„Acht bis zehn Millionen sind noch unterwegs“, warnt der Minister

DEBATTE 27
FREITAG, 15. JÄNNER 2016
schaften im südöstlichen Europa.
Im Zuge der Recherche für mein
Buch „Testosteron Macht Politik“
befasste ich mich mit seinen Untersuchungen. Ich interessierte mich
damals 2011 vor allem für die jungen zornigen Männer der arabischen Revolten, dachte aber nicht
daran, dass dieses Problem auch
mitten in Europa noch schlagend
werden würde.
Im arabischen Raum fehlen die
Frauen nicht physisch, doch die
Ehe ist aufgrund der wirtschaftlichen Umstände unleistbar geworden. Es fehlt etwa in Kairo an
Wohnraum, sodass die hohe Statistik der sexuellen Übergriffe in
Ägypten zum Alltagsdrama der
Frauen geworden ist. Über 80 Prozent der Ägypterinnen können von
ihrem Leid berichten.
Als ich damals Soziologen und
Feministinnen interviewte, berichteten mir alle, dass es völlig egal ist,
welchen Alters die Frauen sind, ob
mit Burka oder nur mit Schleier
unterwegs. Kleine Mädchen würden ebenso wie Greisinnen vergewaltigt, war die bedrückende Diagnose zur sexuellen Frustration,
die ich zu hören bekam.
Aufrufe zur Selbsthilfe
Was in Ägypten oder Indien aufgrund besonders brutaler Fälle,
einer mutigen Berichterstattung
und einer für das Thema sensibilisierten Bevölkerung immer offener
in der dortigen Politik angesprochen wird, droht in einigen europäischen Staaten hingegen zum
Spaltpilz zu werden.
Die Situation in Deutschland
und Österreich schwankt zwischen
Naivität und dem Aufruf zur Selbsthilfe, die den Trend der Bewaffnung beschleunigt. Denn warnen
die einen – meist im grünen und
linken Lager angesiedelt – gleich
vor Rassismus und Verhetzung,
weil das Thema endlich aufgegriffen wird, sehen die anderen im
rechten Spektrum sich in ihren
Warnungen bestätigt.
Hinzu tritt eine weitere brisante Dimension. Denn wenn die Polizei zur Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols von der Politik allein gelassen wird – und das war in
DIE AUTORIN
Karin Kneissl (* 1965
in Wien) studierte Jus
und Arabistik in Wien.
Sie war 1991/1992
Studentin an der ENA. 1990 bis 1998 im
diplomatischen Dienst, danach Lehrtätigkeit. Zahlreiche Publikationen,
darunter: „Die Gewaltspirale. Warum
Orient und Okzident nicht miteinander
können“ (2007); „Testosteron Macht
Politik“ (2012) .
[ Privat ]
Tausendsassa Stöger
„Werner Faymanns (kleine) Welt“,
von Oliver Pink, 14. 1.
Tausendsassa Alois Stöger kann
anscheinend wirklich alles, nach
dem Einstieg im Gesundheits- und
Kurzauftritt im Infrastrukturministerium soll er nun das Sozialministerium übernehmen. Wenn er die
restlichen Ministerien – im vorliegenden Fall wohl eher Stationen
seines „Traineeprogramms“ – auch
noch durchläuft, sollte einem
Sprung ins Finanzministerium
oder gar Bundeskanzleramt wohl
nichts mehr im Wege stehen. Dies
alles ermöglicht durch die Gewerkschaft und selbstverständlich seine
fachlichen Kompetenzen.
Dipl.-Kfm. Viktor Justich, 80333 München
Synonym des Stillstands
Klug kann man diese Regierungsumbildung wohl kaum nennen.
Zwar wurde der eine Underperformer, der oberste Beschwichtigungshofrat der Nation, weggelobt,
allein, der neben dem Bundes-
Köln klar der Fall –, dann wachsen
die privat organisierten Sicherheitstrupps. Die deutsche Polizistin Tania Kambouri setzte mit ihrem Buch „Deutschland im Blaulicht“ einen Notruf ab, den ihre österreichischen Kolleginnen wohl
nur bestätigen können.
Verdüsterte Stimmung
Denn es sind junge muslimische
Männer, die Polizistinnen nicht
ernst nehmen und sie als „Schlampen“ beschimpfen oder gar sexuell
belästigen. Weil man unverschleiert als Europäerin in der U-Bahn
unterwegs ist, kann man ebenso
rasch als Hure bezeichnet werden.
Das passiert Tausenden Frauen –
ob in Paris, Wien oder München.
Die französische Schauspielerin Isabelle Adjani reagierte darauf
mit dem Film „Heute trage ich
Rock“, denn selbst ernannte Sittenwächter, die Frauen in ihren Vierteln nur breite Hosen zugestehen,
sind in vielen französischen Städten inzwischen Ausdruck einer
neuen Gesellschaft.
Zurück zur Demografie. Glaubt
man die Jubelmeldungen so mancher Ökonomen, so frischt die
neue Form der unkontrollierten
Massenzuwanderung nur das Pensionopolis in Deutschland und Österreich auf. Aber man muss sich
auch im Klaren sein, dass sich
durch die Zuwanderung das kulturelle Umfeld wandelt. Wie weit die
Menschen diesen Wandel mittragen, ist mehr als fraglich.
Die Stimmung in den aktuellen
Zufluchtsländern des großen Exodus verdüstert sich. Junge Menschen, die bisher wenig oder nichts
mit Politik und Religion am Hut
hatten, werden konservativer und
extremer. Dies alles ist nachvollziehbar, zumal wir uns in einem
politischen Vakuum bewegen, in
dem die regierenden Parteien versagt haben.
Die Ironie der Geschichte
Nicht auszuschließen ist, dass auch
militante junge Christen im Namen
ihrer selbst gestrickten Slogans mit
den radikalen Muslimen auf Konfrontationskurs
gehen.
Diese
Trends kennen wir aus Russland,
und wir erlebten sie bereits vor 20
Jahren im zerfallenden Jugoslawien.
In Großbritannien blickt man
voller Schrecken auf die Entwicklungen in Deutschland, dessen Regierung einige englische Kommentatoren nur noch als „the Hippie
Government“ bezeichnen. Ein britischer Bekannter meinte neulich:
„Es ist schon eine Ironie der Geschichte, wie Deutschland zum
dritten Mal binnen eines Jahrhunderts Europa in den Zerfall führt.“
E-Mails an: [email protected]
kanzler schlimmste Minderleister
wurde mit einem neuen, wichtigeren Ressort betraut. Richtungsweisende Änderungen schauen anders
aus. Wieder eine versäumte
Chance, diese mit Überfliegern
nicht wirklich gesegnete Regierungsmannschaft aufzuwerten und
endlich damit zu beginnen, Reformen einzuleiten. Faymann ist wohl
das Synonym des Stillstands.
Es wäre hoch an der Zeit, eine
wirkliche Regierungsumbildung
vorzunehmen, am besten wohl im
Zuge von sofortigen Neuwahlen.
Dr. Erich Gnad, 1030 Wien
Es braucht Haltung
„Mitteleuropas Islamisierung – nur
ein Hirngespinst?“, Gastkommentar von Markus Goritschnig, 7. 1.
Gesellschaften und Systeme gehen
dann unter oder verschwinden,
wenn sich die Menschen nicht
mehr in diesen Gemeinschaften
zurechtfinden. Freiwerdende
„Reviere“ werden rasch von anderen in Besitz genommen. Beispiele
gibt es in der Vergangenheit viele.
QUERGESCHRIEBEN
VON CHRISTIAN ORTNER
„Acht bis zehn Millionen sind noch
unterwegs“, warnt der Minister
Die Kölner Gewaltnacht ist wohl nur die erste Kostprobe dessen, was zur
Normalität werden wird – verursacht durch Jahrhundertfehler der Regierungen.
E
ine ausgesprochen frohe Botschaft den und ein Kausalzusammenhang zwifür all jene, die die jetzige Völker- schen diesen beiden Phänomenen bewanderung nach Europa für unge- steht, kann durchaus als Erkenntnisfortmein bereichernd halten, hatte jüngst der schritt verstanden werden.
deutsche Entwicklungsminister Gerd
Doch in der nun beginnenden öffentMüller parat. Jene Million Migranten, die lichen Erörterung dieses an sich trivialen
heuer nach Deutschland (und Österreich) Sachverhalts – wer Millionen Menschen
gekommen sind, seien erst der Anfang aus extrem gewaltaffinen und frauenvereiner viel massiveren Zuwanderung, pro- achtenden Kulturen importiert, imporphezeite das gut informierte Berliner Re- tiert natürlich auch deren einschlägige
gierungsmitglied: „Erst zehn Prozent der Mindsets – fehlt bisher eines völlig: die
in Syrien und im Irak ausgelösten Flucht- Benennung der Ursachen und der Verwelle sind bei uns angekommen. Acht bis antwortlichen dieser Katastrophe, deren
zehn Millionen sind noch unterwegs.“
Entfaltung wir gerade beobachten dürfen.
Wenn das Wirklichkeit wird, sollten
Denn jene Völkerwanderung, die Urwir uns wohl mental darauf einstellen, sache der jetzigen Probleme ist, fiel ja
dass die Gewaltexzesse von
nicht plötzlich vom Himmel,
Köln schon bald Normalität
sondern war das Ergebnis
sein werden. Auf den Punkt
politischer Entscheidungen,
Die deutsche Grün- die bewusst von den zentragebracht hat diese Logik der
„Profil“-Kolumnist Peter Milen Akteuren der Handlung
politikerin Katrin
chael Lingens, der zeit seines
getroffen worden sind. Etwa
Göring-Eckardt
Lebens immer Flüchtlinge in
die Entscheidung, die Aufreut sich auf
seinem Haus aufgenommen
ßengrenzen der EU und die
ein verändertes
hat und des Fremdenhasses
nationalen Grenzen nicht
Deutschland.
so unverdächtig ist wie kaum
wirksam gegen illegale Einein anderer: „Hunderttauwanderung zu schützen,
Na dann . . .
send zusätzliche, vornehmsondern unter einer ziemlich männliche Flüchtlinge
lich ambitionierten Beugung
aus Kulturen, in denen Frauen einen sehr des geltenden Rechtes Hunderttausende
viel geringeren Stellenwert haben, wer- hereinzulassen.
den uns in den kommenden Jahren im
ass österreichische Polizisten sich
Bereich der Sexual- und Bandenkriminaan der Staatsgrenze Süd von Milität vor extreme Herausforderungen stelgranten einfach zur Seite schielen,“ prophezeit Lingens.
So ähnlich hatte das übrigens schon ben ließen, war ja kein Missverständnis,
im Juni 2011 Angela Merkel formuliert: sondern Folge der „Willkommenskultur“
„Wir müssen akzeptieren, dass die Zahl der Wiener Regierung. Genau wie Frau
der Straftaten bei jugendlichen Migranten Merkels implizite Einladung, nach Eubesonders hoch ist.“ Warum wir das ei- ropa zu kommen, ja kein Versprecher,
gentlich müssen, hat sie leider nicht zu sondern eine klar formulierte Botschaft
war. Wenn eines Tages abgerechnet werProtokoll gegeben.
Was es für Folgen haben wird, sollte den wird, wird deshalb wenigstens klar
die Prognose von Minister Gerd Müller ersichtlich sein, wer diese verhängnisvol(„acht bis zehn Millionen sind noch un- len Entscheidungen wann getroffen hat,
terwegs“) zutreffen, kann man sich leb- die Weisungskette von den Regierungen
haft ausmalen. „Unser Land wird sich än- bis hinunter zum kleinsten Polizisten
dern, und zwar drastisch. Und ich freue wird nachvollziehbar sein.
Jener Kausalzusammenhang, der zwimich darauf“, hat die deutsche grüne
Fraktionsvorsitzende Katrin Göring- schen den verhängnisvollen politischen
Eckardt das wohl unfreiwillig ehrlich be- Fehlentscheidungen und den Gewaltexzessen gegenüber Frauen, die es auch in
schrieben. Na dann . . .
Dass selbst im bisher eher willkom- Zukunft geben wird, besteht, ist bereits
mensaffinen „Profil“ zu lesen ist, dass wir unübersehbar. Der Wähler wird gut beradank Völkerwanderung „im Bereich der ten sein, sich das zu merken.
Sexual- und Bandenkriminalität vor extremen Herausforderungen“ stehen wer- E-Mails an: [email protected]
Zum Autor:
Christian Ortner ist
Kolumnist und Autor
in Wien. Er leitet
„ortneronline. Das
Zentralorgan des
Neoliberalismus“.
D
Wenn wir Angst um unsere
„Werte“ haben, sollten wir daher
fragen: Wie geht es der Gesellschaft, in der wir leben? Sind ihre
Werte noch gemäß, und achten
ihre Mitglieder die bestehenden
Regeln? Diese Fragen stellen sich
unabhängig von Zuwanderung.
Die Antworten erfordern Selbstreflexion und Haltung.
Mag. Gabriele Soxberger, 5552 Forstau
Man muss nicht in die
Ferne schweifen . . .
„Recht. Gerecht?“, von Oliver
Scheiber, „Spectrum“, 9. 1.
Diesen Beitrag über die einseitige
Ausrichtung bzw. Anwendung des
österreichischen Strafrechts kann
ich bestätigen: als Gefängnisseelsorger nämlich und als Quasianrainer einer Firma, die mit gefährlichen Pestiziden handelt.
1. Früher war’s der sprichwörtliche Hendldieb, der über Gebühr
und ohne Berücksichtigung einer
möglichen Notlage sein Schmalz
bekommen hat. Heute sind es
Suchtkranke oder anders psychisch
verwahrloste Menschen, viele Asylwerber ohne Arbeitsmöglichkeit
u. v. a. m., die mit oft enormem
Aufwand dingfest gemacht und bei
Tatwiederbegehung bzw. schnellem Rückfall meist zu unverhältnismäßig hohen Haftstrafen verurteilt
werden. Keine unbedingt immer
angenehme Klientel, die aber vom
Leben ohnehin selbst genug bestraft wurde. (Auch die Kosten, die
durch diese Gefängnisaufenthalte
anfallen, könnte man sinnvoller im
Sinn dieser Menschen verwenden.)
2. Man muss nicht in die Ferne
schweifen, auch das Böse liegt so
nah: In Ebenfurth (NÖ) befindet
sich die Firma GAT, die den Grundwasserstrom in Richtung der
Nachbargemeinde Pottendorf fahrlässig mit einem hochgiftigen
Pestizid verpestet hat und dies zu
vertuschen versucht hat. Wir
haben über Jahre dieses Wasser
getrunken, das Planschbecken
unserer Kinder damit befüllt, das
Gemüse damit gegossen. Die
Firma wurde nach Auffliegen des
Skandals zu einer lächerlich geringen Geldstrafe verurteilt, mögliche
Morgen in
„Quergeschrieben“:
Anneliese Rohrer
Langzeitfolgen für die betroffene
Bevölkerung interessieren niemanden.
PS: Leider hat auch die kirchliche Moraltheologie ihren Fokus
viel zu lang nur auf vergleichsweise
harmlose Verfehlungen des Einzelnen gelegt und die Fragen nach der
strukturellen Sünde, also z. B. gesamtgesellschaftliche oder wirtschaftliche Unrechtssituationen,
komplett außer Acht gelassen.
Mag. theol. Bernhard Haschka,
2486 Pottendorf
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