Abiturprüfung NRW 2015 – Kunst Leistungskurs Aufgabe 1 Bezüge zu den Vorgaben: Wirklichkeit in künstlerischen Konzepten – Mensch und Raum im plastischen Werk von Alberto Giacometti Fachliche Methoden – Werkbezogene Form- und Strukturanalysen einschließlich untersuchender und erläuternder Skizzen – Werkexterne Zugänge zur Analyse und Interpretation (motivgeschichtlicher Vergleich, Hinzuziehung kunstgeschichtlicher Quellentexte/von Texten aus Bezugswissenschaften) Aufgabenstellung Punkte 1. Beschreiben Sie das Blatt „Drei Köpfe“ und die Plastik „Männerkopf auf einem Stab (Diego)“ von Alberto Giacometti. 12 2. Analysieren Sie die formale Gestaltung beider Werke. Berücksichtigen Sie beim Blatt „Drei Köpfe“ insbesondere – den Einsatz der grafischen Mittel, – die Bezüge der drei Kopfzeichnungen zueinander. Fertigen Sie zunächst eine analysierende Skizze zum Aufbau eines der Köpfe an und erläutern Sie anschließend Ihre Erkenntnisse im Textzusammenhang. Berücksichtigen Sie bei der Plastik (einschließlich Sockel) insbesondere die Aspekte – Körper-Raum-Bezug, – Proportion und Plastizität, – Materialität und Oberflächenbeschaffenheit. Fertigen Sie zunächst analysierende Skizzen zu ausgewählten Aspekten an und beziehen Sie Ihre dadurch gewonnenen Erkenntnisse erläuternd in Ihre Analyse ein. 40 3. Interpretieren Sie beide Werke unter Berücksichtigung Ihrer Ergebnisse aus 1 und 2. Erläutern Sie dabei vergleichend mediale Unterschiede und künstlerische Gemeinsamkeiten unter Einbeziehung von Text 1 sowie Ihres Vorwissens zur Arbeitsweise Giacomettis. 26 4. Erörtern Sie abschließend unter Bezugnahme auf Text 2 sowie auf Ihre Werkkenntnisse Giacomettis künstlerisches Interesse an der Darstellung des Menschen, und setzen Sie dieses gegen Ihnen bekannte traditionelle figürliche Darstellungskonventionen ab. 12 LK 2015-1 Materialgrundlage Bildmaterial: Abb. 1: Alberto Giacometti, „Drei Köpfe“, 1962, Kugelschreiber, 20,7 × 15,2 cm, Privatsammlung, New York Abb. 2 und 3: Alberto Giacometti, „Männerkopf auf einem Stab“ (Diego), 1957, Gips, 31 × 10 × 11 cm, Alberto Giacometti-Stiftung im Kunsthaus Zürich Textmaterial: Text 1: Künstlerzitat „Wenn der Blick, das heißt das Leben, zur Hauptsache wird, dann ist […] der Kopf die Hauptsache. Der Rest des Körpers beschränkt sich auf die Funktion von Antennen, die den Menschen das Leben erst möglich machen – ein Leben, das in der Hirnschale sitzt.“ Fundstelle: Eva Hausdorf: Kopf und Blick. Die späten Portraits. In: O. Westheider, M. Philipp (Hrsg.): Alberto Giacometti. Begegnungen. Ausstellungskatalog Bucerius Kunst Forum, Hamburg 2013, S. 135. Zitiert nach: George Charbonnier: Gespräch mit Alberto Giacometti (1959). In: M. L. Palmer, F. Chaussande (Hrsg.): Alberto Giacometti: Gestern, Flugsand: Schriften. Zürich: Scheidegger & Spiess 2006, S. 232 Text 2: Fremdzitat „Giacomettis Plastik antwortet […] auf die widerspruchsvolle Frage: Wie kann die Erfahrung des lebendigen Menschen in träges Material einbeschrieben werden, ohne den Menschen in ebendiesem Material erstarren zu lassen oder ohne ihn auf dem Wege der Form zu idealisieren?“ Fundstelle: Gottfried Boehm: Das Problem der Form bei Alberto Giacometti. In: Axel Matthes (Hrsg.): Louis Aragon mit anderen. Wege zu Giacometti. München: Verlag Matthes & Seitz 1987, S. 50 Zugelassene Hilfsmittel – Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung – Skizzenpapier, Transparentpapier, Farbstifte, Bleistifte, Lineal LK 2015-2 Abb. 1: Alberto Giacometti, „Drei Köpfe“, 1962, Kugelschreiber, 20,7 × 15,2 cm, Privatsammlung, New York LK 2015-3 Lösungsvorschläge r 1. Hinweis: In dieser Aufgabe sollten Sie beide Werke sachangemessen, differenziert und strukturiert beschreiben. Dabei führen Sie die Werkdaten und den sichtr baren Bildbestand auf. Subjektive Beurteilungen sind hier zu vermeiden. r Die Grafik „Drei Köpfe“ zeichnete Alberto Giacometti 1962 mit rotem, dunkelbraunem und schwarzem Kugelschreiber. Das Blatt ist 20,7 × 15,2 cm groß und befindet sich heute in einer Privatsammlung in New York. Im Hochformat sind ein größerer Kopf fast mittig und zwei kleinere am rechten Bildrand in der Frontalansicht zu sehen (vgl. Abb. 1). Der große Kopf ist mit rotem und schwarzem Kugelschreiber, von der Mitte des Blattes leicht nach links versetzt, etwa doppelt so groß gezeichnet worden wie einer der zwei kleineren Köpfe. Die kleineren Köpfe bestehen aus dunkelbraunen Kugelschreiberlinien. Alle drei Gesichter tragen als Variation desselben Kopfes die bekannte, ausgeprägte Physiognomie von Giacomettis jüngerem Bruder Diego. Der Künstler arbeitet mit kräftigen Strichen die Hauptzüge seines Modells heraus. Die Form der Köpfe und die Gesichtsteile bestehen aus kreisenden Linien mit nur wenigen Unterbrechungen, wobei Schatten in den Gesichtern mithilfe von Überschneidungen und Ballungen der Linien dargestellt werden. Auch die Verwendung mehrerer Kugelschreiberfarben übereinander lässt dunklere Bereiche entstehen. Die Kopfform ist eher schmal mit abstehenden Ohren. Die weit geöffneten Augen blicken den Betrachter starr an; ihre Pupillen sind durch das Liniengewirr kaum zu erkennen. Der Mund ist geschlossen und ausdruckslos. Die drei Köpfe unterscheiden sich zum einen in der Farbe des verwendeten Kugelschreibers, zum anderen darin, dass die kleineren eine etwas schmalere Kopfform aufweisen. Zudem sind der Hals- und Schulterbereich hier zwar vorhanden, aber nur grob angedeutet. Insgesamt bestehen sie aus weniger Linien, sodass kaum Schatten und Vertiefungen in den kleineren Gesichtern auszumachen sind. Unter den drei Köpfen am unteren Blattrand ist in zwei Zeilen vom Künstler handschriftlich mit braunem Kugelschreiber „Pour Pierre Matisse ce 18 (déjà!) janvier / Alberto Giacometti 1962“ vermerkt. Die Plastik „Männerkopf auf einem Stab (Diego)“ von Alberto Giacometti entstand im Jahre 1957 (vgl. Abb. 2 und 3). Sie wurde aus Gips gearbeitet, gehört zur Alberto Giacometti-Stiftung und ist im Kunsthaus Zürich ausgestellt. Die Maße betragen 31 × 10 × 11 cm. Die von allen Seiten zu betrachtende, also allansichtige Plastik zeigt einen menschlichen Kopf, dessen Halsansatz auf einen etwa kegelförmigen Stab aufgesetzt ist. Dieser befindet sich wiederum mittig auf einem quaderförmigen Sockel mit etwa quadratischer Grundfläche. Dabei ist der Sockel etwa genauso hoch wie der Kopf, der verbindende Stab jedoch nur etwa halb so lang. Die Verbindungsstellen des Stabes zum Sockel bzw. zum Kopf weisen keine Brüche auf. Die Porträtbüste trägt deutlich erkennbare menschliche Züge und ist durch den Titel als männlich ausgewiesen. Zusätzlich erfährt der Betrachter, dass Alberto LK 2015-5
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