Personalmanagement Kompetenzen steuern Modell des integrativen Kompetenzmanagements Kai Reinhardt, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Produkte Projekte Technologien geschäftsrelevante Kompetenzfelder Ableitung Kompetenzstrategie Aufgabenkatalog Soll-Kompetenzkatalog Mitarbeiterbefragung fachliche Kompetenz methodische Kompetenz soziale Kompetenz Selbst- und Fremdeinschätzung Betriebliche Interventionen Rollenkatalog organisationale Lernprozesse 32 Prozesse Transfer • wie ein Modell zum integrierten Kompetenzmanagement funktioniert, • wie das Modell kognitionswissenschaftliche und organisationswissenschaftliche Sichtweisen miteinander verbindet, • wie dieses Modell in die Praxis überführt werden kann. Dispersion von unternehmensinternen Kompetenzen in den Griff bekommen sowie die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter besser genutzt werden. Mit Hilfe des Kompetenzmanagements, so die vorherrschende Meinung, wird es möglich, die immer komplexer und unwägbarer werdenden externen und internen Rahmenbedingungen [2] im Unternehmen besser steuer- und kontrollierbar zu machen. In der wissenschaftlichen Literatur liegt der Fokus meist auf Themen des individuellen und organisationalen Lernens, der Nutzung und des Transfers von Mitarbeiterkompetenzen sowie des Ausbaus und Erhalts un- Bild 1: Kompetenzmanagement-Modell. Validierung In diesem Beitrag lesen Sie: Während vor einigen Jahren noch Diskussionen zur Re- bzw. Neukonfiguration von Produkt- und Marktstrategien überwiegten, wird heute vermehrt über den Einsatz von Kompetenzmanagement zur Lösung aktueller unternehmerischer Probleme debattiert. [1] Der Einsatz von Managementmodellen und -methoden des Kompetenzmanagements weckt mittlerweile in allen Führungsetagen und in großen Teilen der Forschungsgemeinschaft Optimismus. Durch Kompetenzmanagement soll die starke Differenzierung und Identifikation Die aktuelle Forschung bietet wenige Erkenntnisse zu einem generellen Verständnis bzw. geeigneten Modellen, die in der Praxis Anwendung finden können. Vorhandene Erklärungsansätze sind meist zu komplex und von wissenschaftlichen Sichtweisen getrieben. Im vorliegenden Beitrag soll ein Modell zum integrierten Kompetenzmanagement vorgestellt werden, das sowohl kognitionswissenschaftliche als auch organisationswissenschaftliche Sichtweisen miteinander verbindet und in einen praxisnahen Handlungsrahmen überführt. Kompetenzmanagement in der Diskussion individuelle Lernprozesse Kai Reinhardt ist seit 2006 als Lehrbeauftragter an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg am Lehrstuhl für Berufliche Weiterbildung und strategische Personalentwicklung. Kompetenzprofile Repräsentation Reflexion Transfer Entwicklung ERP Management 3 (2007) 1 K. Reinhardt: Kompetenzen steuern - Modell des integrativen Kompetenzmanagements ternehmerischer Kernkompetenzen [1, 3, 4, 5]. Bei dieser Veröffentlichungsvielfalt und Diskussionsfreude zum Kompetenzmanagement ist es verwunderlich, dass sich bis heute weder eine einheitliche Terminologie zu den dort verwendeten Begriffen und Konzepten noch ein übergreifendes Modell für das Kompetenzmanagement herauskristallisieren konnte [6]. Besonders ausgeprägt ist die Begriffs- und Konzeptvielfalt an den Transferstellen von theoretischer Modellentwicklung zur praktischen Implementierung im Unternehmen bzw. der Anwendung in der Managementpraxis. Hier überwiegen zumeist sehr abstrakte und unkonkrete Vorstellungen zum Einsatz eines Kompetenzmanagements. Dieser „akademische Dschungel“ verwirrt den Praktiker und schafft Barrieren für einen anwendungsorientierten Einsatz im Unternehmen. Da das Konstrukt Kompetenz und daher zwangsläufig auch das Konstrukt Kompetenzmanagement von der Unternehmenspraxis häufig deutlich anders verstanden werden, als im Rahmen eines wissenschaftlichen Verständnisses, kann dies u.U. zu gravierenden Missverständnissen bis hin zu nahezu unüberwindlichen Verständigungsbarrieren zwischen Wissenschaftlern und Praktikern führen, obwohl beide das gleiche Ziel anstreben. Blinder Fleck der Forschung Ein Grund für den bisher unzulänglichen Praxistransfer ist die zweigeteilte Sicht auf die Grundlagen des Kompetenzmanagements. Einerseits wird Kompetenzmanagement aus der Perspektive der Kognitionswissenschaft betrachtet; insbesondere aus Sicht der Psychologie und Soziologie. [7, 8, 9, 10] Andererseits versteht sich das Kompetenzmanagement als Disziplin der Organisationswissenschaften, insbesondere der Organisationsentwicklung, Strategischen Unternehmensführung und Betriebswirtschaftslehre. [2, 5, 6, 11, 12, 13, 14]. Soziologische und psychologische Anwendungsmodelle konzentrieren sich in diesem Zu- © GITO-Verlag Bild 2: Kompetenzrad am Beispiel des CSC Ploenzke Dienstleistungsmodells. sammenhang meist auf die Entwicklung von Kompetenzklassifikationen und Beschreibung individueller und kollektiver Kompetenzarten [8] sowie der Regulierung von Lernprozessen beim Individuum [9, 10]. Organisationswissenschaftliche Modelle hingegen beantworten vorwiegend Fragen zum strategischen Aufbau und der Aggregation von Kompetenzen [5, 6, 15, 16] sowie deren Verteilung und Ausrichtung an betrieblichen Prozessen [17, 18, 19; 13, 14]. Durch den selbstreferentiellen Bezug, den jede Disziplin für sich einnimmt, gibt es nur wenige Schnittstellen für einen interdisziplinären Austausch. Dies führt in direkter Folge zu „blinden Flecken“ in der Modellierung von übergreifenden Kompetenzmanagement-Ansätzen. Da Kognitionswissenschaften und Organisationswissenschaften stark voneinander abgegrenzt sind, fehlt das gemeinsame „Weltbild“ für ein homogenes Verständnis eines Kompetenzmanagements. So weisen die Lernmodelle der Kognitionswissenschaften Schwächen bezüglich unternehmerischen Fragen, wie z.B. kompetenzorientierte Prozessund Projektgestaltung auf. Die Modelle der Organisationswissenschaften übersehen zumeist die spezifischen Eigenschaften, Klassifizierungen und Transferprobleme von individuellen Kompetenzen während die Modelle aus Psychologie und Soziologie geschäfts- und prozessorientierten Belangen nicht genügend Beachtung schenken. Bestehende Modelle verfolgen entweder die eine oder die andere Sichtweise – niemals aber einen integrativen Ansatz. Die Herausforderung für die Praxis besteht in der Entwicklung einer integrierten Sicht, der wir in diesem Beitrag näher kommen wollen. Modell des integrativen Kompetenzmanagements An dieser Stelle möchte der Autor den Versuch unternehmen, ein praxiserprobtes Modell für ein integratives 33 Personalmanagement Kompetenzmanagement aufzuzeigen. Bewusst wird in diesem Zusammenhang auf die ausführliche theoretische Auslotung aller Basisbegriffe und -konzepte verzichtet, die einem Kompetenzmanagement zugrunde liegen. Eine umfassende Darstellung der verwendeten Terminologien im Kompetenzmanagement sowie zahlreiche Praxisbeispiele findet sich in „Kompetenzmanagement in der Praxis“, North/Reinhardt, Gabler Verlag 2005 [14]. Da sich dieses Modell vorwiegend an den Praktiker richtet, sollen lediglich aus Gründen der Verständlichkeit einige Arbeitsbegriffe eingeführt werden, um eine unscharfe Darstellung des Modells zu vermeiden: • Kompetenzmanagement: Kompetenzmanagement ist eine Managementdisziplin mit der Aufgabe, Kompetenzen zu beschreiben, transparent zu machen sowie den Transfer, die Nutzung und Entwicklung der Kompetenzen, orientiert an den persönlichen Zielen des Mitarbeiters sowie den Zielen der Unternehmung, sicherzustellen. • Kompetenz: Die Kompetenz einer Person beschreibt grundsätzlich eine Relation zwischen den an eine Person oder Gruppe herangetragenen oder selbstgestalteten Anforderungen und ihren Fähigkeiten bzw. Potentialen, diesen Anforderungen gerecht zu werden. • Kompetenzportfolio: Das Kompetenzportfolio einer Person oder Gruppe beschreibt die Gesamtheit aller Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur Verfügung stehen, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Das Kompetenzportfolio kann in fachliche, methodische und soziale Kompetenz unterteilt werden. • Kompetenzanpassung: Kompetenzanpassung ist die Abstimmung und Ausgestaltung der individuellen Mitarbeiterkompetenzen in Hinblick auf die vom Unternehmen benötigten Kompetenzen. Die Implementierung eines Kompetenzmanagements im Unternehmen kann nach einem vom Autor entwickelten und in der Praxis geprüf- 34 ten Vorgehensmodell in verschiedenen Phasen realisiert werden. Je nach Komplexität der Bedingungen im Unternehmen kann die Ausgestaltung der einzelnen Phasen mehrere Monate in Anspruch nehmen. Das Modell beruht auf dem Grundgedanken, dass sowohl der Mitarbeiter selbst sein individuelles wie auch das Unternehmen das aggregierte organisationale Kompetenzportfolio steuern, anpassen und entwickeln kann. Eine Synchronisation beider Interessenlagen ist diesem Modell zueigen. Die Umsetzung des Modells soll für wissenschaftsferne Anwender einfach nachvollziehbar und an unternehmensspezifische Bedingungen anpassbar sein. Durch den modularen Aufbau des Modells soll der Praktiker in die Lage versetzt werden, das Modell den Bedingungen seines Unternehmens anzupassen. Die Vorgehensweise kann in die Phasen Identifikation, Validierung und Transfer untergliedert werden. Identifikationsphase Beginnend mit der Analyse werden systematisch die im Unternehmen vorhandenen und strategisch wichtigen Geschäftsfelder, Prozesse, Produkte, Dienstleistungen, Projekte und Technologien hinsichtlich geschäftsrelevanter Kompetenzfelder untersucht. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird eine strategische Zielrichtung für das Kompetenzmanagement bestimmt (z.B. Prozessdesign für eine kompeten- zorientierte Weiterbildung; Neuaufbau einer spezifischen Unternehmenskompetenz etc.). Aus den Ergebnissen der Analyse erfolgt die Ableitung der Einzelkompetenzen, die für die organisationsabhängigen Aufgaben der Mitarbeiter relevant sind (Aufgabenkatalog). Aus diesem Katalog werden organisationsunabhängige Rollen und die dafür notwendigen Kompetenzen abgeleitet (Rollenkatalog). Neben dem von der Organisationsstruktur vordefinierten Arbeitsgebiet sind Personen in einem Unternehmen in bestimmte Rollen eingebunden (z.B. Stratege, Kreativer, Netzwerker usw.). Um eine Rolle ausfüllen zu können sind spezifische fachliche, methodische und soziale Kompetenzen vonnöten. Hier besteht die Besonderheit, dass eine Person mehrere Rollen einnehmen kann. Unabhängig von Funktion und Hierarchie wird für jede Rolle ein eindeutiges Soll-Kompetenzprofil erstellt, das jeweils in fachliche, methodische und soziale Komponenten zerlegt wird (drill-down). In einem Kompetenzkatalog werden Aufgaben- und Rollen-bezogene Kompetenzen aggregiert und nach Kerngeschäftsfeldern strukturiert. Validierungsphase In der Phase der Validierung werden anhand des Soll-Kompetenzkataloges die Ist-Kompetenzen der Mitarbeiter erfragt. Diese Befragung kann entweder analog oder digital erfolgen. Unterneh- Tabelle 1: Differenzierungsgrad der Kompetenzen. Autor(en) Skalierungsansatz Skalierungsstufen Dreyfus und Dreyfus (1987) 5-stufig Novize, Fortgeschrittener, Anfänger, Kompetent Handelnder, Situationsgerecht Handelnder, Experte Götte (1990) 3-stufig Laie, Profi, Experte Patel und Groen (1991) 4-stufig Novize, Fortgeschrittener, Subexperte, Experte Faix (1991) 4-stufig Problembewusstsein, Wissen, Können, Expertentum Enzinger (1998) 3-stufig Novize, Fortgeschrittener, Experte North und Reinhardt (2005) 3-stufig Kenner, Könner, Experte ERP Management 3 (2007) 1 K. Reinhardt: Kompetenzen steuern - Modell des integrativen Kompetenzmanagements men können sich dabei auf strategisch wichtige Mitarbeitergruppen konzentrieren (z.B. Forschung und Entwicklung, IT-Mitarbeiter). Der Kompetenzgrad, d.h. die Ausprägungen der Einzelkompetenzen werden auf einer vorher festgelegten Expertiseskala erfasst und somit messbar gemacht, z.B. auf einer dreistufigen Expertiseskala [14]. Je größer der Differenzierungsgrad, desto besser lassen sich Kompetenzen beurteilen. Um eine differenzierte Beurteilung zu erreichen, kann zusätzlich eine Einschätzung nach der Kompetenzdomäne erfolgen. Eine Unterscheidung kann dabei in „theoretische“ und „praktische“ Kompetenz vorgenommen werden. Die Kompetenzdomäne sagt aus, inwieweit die jeweilige Einzelkompetenz einen praktischen Bezug aufweist. Dieser Praxisbezug wird auch als als „Praktise“ bezeichnet. In Workshops mit Mitarbeitergruppen, in Einzelgesprächen mit dem Vorgesetzten und/oder durch Selbsteinschätzung durch die Mitarbeiter werden die Kompetenzprofile auf ihre Validität überprüft und ggf. abgeändert. Das Ergebnis ist eine Übersicht, wer, wo im Unternehmen über welche Kompetenzen im Einzelnen (Mitarbeiter Kompetenzprofil) oder im Gesamten (Gruppe Kompetenzkarte) verfügt. Unterstützung bei der Reflexion und Analyse der Ergebnisse leisten hier verschiedene Visualisierungstechniken, die den Datenbestand in komprimierter Form wiedergeben und Entscheidungen erleichtern. Bewährt hat sich insbesondere das von North und Reinhardt entwickelte „Kompetenzrad“, in dem die Kompetenzen (Merkmale) von außen nach innen in den drei Stufen abgetragen und visualisiert werden [14]. Transferphase Aufbauend auf der Transparenz des Kompetenzbestandes kann der Kompetenztransfer zwischen den Mitarbeiter, je nach Kompetenznachfrage und –angebot im Unternehmen, sehr genau ausgestaltet werden. Voneinander isolierte Einzelkompetenzen sind organisationsweit transparent und können vernetzt werden. Geeignete technische © GITO-Verlag Lösungen unterstützen dabei die dynamische bzw. periodische Aktualisierung und Verteilung der Kompetenzinformationen. Durch ein „tracking“ der Vernetzungsmuster zwischen den Mitarbeitern kann eine organisationsweite Diagnose der Lern- und Kompetenzmuster erfolgen. Als Steuerungsinstrument eingesetzt, kann die Unternehmensführung die Ergebnisse der Kompetenz-Verlaufsmuster als Basis zur Verbesserung des Kompetenzmanagements und der spezifischen Anpassung des Vernetzungskonzeptes einsetzen. Durch Untersetzung des Modells mit einem auf das Unternehmen angepassten Kennzahlensystem, wird ein permanentes Controlling und aktives Ausgestalten des Kompetenzbestandes möglich. Dieses Konzept verbindet die Ebene des Mitarbeiters mit der des Unternehmens. Es umfasst alle Maßnahmen, Methoden und Werkzeuge zur anwendungsorientierten und unternehmensindividuellen Identifikation, dem Transfer sowie der Entwicklung von Mitarbeiterkompetenzen, mit dem Ziel, nachhaltig die wirtschaftliche Handlungskraft der gesamten Organisation zu erhöhen. Da Kompetenzmanagement keine institutionalisierte Disziplin, sondern ein von allen Mitarbeitern gelebtes und verstandes Konzept ist, müssen Bausteine des Kompetenzmanagements in jedem geschäftsrelevanten Unternehmensprozess verankert werden. Ohne diesen integrativen Leitgedanken ist es nicht möglich, ein durchgängiges Kompetenzmanagement zu gestalten. Ziellinien des Modells Da das hier Leitbild den integrativen Gedanken in ein konkretes Prozessmodell überführt, soll an dieser Stelle noch auf die Aufgaben eingegangen werden, die das Modell verfolgt. Repräsentation und Reflexion Das vorliegende Modell dient der Verbesserung der Repräsentation und der damit verbundenen höheren Reflexionsmöglichkeit hinsichtlich des Kompetenzbestandes. Mitarbeiter wie auch das Management haben die Möglichkeit sich über die Kompetenzbestände einen systematischen Überblick zu verschaffen und operative Interventionen zur Anpassung einzuleiten. Kompetenzdefizite und Kompetenzstärken können erkannt und Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden. Der Mitarbeiter selbst kann abschätzen, welche Kompetenzen er oder sie im Vergleich zu anderen Kollegen aufweist. Ängste werden dadurch abgebaut und Entwicklungschancen einschätzbarer. Verteilung & Entwicklung Der fragmentierte Kompetenzbestand kann schneller im Unternehmen verteilt und genutzt werden. Es kann bei entsprechenden Rahmenbedingungen ein Kompetenzmarktplatz entstehen. Mitarbeiter können in Problemlösungsprozessen schneller in Kontakt treten und Wissen austauschen. Netzwerke entstehen und neues Wissen wird innerhalb von Interessengemeinschaften (Projektteams, Forschungsgemeinschaften etc.) gemeinsam entwickelt. Strategische Personalentwicklungskonzepte können auf Basis des Modells gestaltet und integriert werden. Karriere- und Entwicklungspläne werden transparenter und können gezielter auf die Kompetenzprofile der Mitarbeiter zugeschnitten werden (z.B. Differenzierung zwischen Fach- und Führungskräfteentwicklung). Gesamtergebnis ist ein organisationsweites Kompetenzverteilungs- und Entwicklungsmodell, das sowohl organisationale wie auch individuelle Lernprozesse berücksichtigt und fördert. Betriebliche Interventionen Für den langfristigen Erfolg eines Kompetenzmanagements ist es wichtig, den betrieblichen Rahmenbedingungen besondere Beachtung zu schenken. Das Management muss für ein Gesamtkonzept die im Folgenden erläuterten Gesichtspunkte in die Ausgestaltung eines unternehmensindividuellen Modells einbeziehen. Oftmals ist es falsch, eine „Big-Bang“-Strategie 35 Personalmanagement für Kompetenzmanagement-Projekte zu wählen. Vielmehr muss das Unternehmen Kompetenzmanagement „lernen“. Nur so besteht die Möglichkeit, dass das Projekt in der Organisation organisch wachsen kann [20]. Hierzu sind insbesondere die folgenden Felder zu gestalten: Markt und Strategie Strategische Entscheidungen determinieren die Kompetenzen, die mit einem Kompetenzmanagement gesteuert werden können. Viele mittelständische Unternehmen verändern aus Gründen des harten Wettbewerbs ihre Strategie in Richtung eines Dienstleistungsunternehmens. Wandelt sich die Kompetenzausrichtung, muss ein Kompetenzmanagement sich den Rahmenbedingungen anpassen können. Organisation und Strukturen Die Organisations- und Kompetenzstrukturen sind in jedem Unternehmen unterschiedlich. Die Ziele, die ein Kompetenzmanagement erfüllen soll, müssen sich an diesen Strukturen ausrichten. Dazu zählen vor allem der hierarchische Aufbau, die Entscheidungsebenen, Entscheidungsinstitutionen (Betriebsrat usw.) sowie die Verteilung und der Bestand der Kompetenzen. Flache Hierarchien erfordern im Gegensatz zu einem stark hierarchischen Unternehmen z. B. ein anderes Rollenund Rechtesystem. Prozesse und Technologien Ein Kompetenzmanagement muss bei einem Produktionsunternehmen aufgrund unterschiedlicher Prozesse und technischer Infrastrukturen anders gestaltet werden als in einem Beratungsunternehmen. Die im Unternehmen schon vorhandene Technologie setzt Maßstäbe an ein Skill-Management und die Verbreitung des Systems. Nicht jeder hat z. B. heute schon einen Internetzugang oder kann per E-Mail kommunizieren. Diese Voraussetzungen müssen in der Prozessgestaltung Beachtung finden. Um eine Systemintegrität im Unternehmen zu gewährleisten ist die Anpassung betriebli- 36 cher Rahmenbedingungen vorzunehmen. Nur so kann eine permanente Überprüfung und Ausbau des Systems gewährleistet werden. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten betrieblichen Interventionsfelder auf: • Strategische Interventionen, d.h. die Formulierung und Einbindung einer Kompetenzstrategie in die Unternehmensstrategie, Unterstützung durch das Top-Management und evtl. Bereitstellung von Budget und Ressourcen; • Interventionen in Projektmanagement und Geschäftsprozesse, d.h. Einbindung von Kompetenztransferprozessen in die bestehenden Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse sowie in das Projektmanagement; • Räumliche Interventionen, d.h. Bereitstellung des Zugangs und Nutzung zum Kompetenzsystem am Arbeitsplatz für alle Mitarbeiter, • Zeitliche Interventionen, d.h. Mitarbeitern und Management müssen zeitliche Ressourcen zur Pflege, Kontrolle und Aktualisierung des Kompetenzsystems zur Verfügung stehen; • Personale Voraussetzungen, d.h. Vergabe klarer Verantwortlichkeiten zur Klärung von Fragen bei der Einstufung und der Pflege des Kompetenzsystems; • Technische Voraussetzungen, d.h. bei unternehmensweiter Einführung eine geeignete Softwarelösung zur Speicherung, Verteilung, Visualisierung und Auswertung bereitstellen; • Rechtliche Voraussetzungen, d.h. die Ausarbeitung einer Betriebsvereinbarung, die Einbindung des Betriebsrates und der Personalabteilung sowie die Entwicklung eines Datenschutzkonzeptes; • Kulturelle Interventionen, d.h. Schaffung von Akzeptanz unter Mitarbeitern und Management durch Kommunikations- und Motivationskonzept (evtl. IncentiveKonzept), das begleitend zum Kompetenzsystem läuft. Durch diese „Stellschrauben“ kann das Modell sehr genau ausgestaltet und an unternehmensindividuelle Rahmenbedingungen angepasst werden. Das Modell bildet daher nur einen Rahmen, der für konkrete Tätigkeitsfelder und Organisationen spezifisch ausgestaltet werden muss. Jedes einzelne Feld muss mit den jeweiligen Bedingungen im Unternehmen abgestimmt werden. Dazu gehören Bereiche wie Rollendefinitionen, Strategie- und Reflektionsprozesse, der rechtliche Rahmen, kommunikative Abläufe, Entlohnung und Incentive-Systeme bis hin zum Marketing des Projektes. Die Details zur Implementierung finden Sie in Kapitel 5 „Kompetenzmanagement implementieren“ in [14]. Fazit Das vorgestellte Modell vereint Elemente verschiedener Kompetenzmanagement-Ansätze und überführt sie in einen praxisnahen Handlungsrahmen. Es kann sowohl zur Kontrolle und Entwicklung des Ist-Kompetenzbestandes als auch zur Festlegung von Sollkompetenzen verwendet werden. Das Verfahren enthält einen Beurteilungsrahmen für die Klassifikation und Selbsteinstufung von Kompetenzen sowie ein Vorgehensmodell zur individuellen Einstufung und ein Implementierungsmodell für Organisationen. Das Modell bildet daher die Grundlage, für die Synchronisation von Individual- und Organisationskompetenz. Es schafft einen Rahmen für den zukünftigen Ausbau eines integrativen Kompetenzmanagements. Literatur [1] Mildenberger, U.: „Wissensmanagement versus (Kern-) Kompetenzmanagement – Ein Versuch der Abgrenzung”; in: Bellmann, K.; Freiling, J.; Hamann, P.; Mildenberger, U. (Hrsg.): „Aktionsfelder des Kompetenzmanagements“; Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden (2002); S. 293-307 [2] Bach, V.; Österle, H.; Vogler, P.: „Business Knowledge Management in der Praxis“; Springer Verlag; Berlin (2000) [3] Krüger, W/ Homp, C.: „KernkompetenzManagement: Steigerung von Flexibilität und Schlagkraft im Wettbewerb“; Wiesbaden (1997) ERP Management 3 (2007) 1 K. Reinhardt: Kompetenzen steuern - Modell des integrativen Kompetenzmanagements [4] Rudorfer, W.: „Eine Methode zur Qualifizierung von produzierenden Unternehmen für Kompetenznetzwerke“; in: Forschungsberichte iwb; Hrsg.: Reinhart, G.; Herbert Utz Verlag, München (2001) [5] Probst, G.J.B.; Deussen, A.; Eppler, M.J.; Raub, S.P.: „Kompetenzmanagement – Wie Individuen und Organisationen Kompetenz entwickeln“; Gabler Verlag, Wiesbaden (2000) [6] Freiling, J.: „Ressource-based View und ökonomische Theorie“; Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden (2001) [7] Gruber, H.; Renkl, A.: „Wege zum Können – Determinanten des Kompetenzerwerbs“; Verlag Hans Huber, Bern (1997) [8] Hänggi, G.: „Macht der Kompetenz: Ausschöpfung der Leistungspotentiale durch zukunftsgerichtete Kompetenzentwicklung“; Frechen-Königsdorf; 1998 [9] Erpenbeck, J.; Heyse, V.: „Die Kompetenzbiographie“; Waxmann Verlag, Münster (1999) [10] Erpenbeck, J.; Heyse, V.: “Kompetenzbiographie – Kompetenzmillieu – Kompetenztransfer: Zum biologischen Kompetenzerwerb von Führungskräften der mittleren Ebene, nachgeordneten Mitarbeitern und Betriebsräten“; QUEMreport, Heft 62, Berlin (1999) [11] Nonaka, I.; Takeuchi, H. “The Knowledge-Creating Company”; Oxford University Press (1995) [12] North, K.: „Wissensorientierte Unternehmensführung“;. Gabler Verlag, Wiesbaden; 3. Auflage [13] Reinhart, G.; Weber, V.; Broser, W.: Kompetenz und Kooperation – Kompetenznetzwerke als Organisationsmodell für die Produktion der Zukunft“; in: Milberg, J.; Schuh, G. (Hrdg.): “Erfolg in Netzwerken”; Springer Verlag, Berlin (2002), S. 287-300 [14] North, K.; Reinhardt, K.: „Kompetenzmanagement in der Praxis – Mitarbeiterkompetenzen systematisch identifizieren, nutzen und entwickeln“; Gabler Verlag, Wiesbaden (2005) [15] Prahalad, C.K.; Hamel, G.: “Competing for the Future”; Harvard Business School Press (1994) [16] Freimuth, J.(Hrsg.)/ Haritz, J./ Kiefer, B.-U.: „Auf dem Wege zum Wissensmanagement: Personalentwicklung in lernenden Organisationen“; Göttingen; (1997) [17] Argyris, C.; Schön, D.A.: “Organizational Learning II. Theory, Method, and Practice” Reading, Massachusetts (1996) [18] Bellmann, K.; Freiling, J.; Hamann, P.; Mildenberger, U. (Hrsg.): „Aktionsfelder des Kompetenzmanagements“; Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden (2002) © GITO-Verlag [19] Milberg, J.; Schuh, G. (Hrdg.): “Erfolg in Netzwerken”; Springer Verlag, Berlin (2002) [20] Reinhardt, K.: Studie Betriebliches Kompetenzmanagement – Chancen und Herausforderungen für die Praxis, Magdeburg, Fraunhofer IFF (2004) Stichwörter: Kompetenzmanagement, Wissensmanagement, Skill Management, Kompetenzmodell, Ressourcenbasierte Sichtweise, Kompetenzprofile, Kompetenztransfer Kontakt Dipl.-Betrw. Kai Reinhardt, MBA Zietenring 12 65195 Wiesbaden Phone.: +49-163-5112725 Fax.: +49-611-4454017 [email protected] www.kaireinhardt.de Concept of Integrative Competence Management for improving the Corporate Competence Processes The present state of research on competence management does provide just a few findings regarding general terminology and suitable models respectively to be used in practice. Current concepts are mostly too complex and driven by researchers rather than by hands-on experts. This article presents a model for integrated competence management, which gives approaches from both cognitive science and organizational science a practical framework of action. KewWords: Competency Management, Knowledge Management, Skill Management, Competence Model, Resource Based View, Competence Based View, Competence Profiling, Competence Transfer 37
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