Merkblatt für Richter und Rechtspfleger Kriterien zur Beurteilung der Archivwürdigkeit von Akten der Amtsgerichte § 1. Vorbemerkung Grundsätzlich liegt die Entscheidung über die Übernahme von Akten beim Hessischen Staatsarchiv Darmstadt (§ 11 HessArchG). Die maßgebenden Kriterien hierzu ergeben sich aus folgenden Rechtsvorschriften: Hessisches Archivgesetz vom 18.10.89 (GVBl. I, S. 270-274); - Aufbewahrungsbestimmungen der Justizverwaltungen des Bundes und der Länder von Nov. 1971 in der Fassung des Runderlasses des HMdJ vom 29.4.96 (JMBl. S. 145); - Gemeinsamer Erlaß des HMdI und des HMdF („Aufbewahrungsbestimmungen für Akten und sonstiges Schriftgut der Dienststellen des Landes Hessen) vom 4.12.96 (Staatsanzeiger 1996, S. 4275-4280); - Runderlaß des HMdJ vom 7.6.1998 über „Aufbewahrung und Aussonderung des Schriftgutes bei den Justizbehörden“ (JMBl. S. 603). § 2. Aufbewahrungsgrundsätze Während der Aufbewahrungsfristen ist das Schriftgut grundsätzlich dort aufzubewahren, wo es verwaltet wurde. Es ist in ordnungsgemäßem Zustand zu halten. Dauernd aufzubewahrende Akten können frühestens 30 Jahre nach Weglegung übernommen werden. Alle zur Abgabe an das Staatsarchiv bestimmten Akten sind von den jeweils zuständigen Richtern, Rechtspflegern oder sonstigen Sachbearbeitern bzw. Sachbearbeiterinnen auf der Vorderseite des Aktenumschlags als „archivwürdig“ zu kennzeichnen und im Register entsprechend zu markieren, falls eine Beurteilung der Akten nach äußeren Kriterien dies nahelegt (nachfolgend § 3), sie von rechtlicher und/oder geschichtlicher Bedeutung sind (nachfolgend §§ 4 und 5) und damit Aufschluß geben über das politische, soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Leben der Vergangenheit oder Gegenwart. Bei den Gerichten ist kontinuierlich ein Verzeichnis der als „geschichtlich wertvoll“ bzw. „archivwürdig“ gekennzeichneten Akten zu führen (vgl. JMBL 1950 S. 92). § 3. Archivwürdigkeit nach formalen Kriterien (C-, N-, VN-Akten) - Das Verfahren ist per Revision vom BGH entschieden oder zurückgewiesen worden. - Die Medien (Presse, Rundfunk oder Fernsehen) haben über den Fall berichtet. - Ein umfängliches Gutachten oder eine Dokumentation (Karten, Pläne, Fotomaterial, Plakate, Bauskizzen bemerkenswerter Gebäude) läßt eine äußerliche Auffälligkeit erkennen. § 4. Schriftgut von rechtlicher Bedeutung Insbesondere Akten über folgende Streitgegenstände: - Nachbarrechte - Reallasten und sonstige dingliche Rechte von erheblichem Streitwert, soweit ihr genauer Inhalt durch Urteil festgelegt wird - Nutzungsrechte, besonders Wasser-, Wege-, Überfahrt- und Fischereirechte - Namensrechte § 5. Schriftgut von historischer Bedeutung Insbesondere Akten zu folgenden Fallgruppen: - Verfahren, bei denen die öffentliche Hand (Bund, Land, Landkreis, Gemeinden, Kirchen, Stiftungen, Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts), politische Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen, Verbände mit berufspolitischer, sozialer und wirtschaftlicher Zielsetzung oder eine bedeutende Firma bzw. eine prominente Persönlichkeit Prozeßpartei war - Medizinische Begutachtungen, insbesondere ärztliche Kunstfehler und Beurteilungen der Geistesverfassung - Verfahren mit zeit- und regionaltypischen Besonderheiten vor allem in den Bereichen: Wissenschaft, Kunst, Medien, Sport, Umweltschutz - Konkurs-, Handelsregister- und Genossenschaftsregisterakten, die sich auf Vereine, Unternehmen, Genossenschaften mit regionaler Bedeutung und Tradition beziehen bzw. zeittypische Erscheinungen (z.B. Frauenbewegung, Ökoläden) widerspiegeln sowie Nachlaßkonkurse prominenter Personen - Schiedssprüche im Bereich internationaler Wirtschaftsbeziehungen sowie genossenschaftlicher Strukturen - Testamente, Erbscheine, Adoptionen, Vormundschaften, Ehescheidungen, Familiensachen (Aktenzeichen IV, VI, X, XVI, F) prominenter Persönlichkeiten
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