Mittelstand/Buyouts 4A0DB5>A34AD=64=5WA"8CC4;BCU=3;4A Foto: © fotohansel/www.fotolia.com Industrie 4.0: Droht das digitale Mittelmaß? Eine Revolution steht uns in Deutschland bevor. Neue Technologie-Start-ups formieren sich und fordern die etablierten Platzhirsche auf breiter Front heraus. Der digitale Wandel ist zwar in Deutschland seit Jahren ein brennendes Thema und auch den Begriff Industrie 4.0 hat bald jeder gehört, doch warum scheinen sich die Industrie und vor allem der industrielle Mittelstand mit dem Thema der Digitalisierung so schwerzutun? it deutlich über 50% Anteil an der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik sind kleinere und mittlere Unternehmen ein wichtiger Faktor für unser ökonomisches Fundament. Insbesondere im Süden Deutschlands konzentrieren sich die Hidden Champions. Ihre Ingenieurskunst ist bewundernswert, und ihre Lösungskompetenz für ein großes Spektrum von Problemen ist beeindruckend. Eine Lösung für den derzeitigen Wandel im Kontext der Digitalisierung stellt für sie jedoch eine ganz neue Herausforderung dar. M *=C4AB27UCIC44A0DB5>A34AD=64= Bisher versteht der Mittelstand Digitalisierung eher evolutionär. Das heißt, bei Innovationen konzentrieren sich die Anstrengungen im Wesentlichen auf die digitale Veredelung der jeweiligen Produkte. Dieser Ansatz könnte für die Zeit der disruptiven Veränderungen unpassend sein, denn es geht hier eben nicht um die nächste inkrementelle Verbesserung von Produkten und Prozessen, sondern um das grundlegende Überdenken bestehender Geschäftsmodelle und Fundamente von Unternehmen. Für diese Veränderung ist die Zeit nun gekommen, da zum ersten Mal die technologischen Voraussetzungen für eine vollumfängliche Vernetzung und Kommunikation aller Glieder in der Wertschöpfungskette vorhanden sind. Jeder Akteur, von Kunde bis Zulieferer, sowie alle Komponenten im Produktionsprozess und auch die Produkte und Teilprodukte selbst können miteinander interagieren. In diesem Veränderungsimpuls besteht Gefahr, aber auch Potenzial für den eigenen Status quo. Diese Tragweite der disruptiven Dynamik scheint vor allem der Mittelstand vielfach zu unterschätzen. 4B27U5CB<>34;;AW2:C8=34=>:DB Heute sind deutsche Unternehmen führend bei technischen Lösungen. Um aber auch zukünftig den Maßstab von Industrie- 44 produkten zu setzen, ist die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle mit Lebenszyklus- und Serviceorientierung notwendig, die auch eine Veränderung der DNA von Unternehmen erfordern kann. Der Mittelstand steht hier aber noch am Anfang. Laut einer Studie von Wieselhuber und Partner beschäftigen sich die wenigsten Unternehmen strategisch mit der systematischen Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells. Die Innovationen sind sehr häufig vom Kunden getrieben und werden noch nicht vom Anbieter initiiert. Einerseits möchte der Kunde gewisse Aufgabenbereiche nicht mehr selbst übernehmen, und andererseits kann er es auch nicht mehr, da viele Lösungen zunehmende Spezialisierung erfordern. Auf diese Weise entwickeln sich Unternehmen aber auch weiter und werden von klassischen Komponentenanbietern zu Systemanbietern. Dies ist zwar nicht proaktiv, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. Denn zukünftig wird nicht allein die beste Technik oder Funktionalität für die Entscheidung des Kunden relevant sein, sondern die Attraktivität des gesamten Geschäftsmodells. =C4A4BB0=C448B?84;4E>A70=34= Was im Bereich IT als Software as a Service schon stark verbreitet ist, kann in der Industrie schon bald als Everything as a Service Anklang finden. Zukünftige Geschäftsmodelle werden sich stärker an einer umfassenden Wertschaffung orientieren, die neben höherer Effizienz durch optimierten Ressourceneinsatz und geringer Kapitalbindung auch Wert durch Risikominimierung oder Risikoteilung schaffen. In Form von Plattformen und Infrastruktur als flexibel buchbare Dienstleistung gibt es bereits interessante Beispiele für diese Entwicklung, dennoch werden diese bisher nur von wenigen Akteuren aufgegriffen. Ein gutes Beispiel für Geschäftsmodell-Innovationen im Maschinen- und Anlagenbau zeigte in jüngerer Vergangenheit der Kompressoren-Hersteller Käser. Neben klassischen 11-2015 | VentureCapital Magazin Investitionsgütern bietet das Unternehmen auch IndustrieServices an und verkauft beispielsweise Druckluft. Als Zulieferer ist er voll in der Produktion beim Kunden integriert. Durch den hohen Vernetzungsgrad mithilfe von intelligenter Sensorik sowie von Analyse- und Steuerungssoftware ist dieses Angebot mehr als nur ein klassisches Betreibermodell. Käser verfügt durch diese Art des Produktangebots über wesentlich mehr Möglichkeiten, die Bedürfnisse des Kunden zu bedienen. Beispielsweise können die Abgabemengen flexibel und risikooptimiert bereitgestellt werden. Durch Analyse von Produktionsdaten ist zudem vorausschauende Wartung und eine erhöhte Versorgungssicherheit möglich. Im Bereich Mobilität demonstriert Daimler, der zwar im Kern immer noch Automobilhersteller mit klassischem Geschäftsmodell ist, mit Moovel einen Ansatz, der sich die Serviceorientierung zu eigen gemacht hat. Er stellt sich die Frage des Nutzens, die hinter seinem Kernprodukt, dem Auto, steht. Der Kunde möchte zu einem Großteil das Bedürfnis nach Mobilität gestillt haben, und das muss nicht zwangsläufig und ausschließlich durch das Auto erreicht werden. Das Auto ist zwar nach wie vor durch Services wie Car2Go und MyTaxi auch bei Moovel ein Bestandteil des Angebots, doch wird dem Mobilitätsbedürfnis umfänglicher Rechnung getragen, indem öffentlicher Nah- und Fernverkehr oder Leih-Fahrräder im optimierten Routenvorschlag miteinfließen. +4AC48386D=6BBCA0C4684=B8=3=827CI84;5W7A4=3 Sichtbar an diesen Ansätzen werden die Wertorientierung und das Verständnis des Kunden. Beides wird ausschlaggebend sein, um zukünftig die Bedürfnisse des Kunden zu bedienen. Wer dies am besten versteht und sein Produkt und Leistungsangebot entsprechend aufstellt, wird seine Position am Markt halten oder sogar ausbauen können. Technologie-Start-ups haben hier einen entscheidenden Vorteil. Sie müssen zwangs- läufig einen deutlich erkennbaren Mehrwert für ihre Kunden bieten und können sich nicht auf eigene bestehende Produkte als Umsatzbringer verlassen, da sie über diese nicht verfügen. Dass sie dies können, zeigen sie durch ihre iterativ entstehenden Geschäftsmodelle und sogenanntes Pivoting. Die Gründerszene macht in diesem Fall vor, was der Mittelstand noch lernen kann. Dieser kann die Herausforderung annehmen und sollte sich weder der Realität verweigern noch reaktiven Verteidigungsstrategien hingeben. Vielleicht sollte er sich wieder seiner eigenen Wurzeln und Anfänge bewusst werden. Die vermeintlichen zwei Lager verbindet nämlich ein wichtiger Punkt. Jeder Unternehmer war im Ursprung auch mal Gründer eines Startups. 0I8C Die Digitalisierung bietet zahlreiche Chancen, sich mit neuen Geschäftsmodellen auch als Mittelständler zukünftig am Markt teuer zu verkaufen. Mit dem richtigen Augenmaß, dem Willen zur Innovation und einem wiederentdeckten unternehmerischen Mut droht nicht das Szenario des digitalen Mittelmaßes, sondern die Exzellenz und Führungsrolle des deutschen Mittelstands wird fortbestehen. Christoph Sagemann verantwortet als Investmentmanager der LBBW Venture die Technologie-Beteiligungen in der Frühphase. ANZEIGE Leidenschaft Mittelstand BEWEGEN statt Versprechen BankM - Repräsentanz der biw Bank für Investments und Wertpapiere AG Mainzer Landstraße 61 D - 60329 Frankfurt am Main www.bankm.de Ansprechpartner: Dirk Blumhoff / Ralf Hellfritsch Telefon +49 (0)69-71 91 838-10 [email protected]
© Copyright 2024 ExpyDoc