14 Freie Schwingungen - WWW-Docs for B-TU

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14 Freie Schwingungen
Wird ein System durch Anfangsauslenkungen oder Anfangsstöße zu Schwingungen angeregt und dann sich selbst überlassen, bezeichnet man die entstehende Bewegung als freie
Schwingung. Im Falle eines linearen Schwingers mit einem Freiheitsgrad wird sie durch das
sogenannte Anfangswertproblem bestehend aus einer homogenen Schwingungsdifferentialgleichung 2.Ordnung und Anfangsbedingungen für Lage und Geschwindigkeit beschrieben.
Für lineare Schwingungsgleichungen besteht ein abgeschlossenes Lösungskonzept zur
Berechnung der Schwingungsfunktion. Entsprechend der Schwingungsgleichung wählt
man einen parametrisierten Lösungsansatz und bestimmt die freien Parameter durch Einsetzen in die Differentialgleichung. Die gefundenen Einzellösungen können superponiert
werden, um zur allgemeinen Lösung zu gelangen. Dabei verbleiben freie Konstanten, die
durch Einsetzen in die Anfangsbedingungen ermittelt werden und auf eine spezielle Lösung
des Anfangswertproblems führen.
Ungedämpfte Schwingungen können durch trigonometrische Funktionen beschrieben werden. Charakteristische Kennwerte der Schwingung sind ihre Amplitude und Frequenz. Zu
unterscheiden sind dabei die Frequenz gemessen in Hertz [Hz] als Kehrwert der Schwingungsperiode und die Kreisfrequenz gemessen in [radńs].
Bei gedämpften Schwingungen sind verschiedene Fälle der Dämpfung zu unterscheiden,
die durch das Lehr’sche Dämpfungsmaß charakterisiert sind. Für schwache Dämpfung
bleibt das System schwingungsfähig und wird durch trigonometrische Funktionen mit exponentiell abklingender Amplitude beschrieben. Bei starker Dämpfung geht die Schwingungsfähigkeit verloren, die Lösungsverläufe sind dann Exponentialfunktionen.
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14 Freie Schwingungen
14.1 Lineare Schwingungsgleichung
Anfangswertproblem
..
.
Schwingungsgleichung:
x(t) ) 2dx(t) ) w 20x(t) + 0
Anfangsbedingungen:
Lage:
x(0) + x 0
.
.
Geschwindigkeit: x(0) + x 0
Superpositionsprinzip
Sind x 1(t) und x 2(t) Lösungen der linearen Schwingungsgleichung, dann auch
Z x(t) + cx 1(t) , c + const.
Z x(t) + x 1(t) ) x 2(t)
Beweis durch Einsetzen:
..
.
..
.
Z ǒcx 1Ǔ ) 2dǒcx 1Ǔ ) w 20ǒcx 1Ǔ + cǒx 1 ) 2dx 1 ) w 20x 1Ǔ + 0 n
Z ǒx 1 ) x 2Ǔ ) 2dǒx 1 ) x 2Ǔ )
..
..
.
.
w20ǒx 1
) x 2Ǔ
0
+ ǒx 1 ) 2dx 1 ) w 20x 1Ǔ ) ǒx 2 ) 2dx 2 ) w 20x 2Ǔ + 0 n
..
.
..
0
.
0
Beispiele
Linearisierte Pendelschwingung ö Ơ 1
g
..
ö) ö + 0
l
ö
L
m
x
Feder-Masse-Schwinger
..
d x. ) c x + 0
x)m
m
c
d
m
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14.2 Ungedämpfte Schwingungen
Anfangswertproblem
..
Schwingungsgleichung:
x(t) ) w 20x(t) + 0
Anfangsbedingungen:
Lage:
x(0) + x 0
.
.
Geschwindigkeit: x(0) + x 0
Allgemeine Lösung der Schwingungsgleichung
Lösungsansätze:
x 1(t) + sin wt
x 2(t) + cos wt
Superposition:
x(t) + A sin w 0t ) B cos w 0t ,
A, B Ů 9
Spezielle Lösung des Anfangswertproblems
Anfangsbedingungen: x(0) + x 0
.
.
x(0) + x 0
.
Lösung:
x
x(t) + x 0 cos w 0t ) w0 sin w 0t
0
cos(y * ö) + cos ö cos y ) sin ö sin y
Trigonometrie:
x(t) + C cosǒw 0t * ö Ǔ
Kenngrößen:
Periode
T + 2p
w
[s]
Frequenz
f+1
T
1[Hz] + 1 1s
0
Kreisfrequenz w 0 + 2p + 2pf
T
ƪƫ
ƪrads ƫ
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14 Freie Schwingungen
x
C
ö
w0
*C
t
14 Freie Schwingungen
14.3 Gedämpfte Schwingungen
Anfangswertproblem
..
.
Schwingungsgleichung:
x(t) ) 2dx(t) ) w 20x(t) + 0
Anfangsbedingungen:
Lage:
x(0) + x 0
.
.
Geschwindigkeit: x(0) + x 0
Allgemeine Lösung der Schwingungsgleichung
Lösungsansatz:
x(t) + e lt
Superposition:
x(t) + C 1e l1t ) C 2e l 2t ,
C 1, C 2 Ů 7
Diskussion der Eigenwerte
allgemein:
l 1,2 + * d " Ǹd 2 * w 20
Fallunterscheidung:
1) keine Dämpfung d + 0
2) schwache Dämpfung d 2 t w 20
3) Grenzfall d 2 + w 20
4) starke Dämpfung d 2 u w 20
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Diskussion der Lösungen
1) keine Dämpfung d + 0
x(t) + C 1e iw0t ) C 2e *iw0t
Euler−Formel e "iw 0t + cos w 0t " i sin w 0t
x(t) + ǒC 1 ) C 2Ǔ cos w 0t ) iǒC 1 * C 2Ǔ sin w0t
2) schwache Dämpfung 0 t d t w 0
x(t) + C 1e (*d)iw)t ) C 2e (*d*iw)t
+ e *dtǒC 1e iwt ) C 2e *iwtǓ
Euler−Formel
x(t) + e *dt(A sin wt ) B cos wt)
Trigonometrie
x(t) + Ce *dt cos(wt * ö)
x
C
ö
w
*C
t
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Kenngrößen:
Kreisfrequenz
w 2 + w 20 * d 2
Periode
T + 2p
w +
Lehr’sches
Dämpfungsmaß
D + wd +
logarithmisches
Dekrement
Ǹ
ƪrads ƫ
2p
* d2
w 20
d
Ǹd 2 ) w 2
x
í + dT + ln x n
n)1
0
99
[s]
[*]
[*]
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14 Freie Schwingungen
3) Grenzfall d + w 0
x(t)+ e *dt(A sin wt ) B cos wt)
schwach gedämpft, d t w 0 :
Grenzübergang d ³ w 0
x(t) + e *dtǒAt ) BǓ
x
t
4) starke Dämpfung d u w 0
x(t) + C 1e l1t ) C 2e l 2t ,
x
*
l 1, l 2 Ů 9
t