Patienten aufklären, auch wenn sie kein Deutsch können

25
Mi., 18. November 2015
M
Österreichs Finanz wird immer vor
vorsichtiger Seite 27
Wada hofft auf mehr Geld Sport Seite 28
derStandard.at/Recht
Pa ten aufklären, auch wenn sie kein Deutsch können
Patien
Krankenhäuser sollten aufgrund der aktuellen
ak
Flüchtlingssituation Dolmetscher anstellen, sagen Experten
Exper
Katharina Mittelstaedt
Wien – Grundsätzlich kennt das
Problem jeder: Ein Arzt klärt einen
darüber auf, was man hat und was
er tun will, und man versteht ihn
nicht. Er spricht in Fachtermini,
und der medizinische Laie ist damit überfordert. Wirklich schwierig wird es aber, wenn sich Mediziner und Patient tatsächlich
nicht verständigen können – weil
sie nicht dieselbe Sprache sprechen. Damit sind Krankenhäuser
in Österreich zunehmend konfrontiert.
Häufige Sprachbarrieren
„In der aktuellen Flüchtlingssituation kommt es bei der ärztlichen Versorgung von Migranten
in heimischen Spitälern oft und
zwangsläufig zu Sprachbarrieren“,
sagt Michael Straub, Rechtsanwalt
in der Kanzlei Müller Partner mit
Schwerpunkt Gesundheits- und
Krankenanstaltenrecht. Das könne für Ärzte wie Spitäler auch
rechtliche Folgen haben.
Die Behandlung eines Patienten
setzt dessen Einwilligung voraus.
Außer natürlich, der Betroffene
schwebt in Lebensgefahr oder der
Arzt befürchtet schwere gesundheitliche Schäden, würde dieser
nicht sofort versorgt. Um zustimmen zu können, muss der BetrofBetrof
fene aber zuerst medizinisch aufauf
geklärt werden – in einer für ihn
verständlichen Form.
„Spricht ein Patient nicht
Deutsch oder eine andere Sprache,
in der er sich mit dem Arzt unterhalten kann, hat sich das Krankenhaus um einen Sprachmittler zu
bemühen“, erklärt Straub. Ein
Sprachmittler, von dem der Jurist
spricht, könne grundsätzlich jeder
sein: ein Verwandter oder Bekannter des Patienten, ein Arztkollege oder anderes Krankenhauspersonal.
„Es besteht zwar nicht grundsätzlich die Verpflichtung, dass
Krankenanstalten
ausgebildete
Dolmetscher anstellen“, sagt
Straub. „Dennoch empfiehlt es
sich, bei entsprechender Frequenz
von fremdsprachigen Betroffenen
die Einrichtung eines Dolmetschdienstes oder von Übersetzern auf
Abruf zu organisieren.“ Bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht würden schließlich auch
Haftungsfolgen drohen.
Übersetzer per Video
Schätzungen zufolge spricht
zumindest jeder zehnte Patient in
Österreich gar nicht oder nur sehr
mangelhaft Deutsch. In einer Umfrage der Plattform Patientensicherheit und der Universität Wien
wurde ermittelt, dass mehr als
zwei Drittel des heimischen Gesundheitspersonals mindestens
zwei- bis dreimal pro Woche,
wenn nicht täglich, mit Sprachbarrieren konfrontiert sind.
Patientenvertreter bemängeln:
Wird zur Vermittlung einfach irgendjemand herangezogen, der
die Sprache spricht, sei das nicht
verlässlich und könne schwerwiegende Folgen haben. In einigen
Krankenhäusern und in einer Ordination eines niedergelassenen
Arztes wird inzwischen ein VideoDolmetsch-Service angeboten. Der
Übersetzer wir dann bei Bedarf am
Bildschirm zugeschaltet.
„Das Gesundheitsministerium
muss endlich festlegen, ob Krankenhäuser nun verpflichtet sind,
Dolmetscher zur Verfügung zu
stellen, oder nicht“, fordert Patientenanwalt Gerald Bachinger.
„Die Betroffenen verdienen
eine saubere rechtliche
SCHWERPUNKT
Antwort.“ Obwohl auch
er sagt: Alle Sprachen
Recht
und Dialekte werde
man natürlich nicht
rund
ständig und überall abFlüchtl
decken können.
„Ich rechne in nächster
Zeit mit einer Zuspitzung
des Problems“, sagt Bachinger. Er
meine das nicht zynisch, aber
eigentlich warte er nur darauf,
dass es demnächst aufgrund von
Verständigungsschwierigkeiten
zu einem Behandlungsfehler komme. „Dann spätestens wird man
die rechtliche Situation klären
müssen.“