WS 14/15 - Universität Bremen

Erfahrungsbericht für mein Auslandssemester in Umeå (Schweden)
WS 2014/2015
Studium Molekularbiologie
Die Durchführung eines Auslandssemesters kann bedenkenlos jedem Studenten empfohlen
werden und sollte fester Bestandteil in der Studienplanung sein. Dabei geht es nicht unbedingt um
die Aneignung fachlicher Kompetenzen oder um das Lernen einer neuen Sprache (auch wenn dies
sicherlich Bestandteile eines Auslandsaufenthaltes sind). Es geht meiner Meinung nach vielmehr
darum seinen Horizont zu erweitern, fremde Kulturen kennenzulernen und eine vielleicht
einmalige Möglichkeit wahrzunehmen.
Ich habe mich dabei für Schweden entschieden, da es mir wichtig war in ein Land zu gehen, in dem
die mehrheitliche Bevölkerung annähernd perfektes Englisch spricht. Des Weiteren hat mich das
Kennenlernen eines (meiner Meinung nach) besser durchdachten Bildungs- und Sozialsystem sehr
gereizt. Den Norden Schwedens im Winter zu besuchen ist dabei sicherlich nicht jedermanns
Sache, doch haben mich zusätzlich zu den genannten Punkten eben auch die unterschiedlichen
Lebensbedingungen gereizt, -25°C und 4 Stunden Sonne am Tag sind schon etwas Besonderes im
Vergleich zu zentraleuropäischem Gefilden.
Die eigentliche Vorbereitung auf das Auslandssemester erfolgte bei mir ungefähr 9 Monate vor
Reiseantritt, auch wenn zahlreiche Dokumente zusammengebracht werden mussten, so war von
Seiten des International Office oder der Erasmus Koordinatoren meines Fachbereichs jederzeit
schnelle Hilfe zu erwarten - man fühlte sich also nie allein gelassen. Nachdem dann endlich die
Zusage kam, konnte auch eine Wohnung von Deutschland aus gemietet werden. Einziger
Wermutstropfen bei der Sache war, dass das schwedische Housing Office fast 900 Euro im Voraus
verlangte. Insgesamt kostete die Miete für 5 Monate um die 1500 Euro, dafür bekam ich ein 20m²
großes möbliertes Zimmer mit eigenem Bad.
Um pünktlich zur Orientierungswoche vor Ort zu sein, erfolgte die Anreise nach Umeå eine Woche
vor Semesterbeginn. Der Empfang war beeindruckend gut durchdacht, in der zentralen Aula der
Universität kamen alle Austauschstudenten zusammen, sichtlich erschöpft von der strapaziösen
Anreise wurde den Erfahrungswilligen Obst und Getränke angeboten. Nachdem der Mietvertrag
vor Ort unterzeichnet und die Schlüssel übergeben wurden spendierte die Universität ein Taxi,
welches uns direkt vor die Wohnungstür brachte. Der Ersteindruck konnte also kaum positiver
ausfallen.
Im Rahmen der Orientierungswoche wurde dann allerhand über die hiesige Kultur und
Bevölkerung erzählt sowie die Universität vorgestellt. Erste Kontakte wurden geknüpft und
weitere soziale Bekanntschaften wurden durch das universitäre Buddy Programm gemacht.
Dieses bestand aus mehreren einheimischen Studenten die mit ihren Gruppe eine Reihe von
Erlebnissen und Spielen durchführte, um u.a. den Austauschstudenten das Kennenlernen neuer
Freunde zu erleichtern. Es gab noch zahlreiche weitere Möglichkeiten um mit seinen
Kommilitonen in Kontakt zu treten. Ich selbst habe am sogenannten "International Dinner"
teilgenommen, dabei handelte es sich um eine von Studenten ins Leben gerufene Gruppierung,
bestehend aus Mitgliedern unterschiedlicher Herkunftsländer, mit dem Ziel kulinarische
Köstlichkeiten auszutauschen.
Eine weitere große Besonderheit während meines Aufenthaltes stellte die Ernennung der Stadt
Umeå zur Kulturhauptstadt Europas dar, so gab es in der Innenstadt einiges an Attraktionen zu
bestaunen und eine Reihe von Veranstaltungen dienten der Präsentation und Unterhaltung der
größten Stadt Västerbottens. Die Kultur der Samen (die indigene Bevölkerung Norschwedens)
wurde dabei besonders in den Fokus gestellt, so waren diverse samische Künstler vor Ort, um ihre
Lebensweise und Kultur vorzustellen. Dies wurde von der älteren Bevölkerung zum Teil
argwöhnisch beobachtet, wie ich selbst sehen konnte und auch von jüngeren Schweden erzählt
bekommen habe. Schließlich ist es noch nicht allzu lange her, da wurden die Samen unterdrückt
und vertrieben, es wurde ihnen verboten ihre Sprache zu sprechen oder ihre Bräuche zu
praktizieren. Die Kirche half bei dieser kulturellen Unterdrückung gerne mit und so diente das Jahr
der Kulturhauptstadt auch als Versöhnung der beiden Nordvölker.
Weiterhin erwähnenswert in der größten nordschwedischen Stadt ist das IKSU Sportcenter, dort
kann auf 15.000 m² so ziemlich jede Sportart praktiziert werden. Eine Mitgliedschaft für das ganze
Semester kostet um die 200 Euro, für sportliche Menschen mag sich das sicherlich lohnen.
Außerdem werden dort auch Ausflüge durch Skandinavien, wie bspw. Kajak Touren durch
schwedisches Wildwasser oder Höhlenklettern in Norwegen angeboten. Ich war mit einer Gruppe
für 5 Tage in Kiruna und im Abisko National Park (oberhalb des Polarkreises). Dort bin mit
Schlittenhunden und Schneemobilen gefahren und war auf der Jagd nach Polarlichtern in dieser
unwirklichen Landschaft. Wir haben das berühmte Eishotel besucht und durften die riesigen
Eisenminen unter Kiruna bewundern.
Während des Auslandaufenthaltes kann eine solche Tour nur empfohlen werden, für mich stellte
sie das Highlight meines Schwedensemesters dar.
Das studentische Leben in Umeå war sonst recht überschaubar, es gab direkt auf dem
Universitätsgelände eine Kneipe und auch eine Diskothek war nicht weit weg. Jedoch schreckten
die lokalen Preise mein spärlich gefülltes Studentenportemonnaie ab. Ein Bier kostete im
Durchschnitt 5 Euro und Mischgetränke knapp das Doppelte. Erstaunlich war für mich, dass in fast
jeder Diskothek Glücksspiel stattfand und erlaubt war. So stand fast überall ein Blackjack-Tisch
herum
an
dem
das
Studenteneinkommen
verprasst
werden
konnte.
Günstige
Wochenendalternativen fanden dann in den Wohnheimen direkt statt, zumindest im größten
Wohnheimbezirk Ålidhem war dies der Fall.
Das Studium selbst hingegen hat mir sehr gut gefallen, der Aufbau der Vorlesungen und des
praktischen Teiles, sowie der anschließenden Klausur waren klar und gut strukturiert. Ein großer
Unterschied zum Studium in Bremen ist, dass immer nur eine Veranstaltung zur selben Zeit
stattfindet. So macht man bspw. zwei Monate lang nur Mikrobiologie und schreibt dann darüber
eine Klausur und in der zweiten Semesterhälfte beginnt man mit dem nächsten Themenkomplex.
Das macht es meiner Meinung nach einfacher sich mit einem Gebiet zu beschäftigen und
komplexe Zusammenhänge besser zu erarbeiten. Die Verpflegung an der Universität geschieht
meistens über Mikrowellen, die meisten Studenten bringen ihr Essen von Zuhause mit und
wärmen es dann an der Uni auf. Mikrowellen stehen überall und in jedem komplex. Alternativ gibt
es auch mehrere Möglichkeiten warme Speisen direkt an der Uni zu kaufen, jedoch sind die Preise
recht hoch, so dass dies nicht unbedingt jeden Tag praktiziert werden kann.
In der zweiten Semesterhälfte war es mir möglich mich einem Forschungsprojekt anzuschließen,
dafür habe ich über die verschiedenen Arbeitsgruppen der Uni recherchiert und mich dann auf die
für mich am Interessantesten beworben. Zwei Monate durfte ich dann Forschungsalltag
schnuppern, in dieser Zeit habe ich viel gelernt und meine Fähigkeiten in der molekularen Biologie
auf ein neues Level gebracht. Außerdem habe ich wertvolle Kontakte knüpfen können und werde
im Sommer dorthin zurückkehren, um an einem weiteren Forschungsprojekt mitzuarbeiten.
Abschließend gilt es noch über die Schweden ein paar Worte zu verlieren. Mit Einheimischen in
Kontakt in kommen ist zu Beginn sehr einfach, die meisten Schweden sind offene und freundliche
Menschen die gerne helfen wenn sie können. Mit Einheimischen Freundschaften zu schließen ist
schon schwieriger. Auch wenn sie zu Beginn sehr offen und warmherzig sind, so ist es darüber
hinaus schwer in eine soziale Gruppe aus Einheimischen zu kommen. Viele bleiben lieber unter
sich. Oftmals konnte ich auch beobachten, dass am Wochenende wild gefeiert wird, teilweise bis
es nicht mehr geht und dann unter der Woche wird so getan als wäre nie etwas passiert und als ob
man sich nicht kenne. Ein Freund den ich während des Semesters gemacht habe brachte es nach 4
Monaten gut auf den Punkt: "Schweden ist nicht so viel anders als Deutschland, nur dunkler und
kälter."