Jahre später das andere Lied: Es ist nicht schwer, ein Christ zu sein. Nein, es ist nicht schwer. Weil das Entscheidende schon längst getan ist – von Gott. Und wir dürfen als seine Kinder leben! Amen. Es gilt das gesprochene Wort.
© Copyright 2024 ExpyDoc