Die Grenzen der Religionsfreiheit

Standpunkt
Die Grenzen der Religionsfreiheit
Unter dem Einfluss der neuerlichen Terrorattacken in Paris und der anhaltenden Flüchtlingsströme nach
Europa bleiben Augenmaß, bedachtsames Handeln und das Festhalten an unseren freiheitlichen,
demokratischen Grundwerten das Gebot der Stunde.
Flüchtlinge, die ihre Heimat aus Angst vor Krieg, Terror und Extremismus verlassen mussten, sind auch
weiterhin bei uns willkommen und genießen entsprechenden Schutz. Daran dürfen auch barbarische,
menschenverachtende Angriffe von islamistischen Terroristen auf unsere freiheitliche Grundordnung
nichts ändern, unabhängig davon, wo diese hasserfüllten, zu allem bereiten Extremisten letztlich
zuschlagen.
Gastrecht geht mit Verpflichtungen einher
Klar ist aber auch, dass das gewährte Gastrecht mit klaren Verpflichtungen einhergeht: Respekt
gegenüber gesetzlichen Bestimmungen und geltenden Regeln friedlichen Zusammenlebens zwischen
Kulturen und Geschlechtern, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Anerkennung einer
gesellschaftlichen Entwicklung, die in ihrer historischen Dimension dem Fortschritt und der Aufklärung
verpflichtet bleibt. Religiöser Fanatismus ist in unserer freiheitlichen Gesellschaft daher ebenso fehl am
Platz wie politischer Extremismus, der sich als reaktionärer, antidemokratischer Gegenentwurf versteht.
Beides sind Auswüchse einer menschenverachtenden Praxis, die Gewalt und Ausgrenzung als probates
Mittel zur Festigung eigener Machtansprüche heiligt. Im Grunde sind religiöser Fanatismus und
politischer Extremismus die Kehrseiten einer Medaille, die Andersdenkenden mit Hass,
Gewaltbereitschaft und Vergeltung entgegentritt und unsere demokratische Grundordnung gefährdet.
Derartigen Entwicklungen müssen wir auch als Partei mit Entschlossenheit und Konsequenz
entgegentreten.
Vollverschleierung sorgt für Unbehagen
Unsere Grundwerte – Freiheit, Sicherheit und Solidarität - stehen dort auf dem Spiel, wo Fanatismus und
Extremismus den Spielraum der Freiheit ausreizen, um die öffentliche Sicherheit zu torpedieren. Selbst
wenn Religionsfreiheit in unserem Rechtsstaat per Grundgesetz garantiert ist, sollte deren Ausübung im
Sinne gegenseitigen Respekts dort erfolgen, wo sie weder in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung gerät,
noch öffentliches Ärgernis erregt. Das Tragen einer Burka oder eines Niqab wird beiden Ansprüchen
nicht gerecht. Zum einen, weil die Vollverschleierung gegen das sogenannte Vermummungsverbot
verstößt, das per Gemeindebeschluss in den Kommunen unterschiedlich geregelt ist. Zum anderen wirkt
die Vermummung im öffentlichen Raum befremdlich, weil sie dem freiheitlichen Lebensgefühl unserer
westlichen Welt zuwiderläuft und großes Unbehagen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern auslöst. Wer
sich in der Öffentlichkeit verschleiert, setzt auf Abschottung und signalisiert damit weder Weltoffenheit
noch Kommunikationsbereitschaft. Mit dieser abwehrenden Geisteshaltung ist echtes Zusammenleben
und Integration in unserer Gesellschaft nicht möglich.
Für ein gesetzliches Vermummungsverbot
Als langjährige Verfechterin einer strikten Trennung von Kirchen und Staat wird sich die LSAP auch
weiterhin dafür einsetzen, dass der eigene Glaube sowohl im Privaten wie auch innerhalb von
Religionsgemeinschaften frei ausgelebt werden kann, unter dem Vorbehalt, dass davon keine
Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht. Die geplante Abschaffung des
Religionsunterrichts und die Einführung eines einheitlichen Werteunterrichts an allen Schulen trägt dieser
Entwicklung ebenso Rechnung wie die vorgezeichnete Trennung von Kirchen und Staat im neuen
Verfassungsentwurf. Ein nationales Vermummungsverbot wäre ein weiterer Schritt in die richtige
Richtung. Dabei müsste sichergestellt werden, dass Vollverschleierung im öffentlichen Raum auch
entsprechend geahndet wird.
Menschen, die ihr Gesicht aus religiösen oder anderen Gründen verbergen, können nicht ernsthaft
davon ausgehen, dass ihnen mit Wohlwollen und Vertrauen begegnet wird. Dabei sind gegenseitiges
Vertrauen und gelebte Solidarität in dieser angespannten Weltsicherheitslage wesentliche
Voraussetzungen, damit wir auch weiterhin in Freiheit und gegenseitigem Respekt zusammenleben
können.
Claude Haagen
LSAP-Präsident