Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 DOKUMENTATION Translating Ambition into Action – The German Climate Action Plan 2050 17. Juni 2015 Side Event im Rahmen der UNFCCC COP21 zum Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung Paris/Berlin, 9. Dezember 2015 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Translating Ambition into Action - The German Climate Action Plan 2050 Paris, 9. Dezember 2015, 18.30 – 20.00, Konferenzgebäude, Observer room 01 Am 9. Dezember 2015 fand im Rahmen der UN-Klimaschutzkonferenz in Paris das Side Event zum deutschen Klimaschutzplan statt. Thematischer Schwerpunkt war die Bedeutung des Beteiligungsprozesses, um Länder, Kommunen, Verbände und Bürgerinnen und Bürger bei der Erreichung langfristiger Klimaschutzziele mitzunehmen. Das Side Event diente dazu, die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erfahrungen mit Vertreterinnen und Vertretern anderer UN-Mitgliedsstaaten auszutauschen. Als Referenten konnten gewonnen werden: Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ministerin Elizabeth Dipuo Peters, Ministerin für Transport, Republic of South Africa Dr. Felix Christian Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik Energie & Klimaschutz am Öko-Institut in Berlin Ergänzend wurden die Blickwinkel von Vertretern beteiligter Akteure aus dem Dialogprozess zum Klimaschutzplan aus der Sicht von Umweltverbänden und Wirtschaft, eingebracht durch: Dr. Hans-Jörn Weddige, Konzernkoordinator Energie-, Klima- und Umweltpolitik, thyssenkrupp AG Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer, Germanwatch e.V. Aufgrund der parallel laufenden intensiven Verhandlungen war eine Teilnahme durch Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks sowie der eingeladenen Umweltministerin Südafrikas, Ms. Bomo Edna Molewa, leider nicht möglich. Das Side Event war offen für alle interessierten Teilnehmenden der UN-Klimaschutzkonferenz. Die Veranstaltung fand in englischer Sprache statt (mit Simultanübersetzung). Moderiert wurde sie von Christina Becker-Birck (IFOK GmbH). Im Anschluss bestand Gelegenheit zu einem gemeinsamen Imbiss. Weitere Informationen: Weitere Informationen zum Beteiligungsprozess zum Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung finden sich unter www.klimaschutzplan2050.de Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 1 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Referenten beim Side Event zum Klimaschutzplan 2050 Jochen Flasbarth Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Minister Ms Elizabeth Dipuo Peters Minister of Transport, Republic of South Africa Dr. Felix Christian Matthes Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik Energie & Klimaschutz am Öko-Institut in Berlin Dr. Hans-Jörn Weddige Konzernkoordinator Energie-, Klima- und Umweltpolitik, thyssenkrupp AG Christoph Bals Politischer Geschäftsführer, Germanwatch e.V. Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 2 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Inhalte der Veranstaltung Begrüßung und Einführung Staatssekretär Jochen Flasbarth begrüßte die Teilnehmenden und gab einen kurzen Bericht über den aktuellen Stand der Verhandlungen im Rahmen der UN Klimaschutzkonferenz. Er zeigte sich erfreut, dass sich die Republik Südafrika, vertreten durch ihre Transportministerin, an dem Side Event beteiligt. Südafrika spiele auch bei den Verhandlungen im Rahmen der Klimaschutzkonferenz als Brückenbauer eine wichtige Rolle. Staatssekretär Flasbarth leitete die Gäste in die Zielsetzungen der deutschen Klimapolitik ein und verdeutlichte die Notwendigkeit eines ambitionierten Klimaschutzplans 2050. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wurde der Auftrag definiert, einen Klimaschutzplan für 2050 zu erstellen. Deutschland geht hier einen außergewöhnlichen Weg mit der umfangreichen Einbeziehung der verschiedenen Stakeholder. Länder, Kommunen und Verbände sind derzeit an der Erarbeitung von Maßnahmenvorschlägen für den Klimaschutzplan beteiligt. Parallel wurde am 14. November ein deutschlandweiter Tag des Bürgerdialogs durchgeführt. An diesem Tag haben über 500 Bürgerinnen und Bürgern über passende Maßnahmen für einen Klimaschutzplan 2050 diskutiert. Alle Empfehlungen aus dem Beteiligungsprozess wird die Bundesregierung prüfen. Wenn auch nicht alle Empfehlungen umsetzbar sein werden, geben sie doch wichtige Hinweise darauf, welche Maßnahmen gesellschaftlich akzeptiert sind und schnell in die Umsetzung kommen können. Darin liegt die Chance des Beteiligungsprozesses. „Deutschland geht einen außergewöhnlichen Weg mit der umfangreichen Einbeziehung der verschiedenen Stakeholder.“ „Alle Empfehlungen aus dem Beteiligungsprozess wird die Bundesregierung prüfen.“ Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 3 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Treibhausgasemissionen in Deutschland: Status quo und Szenarien Dr. Felix Matthes, Öko-Institut e.V., gab einen Überblick über Ergebnisse und Lerneffekte aus der Langzeitmodellierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Einleitend verwies Dr. Matthes darauf, dass Deutschland sich in der Mitte eines langen Transformationsprozesses befinde. Das Energiekonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 gibt den aktuellen Zielrahmen vor. Dr. Matthes wies darauf hin, dass trotz starkem Zubau bei den Erneuerbaren Energien heute immer noch Kohlestrom exportiert wird. Die Modellierungen zeigen aber: Die Dekarbonisierung ist – auch ohne Atomstrom - möglich! Laut Dr. Matthes gibt es vier Säulen für ein nachhaltiges Energiesystem in Deutschland: Die Wege für CO2-freie Energieoptionen frei machen Den Ausstieg aus den CO2-intensiven Energien aktiv gestalten Die nötige Infrastruktur mit der ausreichenden Vorlaufzeit bereitstellen Innovationen zum rechten Zeitpunkt verfügbar machen. Das „Timing“ ist der Schlüssel. Darüber hinaus muss damit umgegangen werden, dass die Anzahl von Schnittstellen steigt und immer mehr Teile der Bevölkerung mit Infrastruktur konfrontiert werden. Deutschland ist gut in Innovationen. Diese Stärke muss es nutzen. Die Welt wird bunt werden. Die Innovationen werden uns begeistern. Es ist machbar! „Es gibt vier Säulen für ein nachhaltiges Energiesystem in Deutschland: Die Wege für CO2-freie Energieoptionen frei machen Den Ausstieg aus den CO2-intensiven Energien aktiv gestalten Die nötige Infrastruktur mit der ausreichenden Vorlaufzeit bereitstellen Innovationen zum rechten Zeitpunkt verfügbar machen. Dr. Felix Christian Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik Energie & Klimaschutz am Öko-Institut Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 4 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Partizipation in Südafrikas Klimapolitik Ms Elizabeth Dipuo Peters, Transportministerin der Republik Südafrika, ging auf die langjährige, freundschaftliche Beziehung zwischen Deutschland und Südafrika ein: Mit dem „climate support programme“ der GIZ aus dem Jahr 2010 unterstützt das BMUB die Weiterentwicklung der südafrikanischen Klimapolitik und auch die dort laufenden Konsultationsprozesse. Deutschland half Südafrika bei der Entwicklung von Instrumenten und Programmen, die zu einer „low carbon economy“ beitragen. Immer wieder stellt sich dabei die Herausforderung, ökonomisches Wachstum, den Kampf gegen Armut und den Klimaschutz miteinander in Balance zu bringen. Auch Südafrika setzt dabei auf Beteiligung. In einem umfangreichen Dialogprozess werden in Südafrika fast alle Sektoren involviert. Seit 2012 gibt es das „Interministerial Climate Change Committee“, in dem die wichtigsten Ressorts auf Leitungsebene vertreten sind und sich zu klimapolitischen Fragen abstimmen. Zusätzlich wurde das „Intergovernmental Climate Change Committee“ gegründet, in dem die Ressorts auf Unterabteilungsleiter-Ebene, sowie NGOs und Wirtschaft vertreten sind. In Südafrika sind die Folgen des Klimawandels (u.a. in den Bereichen Gesundheit und Biodiversität) bereits spürbar. Südafrika nimmt seine Rolle als „global responsible citizen“ sehr ernst und setzt sich auf der COP21, wie Deutschland auch, dafür ein, die nationalen Bemühungen zu verstärken. Nötig ist eine weltweite Solidarität. Südafrika begrüßt die enge Verbundenheit mit Deutschland und das gemeinsame Handeln. “Lassen Sie uns unsere Erfahrungen teilen und daran gemeinsam wachsen!” Ms Elizabeth Dipuo Peters, Minister of Transport, Republic of South Africa Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 5 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Gespräch mit beteiligten Akteuren aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft Die Moderatorin, Christina Becker-Birck (IFOK GmbH), begrüßte Christoph Bals und Dr. HansJörn Weddige als Vertreter wesentlicher Stakeholdergruppen, die in den Beteiligungsprozess zum Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung eingebunden sind. Im Rahmen eines Kurzinterviews wurden beide um ihre Eindrücke aus dem Beteiligungsprozess gebeten. Frage: Wie nehmen Sie Ihre Rolle im Beteiligungsprozess wahr? Christoph Bals: Grundsätzlich akzeptieren alle Stakeholder in Deutschland die gesetzten Klimaziele. Natürlich gibt es manchmal auch diejenigen, die die Ziele versuchen zu schwächen. Allgemein sind die Ziele aber breit akzeptiert. Aber wie gestalten wir diesen Transformationsprozess? Wir sind überzeugt: Durch einen verstärkten Einsatz Erneuerbarer Energieträger bekommen wir bessere Lebensbedingungen. Dies müssen wir transportieren. Im Dialog versuchen wir auszuloten, durch welche Rahmenbedingungen verschiedene Akteure dazu gebracht werden können, sich zu bewegen und entsprechende Änderungen umzusetzen. Es geht um bedeutsame Ergebnisse und darum, jetzt den Weg zu beschreiten. Dr. Hans-Jörn Weddige: Mir stellt sich die Frage, wie unsere Gesellschaft im Jahr 2050 aussehen wird. Wir kennen den Weg noch nicht, aber wir müssen jetzt über die gemeinsame Richtung sprechen, um einen bis dahin gangbaren Weg suchen zu können. Innovation spielt für mich dabei eine zentrale Rolle. Aus meiner Sicht bietet gerade Deutschland wunderbare Möglichkeiten, um Innovationen auch für den Rest der Welt bereitzustellen. Der kontinuierliche Dialog ist wichtig! Dabei geht es nicht nur um technologische Neuerungen, sondern auch um Akzeptanz und ein neues Arbeiten. Dabei zeigt sich: Innovationsprozesse dauern lange. Und man darf nicht vergessen, wie viel Zeit für Planung, Genehmigung und Bau neuer Anlagen nötig sind. Schnell ist allein dafür eine Dekade vergangen. Daher ist 2030 bereits morgen und es muss – und das tun wir – bereits heute begonnen werden. Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 6 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Frage: Welche zentralen Meilensteine sehen Sie? Christoph Bals: Die Energiewende in Deutschland hat schon erstaunliche Dinge gezeigt. Beispielsweise sind die Kosten im Bereich der Photovoltaik stark gesunken. Ähnliche Effekte zeigen sich bei LEDs oder bei den Preisen für Passivhausfenster. Es ist nicht nur eine Deutsche Energiewende. Deutschland hat eine zentrale Rolle und kann z.B. dazu beitragen, dass die Kosten für CO2-einsparende Technologien gesenkt werden. Die reicheren Länder müssen ihre Verantwortung tragen. Dr. Hans-Jörn Weddige: Wir müssen uns fragen, wer wir eigentlich sind und sollten uns nicht verleugnen, sondern auch die Stärken Deutschlands betonen. Die Energiewende ist sicherlich nichts, was wir alleine können, ohne den europäischen und teilweise globalen Kontext zu berücksichtigen. Doppelregulierungen und Zielkonflikte müssen aktiv angegangen werden. Regulierung per se ist nicht generell schlecht, aber sie muss zielführend, effektiv und effizient sein. Alles wird komplexer, die Rollen vielfältiger: Man kann Konsument, Produzent etc. gleichzeitig sein. Das birgt neue Herausforderungen. Wir müssen im Austausch bleiben. „Ministerin Hendricks hat eine Perspektive für den Kohleausstieg 2035/2040 aufgezeigt. Wir wollen dabei eine unterstützende Rolle spielen, die gesellschaftliche Diskussion zu gestalten." Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer, Germanwatch e.V. „Klimaschutzpläne bis 2050 müssen die richtige Balance zwischen klarer Zielsetzung mit energischem Angang der Themen einerseits und genug Diskussionsraum und Flexibilität in Anbetracht der technologischen, gesellschaftlichen und sonstigen Unwägbarkeiten andererseits schaffen - und sie müssen untereinander und mit anderen Mechanismen abgestimmt sein, um ineffektive Doppelregulierung zu vermeiden." Dr. Hans-Jörn Weddige, Konzernkoordinator Energie-, Klima- und Umweltpolitik, thyssenkrupp AG Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 7 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Podiumsgespräch: Was sind die Chancen und Herausforderungen partizipativer Prozesse? Den Abschluss bildete eine Diskussionsrunde mit allen Beteiligten. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wurde in dieser Runde durch MinDir Franzjosef Schafhausen vertreten, da sich Staatssekretär Flasbarth wieder den Verhandlungen widmen musste. „Wir brauchen gesellschaftlich möglichst breit akzeptierte Lösungen.“ „Nur mit der nötigen Akzeptanz werden wir es schaffen.“ MinDir Franzjosef Schafhausen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Frage: Warum ist Partizipation in diesen komplexen Prozessen sinnvoll? Ms Elizabeth Dipuo Peters: Partizipation ist in Südafrika tief verankert. Es ist wichtig breit zu beteiligen und sowohl Industrie als auch NGOs mitzunehmen. Alle Beteiligten müssen ihren Beitrag leisten. MinDir Franzjosef Schafhausen: Wir haben uns ambitionierte Ziele gesetzt. Wenn wir diese erreichen wollen, können wir nicht top-down vorgehen und einfach umsetzen. Wir brauchen gesellschaftlich möglichst breit akzeptierte Lösungen. Dabei geht es nicht nur um den Strombereich, wir reden auch über Lösungen im Wärme/Kältemarkt, im Transport, etc. Bei den Bürgern bspw. liegt viel Potenzial, was die Energieeffizienz betrifft. Dies müssen wir nutzen. Gleichzeitig gibt einen großen Widerstand in Deutschland, was den Ausbau der Netze etc. angeht. Selbst gegen Photovoltaikanlagen gibt es Widerstände. Die Ängste müssen wir angehen und über Beteiligung die nötige Transparenz schaffen. Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 8 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Dr. Felix Christian Matthes: Diverse Studien, die wir in der Vergangenheit gesehen haben, haben Dinge prophezeit, die nicht eingetroffen sind und andere Dinge nicht antizipiert. Auch weiterhin werden wir – im Sinne eines „learning by doing“ flexibel bleiben müssen. Die Zukunft ist unsicher, aber die Dekarbonisierung ist möglich – mit den finanziellen Rahmenbedingungen und einer koordinierten Umsetzung. Der politische Rückhalt, der dringend benötigt wird, wird nur mit Partizipation zu schaffen sein. Ms Elizabeth Dipuo Peters: Die Weltbank sorgt schon heute dafür, dass weitere Programme umgesetzt werden können. So kann Südafrika beispielsweise das Problem angehen, dass es z.B. keinen Zugang zu Elektrizität gibt und die Müttersterblichkeit noch recht hoch ist. Deutschland und Südafrika müssen auch hier eng zusammenarbeiten, um den Zugang zu Technologien weltweit zu sichern. Die Podiumsrunde wurde für Fragen aus dem Publikum geöffnet. Frage aus dem Publikum (an MinDir Franzjosef Schafhausen): Sie sprechen von einem nötigen „bottom-up approach“, aber sagen gleichzeitig, dass Bildung und Aufklärung betrieben werden muss – widerspricht sich dies nicht? MinDir Franzjosef Schafhausen: Das schließt sich nicht aus. Wir brauchen Akzeptanz für neue Technologien, auch für Speicherlösungen, Konverter etc. Wir brauchen mehr Aufklärung und Information. Frage aus dem Publikum (an MinDir Franzjosef Schafhausen): Gerade das neue Ausschreibungsmodell für Erneuerbare konterkariert doch die dezentrale Entwicklung und die Möglichkeit für kleinere Akteure sich zu beteiligen. MinDir Franzjosef Schafhausen: Wir befinden uns hier in einer Testphase und müssen sehen, wie die Modelle angenommen werden. Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 9 Dokumentation Side Event, 9. Dezember 2015 Frage aus dem Publikum: Wie sehen Sie CCS als Mittel der Dekarbonisierung? Dr. Hans-Jörn Weddige: Wie beim Hausputz auch, ist es meistens besser Dinge nicht nur unter den Teppich zu kehren, sondern richtig sauber zu machen. CCS wird allein geographisch nicht überall möglich sein. Aus unserer Sicht ist oft der Ansatz CCU – Nutzung von CO2 als Ressource – sehr vielversprechend. Die Dekarbonisierung der reinen Energieerzeugung stellen wir nicht in Frage. Hier kann auch CCU langfristig keine Lösung sein, weil naturwissenschaftlich bedingt der Energieaufwand am Ende bei der CO2-Nutzung höher als der Energieertrag bei der Erzeugung ist. Eine Energieträgersubstitution erscheint langfristig das Mittel der Wahl. Allerdings wird es außerhalb der Energieerzeugung viele wichtige Bereiche geben, die ohne Kohlenstoff nicht funktionieren und wo derzeit und wohl auch absehbar keine Substitutionsmöglichkeit bestehen. Wenn Kohlenstoff in unverzichtbaren Einsatzstoffen enthalten ist wie beim Zement, wenn Kohlenstoff chemisch in den Prozessen genutzt wird wie bei manchen metallurgischen Prozessen oder wenn Kohlenstoff integraler Bestandteil der Produkte ist wie bei bestimmten chemischen oder pharmazeutischen Produkten – dann geht es nicht ohne Kohlenstoff. Aber das ist nicht das Gros der CO2-Emissionen, somit werden wir hier auch langfristig klimaverträgliche Lösungen finden. Frage aus dem Publikum: Die Dekarbonisierung bedeutet einen wahnsinnigen Strukturwandel für die ostdeutschen Bundesländer. Wie soll das gehen? Christoph Bals: Zeit ist hier ein ganz besonderer Faktor. Denn wir müssen den Phase Out jetzt vorbereiten und sozialverträglich gestalten. Die Abwanderung aus einigen Regionen in den neuen Bundesländern ist nicht primär der Energiewende zuzuschreiben. Im Hunsrück haben wir mit den Erneuerbaren gesehen, wie eine Region prosperieren und aufblühen kann. Die Moderatorin dankt den Teilnehmenden und lädt zu weiteren Gesprächen beim nachfolgenden Imbiss ein. Dialogprozess zum Klimaschutzplan 2050 10
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