Die 020

Die „020“ - Pestschutzimpfung war leider kein Spaß
Wir alle nahmen diese Schutzimpfung in Kauf, da wir eh keine andere Alternative
hatten. War auch so eigentlich kein Problem - außer bei den Leuten, die die Impfung
nicht so gut vertragen haben und wahre „Pestbeulen“ am Arm bekamen. Ich gehörte
aber nicht zu den bedauernswerten Jungs. Außerdem war diese Impfung nur ein Teil
der gesamten „Wüsten-Immunisierung“. Wir bekamen - die volle Bandbreite von der
Schluckimpfung, über die Spritzenimpfung bis hin zur „Ritzimpfung“ - ... und überall
hätte es ungewollte Nebenwirkungen geben können, nur, dass man bei uns im Osten
nicht den „Arzt oder Apotheker erschlagen“ konnte ! Auf der anderen Seite hatten diese
ganzen Impfungen möglicherweise ja auch etwas Positives ! Wer weiß das schon
vorher !?
Das größte Übel in der kasachischen Steppe waren wohl die Insekten, die dort herum
fleuchten. Laut Einweisung des russischen Standortarztes, die wir stets bekamen, war
neben den Skorpionen vor allem die „Schwarze Witwe“ die Hauptgefahr für die
Gesundheit des Menschen in dieser Steppenregion. Wenn man nicht innerhalb von 20
min nach dem Biss einer solchen Spinne Hilfe in Form des Gegengiftes bekam, dann
war’s das wohl für immer ! Also auf die Spinne achten ! Von irgendwelchen
Pestproblemen hat allerdings niemals irgend jemand etwas erwähnt.
War ja so auch kein Thema, zumindest dachten wir das bis dahin ............
In der „Wüste“ (Wir nannten sie immer so, es gab dort immerhin 3 bis 4 m hohe
Sanddünen und Kamelherden !), traf man manchmal auf kleine, niedliche Tierchen, die
in Erdhöhlen wohnten : Erdhörnchen - mit russischem Namen SUSLIK’s - lustig
anzuschauen - eine Art Mischung aus Maus und Eichhörnchen. Diese, für Europäer
unbekannten, bodenbewohnenden Tierchen gab es massenhaft draußen im
Steppensand. Der lateinische Name dieser Perlziesel-Art ist Citetellus Sulicius.
Es war eine echte Abwechslung im trüben Wüstenleben. Wenn wir die scheuen
Tierchen mal zu Gesicht bekommen haben, haben wir uns an ihrem Anblick erfreut.
Nun geschah es, dass während unseres Aufenthaltes 1989 eine Gruppe russischer
Soldaten täglich rund um das Unterkunftsobjekt in der Steppe unterwegs war. Sie
haben die niedlichen Susliks gefangen und getötet. Diese kamen dann auf einen
großen Haufen, wurden mit Benzin übergossen und verbrannt. Als wir uns darüber
empörten, sagte man uns, dass es eine Überpopulation dieser Art gäbe und man einen
gewissen Teil töten müsste, um das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen.
Durch die Erklärung erst mal beruhigt, ließen wir es dabei bewenden.
Die eigentliche Erkenntnis kam aber erst später, als wir zurück in der DDR waren.
Ein paar Tage nach unsere Ankunft gab es Zeitungsmeldungen, wonach genau in der
Region, in der wir uns aufgehalten hatten, mehrere Fälle von PEST aufgetreten sind.
Nach einigen Recherchen fanden wir dann auch heraus, dass Kasachstan eine der
pestgefährdetsten Regionen der Erde ist. Flöhe und Läuse, die im Fell der Nager
(Wüstenrennmaus, Erdhörnchen) wohnen, übertragen das Bakterium, das die Pest
auslöst, mit ihrem Biss auf den Menschen. Haben die Flöhe bei ihrem Biss den Erreger
übertragen, können die Yersiniabakterien sich als langsame Beulenpest oder als rasant
ablaufende Lungenpest entwickeln. Das, was die sowjetischen Genossen mit der
Verbrennung der Suslik -Kadaver taten, war also keine Maßnahme zur Regulierung der
Überpopulation, sondern zur Eindämmung der PESTGEFAHR. ... Ja, ja - diese netten,
niedlichen Tierchen ... und unsere lieben „Waffenbrüder“, ... sie wollten uns halt nicht
beunruhigen ! Dank der „020“ gab es bei unserem Personal aber keine Probleme. Mir
ist zumindest bisher nichts dergleichen zu Ohren gekommen. Wenn man heute die
Nachrichten aufmerksam verfolgt, dann hört man aber immer wieder, dass die PEST in
dieser Region auch weiterhin ein Thema ist !!!