Schüleraustausch mit Japan – Hiroshima University High School in Hiroshima, November 2015 Was gehört an den Anfang einer richtigen Reise? Ein ordentlicher Abschied natürlich! Und den bekamen wir, als wir unsere Japan-Reise am 07.11.2015 von Bad Kreuznach aus antraten. In Begleitung von Frau Dr. Schwarz und Herrn Hübscher ging es nach Frankfurt, von wo aus wir fünf Schüler (und zwei Lehrer) einen 12stündigen Flug nach Tokio über die schier endlosen Weiten Sibiriens zu bewältigen hatten. Der Blick auf die größte Metropolregion der Welt sollte sich uns allerdings erst auf dem Rückflug bieten. Von Tokio flogen wir noch einmal 90 Minuten zu unserem eigentlichen Ziel: Hiroshima. Am Flughafen empfing uns ein bereits bekanntes Gesicht im Deutschland-Trikot, strahlend über beide Backen: Prof. Dr. Urabe von der University of Hiroshima begleitete uns, gemeinsam mit Herrn Higuchi zu unserem Hotel, wo wir die erste Nacht verbrachten. Herr Higuchi und Herr Kajiyama (der am Bahnhof von Hiroshima zu uns stieß) sind Lehrer der Hiroshima University High School, welche den Austausch mit dem Stama organisierte. Am Abend der Ankunft wurden wir von unserem Empfangskomitee zum Essen in einem kleinen, sehr traditionellen japanischen Restaurant eingeladen. Nicht nur dass es traditionell japanisch war – wir bekamen auch noch das regionaltypische Gericht „Okonomiyaki“ (wobei es sich um eine Art Kombination aus Pfannkuchen, Omelette und Nudeln mit verschiedenen Zutaten wie Tintenfisch, Gemüse, etc. handelt – nicht zu vergleichen mit irgendetwas hier in Deutschland) zu essen, welches in dieser Ausprägung nur in Hiroshima vorkommt! Und gleich das erste Abendessen begeisterte uns alle nachhaltig! Danach fielen wir müde in die Betten unseres Hotels, am nächsten Tag sollten wir unsere Austauschpartner treffen. Früh morgens fuhren wir mit der Straßenbahn zur Schule, wo wir unser Gepäck in einem Klassenraum verstauten und dann den ersten Kontakt mit der japanischen Schülergruppe hatten. Die anfängliche – den Umständen entsprechende – Distanz brachen speziell die jungen Damen unter uns mit einer herzlichen Umarmung… Die Überraschung wich schnell ehrlicher Offenheit und ab da sollten wir als japanisch-deutsche Gruppe immer mehr zusammenwachsen. Das Programm des ersten Tages beinhaltete eine Fahrt zur Hiroshima vorgelagerten Insel „Miyajima“. Dort besichtigten wir den „Itsukushima“-Schrein, welcher eines von elf Weltkulturerbestätten in Japan ist. Er stellt das Zentrum der heiligen Insel dar und wurde bereits im 6. Jahrhundert errichtet. In Verlängerung des Schreins konnten wir einen roten hölzernen Torbogen etwa 200 Meter vor dem Schrein im Meer sehen – „Torii“ ist weltberühmt und als Wahrzeichen Japans gibt es unzählige Fotografien davon, jetzt auch ein Selfie mit fünf deutschen Schülern darauf. „Miyajima“ hatte neben dem Schrein aber auch noch den Berg „Misen“ zu bieten. Beim Aufstieg zur Seilbahnstation wanderten wir durch einen traumhaften japanischen Wald, welcher in rot, gelb, orange und grün leuchtete. Leider wurden wir am Ende für den doch recht anstrengenden Weg nur teilweise belohnt; Oben auf dem Berg versperrten uns dichte Wolken die normalerweise wunderschöne Sicht über die Bucht von Hiroshima. Und wie hätte es anders sein können: Als wir wieder unten waren, brachen die Wolken auf und die Sonne begann zaghaft zu scheinen. Zum Abschluss auf der Insel gingen wir in ein großes Aquarium. Nicht zu vergessen ist die Süßigkeit, die einige von uns probierten: „Momiji Manju“ ist ein beliebtes Gebäck aus Mehl, Reispulver und Buchweizen mit einer Füllung aus roter Bohnenpaste. Ähnlich wie am Vorabend war der Geschmack für uns gänzlich neu und ausgesprochen gut! Nach diesem ersten, ereignisreichen Tag fuhr jeder von uns mit seinem Austauschpartner nach Hause, wo wir das erste Mal unsere Gasteltern kennen lernten. Der nächste Tag spielte sich hauptsächlich in der Schule ab. Sowohl wir als auch die Japaner hatten Vorträge und Präsentationen vorbereitet, die sich mit nachhaltiger Stadtentwicklung und Energiegewinnung befassten. Wir deutschen Schüler versuchten uns kleidungstechnisch ein wenig an die japanischen Maßstäbe anzupassen, da die japanischen Schüler jeden (!) Tag in Schulkleidung auftraten, selbst wenn wir nicht in die Schule gingen. Schulkleidung in Japan ist Sache jeder Schule, in diesem Fall hieß das Hemd, Anzughose und traditionell gehaltenes Jackett für die Jungen und knielanger Rock, Bluse und Blazer für die Mädchen. Etwas skurril fanden wir jedoch, dass die Auswahl der Schuhe jedem selbst überlassen war, was zu bunten Überraschungen neben den schlichten Uniformen führte. Apropos Schuhe: dass man überall seine Schuhe ausziehen muss und Hausschuhe hat, stimmt. So gibt es selbst vor jedem Klassenraum ein Regal mit Hausschuhen. Die Vorträge nahmen einiges an Zeit in Anspruch. Am späten Nachmittag hatten wir Freizeit, die wir in den Familien oder mit unseren Austauschpartnern verbrachten. Natürlich war das bei jedem von uns unterschiedlich. In den Genuss einer echten japanischen Sushi-Bar kam allerdings jeder von uns. Die Fülle an verschiedenen Sushis als auch der Geschmack, sind mit den meisten deutschen Sushi-Bars tatsächlich nicht zu vergleichen. Auch die von uns, die noch nie Sushi probiert hatten und rohem Fisch grundsätzlich skeptisch gegenüber stehen, waren wirklich begeistert. Allgemein kann man rückblickend sagen, dass, neben einigen wenigen Ausnahmen (wässriger, „komisch“-schmeckender Rettich mit brauner Soße), sich keine unserer Bedenken bezüglich der Essbarkeit und des Geschmacks unserer Speisen bewahrheitete. Der darauf folgende Tag war ein sehr emotionaler Tag für uns. Zuerst besuchten wir morgens die Stromverteilzentrale des Bezirks Chugoku, im Süd-Westen Japans. Ein Mitarbeiter des Energiekonzerns referierte für uns über die Stromgewinnung seines Unternehmens und präsentierte auch Anstrengungen, hin zu erneuerbaren Energien zu gelangen. Danach gingen wir in eine Nudel-Bar in einer Seitenstraße, wo wir leckere „Udon“ aßen. Wieder einmal sehr traditionell und gut ausgewählt von unseren Japanern! Gestärkt gingen wir dann zum ergreifendsten Punkt unseres Japanaufenthalts über. Das Museum zum Abwurf der Atombombe über Hiroshima am 6. August 1945 zeigte viele Geschichten von Betroffenen, stellte Relikte wie Kleidungsstücke von diesem Tag aus und präsentierte Bilder von Verletzung und Zerstörung. Der Gang durch die Ausstellung und der Blick auf all das Leid und Elend, was sich uns bot, berührten uns wirklich tief und ließen uns so schnell nicht mehr los. Vor dem Museum befindet sich das „Peace Memorial“, gewidmet den Toten und Geschädigten und dahinter der „Atomic Bomb Dome“, das einzige Gebäude, was in näherer Umgebung des Einschlagorts fast vollständig stehen blieb. Am Mittwoch stand uns eine lange Busfahrt bevor. Es ging für uns einmal quer über die Insel Honshu, wo wir die Möglichkeit bekamen ein Atomkraftwerk zu besichtigen! Dort sind wir wirklich außerordentlich gut empfangen worden, mit einem Mittagessen und wunderschönem 360 Grad Blick über die Landschaft und die Küste des Japanischen Meeres. Die Besichtigung an sich war sehr beeindruckend. Ohne Handys und Kameras fuhren wir mit einem kleinen Bus durch Absperrungen und Sicherheitskontrollen. Der Leiter des Atomkraftwerks begleitete uns und leitete die Führung, wie immer übersetzt von Herrn Prof. Dr. Urabe, welcher glücklicherweise hervorragend Deutsch spricht. Umwerfend war die Atmosphäre auf dem Gelände des Atomkraftwerkes. Es kam uns allen irgendwie unheimlich vor und sehr, sehr beeindruckend. Obwohl wir nicht ins Innere des Kraftwerks an den Kernreaktor kamen, war uns doch ein wenig besser zumute, als wir wieder außerhalb des Geländes ankamen. Als zweiter Punkt an diesem Tag schauten wir uns ein kleines Museum an, was sich mit der Geschichte der Stadt Matsue beschäftigt, welche ganz in der Nähe des Atomkraftwerks liegt. In einer kleinen Führung konnten wir Karten, Alltagsgegenstände, Waffen, Rüstungen und Handwerks- und Kunstarbeiten aus den letzten ca. neun Jahrhunderten bestaunen. Passend dazu erklommen wir als nächstes die Burg von Matsue, eine alte Samurai-Festung. Von der ausgesprochen hübschen Burg aus hatten wir einen tollen Blick über die Stadt und konnten den Sonnenuntergang über dem angrenzenden See bewundern. Die Rückfahrt dauerte, genau wie die Hinfahrt etwa 2 ½ Stunden, weshalb wir direkt wieder nach Hause zu den Gastfamilien fuhren. Donnerstag. Das hieß für uns: letzter richtiger, „voller“ Tag in Japan. Ja wir waren bereits ein bisschen traurig… Wir trafen uns wieder alle in der Schule, wo wir in kleinen, gemischten Gruppen (deutsch-japanisch) Vorträge erarbeiteten, die sich mit den Impressionen und Ideen zu nachhaltiger Energieentwicklung, welche wir in den letzten Tagen gesammelt hatten, befassen sollten. Das Präsentieren fand nach der Mittagspause statt. Darauf folgte die offizielle Verabschiedung seitens der Schulleiter der japanischen High School und es wurden schon leichte Ansätze von Plänen für die weitere Zusammenarbeit im kommenden Jahr angedeutet. Als wirklich allerletzten Programmpunkt in unserem wirklich voll gepackten Plan stand zum einen das Kochen von Süßigkeiten. Wiederum in kleinen Gruppen stellten wir „Wagashi“ her, eine japanische Süßspeise aus Reis und roter Bohnenpaste. Und zum anderen durften wir diese danach auch noch verzehren! Aber nicht einfach nur so… Im Kreis knieten wir uns auf den Boden in einem extra dafür vorgesehenen großen Raum und wurden von einer Schülergruppe durch eine traditionelle Teezeremonie geleitet. Das war eine sehr feierliche und bedächtige Angelegenheit und zeigte uns noch einmal die ruhige, meditative Seite Japans. Die letzte Nacht in Japan verbrachten wir dann mit Packen und einigen wenigen Stunden Schlaf, da wir sehr früh zum Bahnhof mussten um mit dem Bus zum Flughafen zu fahren. Jeder der Japaner war noch einmal da, Bilder wurden gemacht, sich ein letztes Mal Tschüss gesagt. Der Abschied war, so wie es normalerweise an das Ende einer richtigen Reise gehört, traurig und nicht sonderlich leicht. Der Rückflug tröstete uns dann aber doch noch mit einem wunderbaren Ausblick auf Tokio, sogar der „Fujiyama“ war am Horizont zu sehen. Heil und sicher landeten wir am frühen Freitag-Abend wieder in Frankfurt. Gerade mal eine Woche dauerte unsere Reise einmal um die halbe Welt nach Japan, in dieses besondere Land mit seinen besonderen Menschen. Denn so abgedroschen diese Redewendung auch sein mag, die Menschen waren das, was uns vielleicht am längsten in Erinnerung bleiben wird. Noch nie wurden wir als Fremde, als Menschen von der anderen Seite der Welt, die nur fünf Tage zu Besuch da bleiben, so unglaublich herzlich aufgenommen. Die Gastfamilien, die Lehrer, die Mitarbeiter des Energiekonzerns und alle Menschen, mit denen wir in irgendeiner Weise Kontakt hatten, überschütteten uns mit Höflichkeit, Offenheit und ehrlichem Wohlwollen – eine besonders umwerfende Erfahrung, die wir, jeder von uns wahrscheinlich nie wieder vergessen wird.
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