Flüssige Biopsie erkennt Herkunft von Krebszell

Flüssige Biopsie erkennt Herkunft von
Krebszell-DNA im Blut
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Deutsches Ärzteblatt; Sonntag, 17. Januar 2016
Seattle - US-Forscher haben eine Methode entwickelt, um die Herkunft zellfreier DNA im
Blut zu bestimmen. Die in Cell (2016; doi: 10.1016/j.cell.2015.11.050) vorgestellte Technik
könnte die Diagnose von Krebserkrankungen erleichtern.
Im menschlichen Organismus kommt es ständig zum Absterben von Zellen. Dabei wird DNA
freigesetzt, die von Enzymen im Blut rasch abgebaut wird. Nur die DNA, die an
Nukleosomen gebunden ist, hat eine längere Überlebenszeit. Nukleosomen sind perlenartige
Proteine, um die die DNA im Zellkern platzsparend aufgewickelt ist. Die Gene auf den
Nukleosomen können jedoch nicht abgelesen werden. Dies ist nur in den ungebundenen
DNA-Abschnitten möglich. Da in verschiedenen Gewebetypen andere Gene benötigt werden,
ist auch das Nukleosomen-Muster unterschiedlich.
Ein Team um Jay Shendure von der Universität von Washington in Seattle hat jetzt eine
Methode entwickelt, um diese Unterschiede durch eine Analyse der zellfreien DNA im Blut
aufzuzeigen. Das Ergebnis ist ein „Nukleosom-Abdruck“, der auf die Herkunft der zellfreien
DNA schließen lässt. Bei gesunden Menschen fanden die Forscher in erster Linie Zellen aus
Lymphknoten oder Knochenmark, Orten mit einer hohen Zellproduktion, bei der es häufig
zum spontanen oder durch Apoptose erzwungenen Zelluntergang kommt.
Bei kranken Menschen sollte sich der „Nukleosom-Abdruck“ verändern. Beim einem
Herzinfarkt könnte DNA aus untergegangenen Herzmuskelzellen auftreten, bei einer
Autoimmunerkrankung wären es die Reste der vom Immunsystem attackierten Zellen. Bei
Krebserkrankungen könnte die Untersuchung einen Hinweis auf die Lage des Primärtumors
geben, der derzeit bei 4 bis 5 Prozent aller Krebserkrankungen nicht gefunden wird.
So weit sind die US-Forscher noch nicht. Bisher wurden nur wenige Patienten untersucht. Bei
acht Patienten gelang es allerdings anhand des „Nukleosom-Abdrucks“ in der zellfreien DNA,
die Herkunft der Krebserkrankung zu bestimmen. Darunter waren mehrere
Lungenkrebserkrankungen sowie Malignome in Leber, Brustdrüse und Darm. Die
Untersuchungen wurden allerdings an Patienten durchgeführt, deren Krebserkrankungen
bereits bekannt waren.
Ob die Technik sich im klinischen Alltag bewähren könnte, müssen weitere Untersuchungen
zeigen. Unrealistisch erscheint das Unterfangen nicht. Tumorzellen könnten bereits anhand
von Mutationen in der zellfreien DNA erkannt werden, was aber nicht unbedingt auf die
Herkunft schließen lässt. Der Nachweis von zellfreier DNA des Embryos im Blut der Mutter
ist Grundlage von kommerziell erhältlichen Tests, die bereits erfolgreich bei der Diagnose
chromosomaler Aberrationen wie dem Down-Syndrom eingesetzt werden.
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