Migration und internationale Sicherheit Die Europäische Union steht vor der Herausforderung, eine Antwort auf den großen Zustrom von Migranten zu finden. Diese Antwort muss den Grundsätzen der Menschlichkeit gerecht werden und eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten gewährleisten. Zugleich setzt die EU auf die Beseitigung der Ursachen von Migration, allen voran die in einigen Ländern herrschende Instabilität, die mangelnden Perspektiven für junge Menschen, Hunger und Armut. Agenda der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft Zur Bewältigung dieser Krise arbeiten die Niederlande in enger Abstimmung mit der Europäischen Kommission an folgender Agenda: Stärkung der Außengrenzen der EU unter anderem durch Einrichtung einer neuen Grenzagentur, die auch zusammen mit Nicht-EU-Ländern gegen Schleuser vorgehen kann Zusammenarbeit mit der Türkei mit dem Ziel einer drastischen Verringerung des Zustroms von Migranten Einrichtung von sogenannten Hotspots unter anderem in Griechenland und Italien für die Erstaufnahme von Migranten, einschließlich Registrierung, Haftkapazitäten und möglicher Rückführung Einrichtung eines ständigen KrisenUmsiedlungsmechanismus zur Verteilung der Zuwanderer auf die verschiedenen Mitgliedstaaten, als Vorläufer eines Umverteilungsmechanismus für alle Asylanträge in der Europäischen Union Erzielung glaubwürdiger Fortschritte bei der Rückübernahme und Rückführung von Migranten in sichere Drittstaaten oder ihre Herkunftsländer Kooperationsprogramme mit dem Libanon und Jordanien zur Stärkung ihrer Volkswirtschaften, damit diese Länder in der Lage sind, dort verbleibenden Flüchtlingen Grundversorgung, Arbeit und Bildungsmöglichkeiten zu bieten Erarbeitung einer politischen Lösung für die Konflikte in Syrien und der Region, damit die Bürger der dortigen Länder in ihre Heimat zurückkehren können Zusammenarbeit mit Ländern vor allem am Horn von Afrika, in der Sahelzone und in Nordafrika zur Beseitigung der Migrationsursachen; hier geht es um die Durchführung der auf dem Gipfeltreffen in Valletta beschlossenen Vereinbarungen und Projekte; auch mit Afghanistan und Pakistan werden Gespräche über Flüchtlinge und die Rückführung von Wirtschaftsmigranten geführt Europäische Strategie Die vorstehende Agenda leitet sich aus der Strategie der Europäischen Kommission und der niederländischen Ratspräsidentschaft ab, die mittelfristig in einem funktionierenden System resultieren muss – als Antwort auf den Wunsch der Menschen, nach Europa zu emigrieren. Die Strategie umfasst die möglichst umfassende Aufnahme von Menschen in ihrer Herkunftsregion. Migranten, die dennoch nach Europa kommen und hier asylberechtigt sind, müssen längerfristig auf die verschiedenen Mitgliedstaaten verteilt werden. Migranten, die nicht asylberechtigt sind, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa gekommen sind, müssen grundsätzlich in ihr Herkunftsland zurückkehren. Aufnahme von Flüchtlingen in der Herkunftsregion Flüchtlinge suchen häufig Schutz im ersten sicheren Land, das sie auf ihrer Flucht erreichen. Dort gibt es aber zu wenig Unterbringungskapazitäten, deren Qualität zudem unzureichend ist. Darum sehen viele Flüchtlinge nach einiger Zeit keinen anderen Ausweg für sich und ihre Familie als weiterzureisen, häufig nach Europa. Europa will mehr dafür tun, die Perspektiven in der Region der ersten Aufnahme zu verbessern. Vor diesem Hintergrund muss die Sicherheit und der Schutz der dortigen Auffanglager verbessert werden. Es muss aber noch mehr geschehen, wenn die Weiterreise der Flüchtlinge effektiv gestoppt werden soll. Die Aufnahmeländer müssen auf verschiedenen Wegen unterstützt werden: mit guten Auffanglagern, Schulunterricht für Flüchtlingskinder sowie Handel und Wirtschaftshilfe. Dies gilt insbesondere für die Türkei, den Libanon und Jordanien – Länder, die große Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen. Darüber hinaus arbeitet Europa im Rahmen der Valletta-Vereinbarungen zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union an Kooperationsprogrammen mit Ländern am Horn von Afrika, in der Sahelzone und in Nordafrika. Diese Programme verfolgen das Ziel, die Ursachen der Migration zu beheben (Armut, Instabilität, mangelnde Perspektiven) und Vereinbarungen mit diesen Ländern über die Rückführung von Migranten zu treffen. Die Niederlande wollen sich intensiv für die Umsetzung der Valletta-Vereinbarungen in ein effektives Durchführungsprogramm einsetzen. Umsiedlung Trotz der Hilfe für Länder in Konfliktregionen werden nach wie vor viele Flüchtlinge nach Europa kommen wollen. Die Migration nach Europa ist eine Art Überdruckventil, das anspricht, wenn die Not in den Konfliktregionen zu groß ist. So kamen 2015 über eine Million Migranten nach Europa. Dieser Zustrom wird zweifellos noch einige Jahre anhalten. Ziel ist es, ein gemeinsames EU-Programm für die Umsiedlung von Menschen zu entwickeln, die eines der Auffanglager (Hotspots) an den Außengrenzen Europas erreicht haben. Es bedarf eines Systems, mit dem das UN-Flüchtlingskommissariat Flüchtlinge registriert und feststellt, welche von ihnen für die Ansiedlung in einem der EUMitgliedstaaten in Frage kommen. Denkbar ist eine jährlich für die gesamte EU festzulegende Quote, die auf die Mitgliedstaaten verteilt wird. Andere Flüchtlingsgruppen Wenn solide Vereinbarungen mit Drittstaaten über eine sichere Unterbringung getroffen wurden und Umsiedlung eine realistische Möglichkeit ist, wird bei Asylanträgen von Menschen, die die EU dennoch auf anderen Wegen erreichen, die Situation in ihrer Heimat beurteilt. Grundsätzlich gilt, dass auch ihnen Schutz geboten wird. Wenn sie aus Regionen der Welt stammen, in denen es sichere Auffangmöglichkeiten und angemessene Verfahren gibt, die dem spezifischen Hintergrund des individuellen Flüchtlings (etwa im Falle von LGBTs) Rechnung tragen, werden sie basierend auf den Vereinbarungen, die mit den Ländern getroffen wurden, in denen sich die entsprechenden Auffangmöglichkeiten befinden, zurückgeschickt, um dort Schutz zu suchen. Ihr Antrag auf Asyl in Europa kann dann aufgrund des aktuellen internationalen und europäischen Rechtsrahmens abgelehnt werden, da sie die Möglichkeit haben, in einem sicheren Drittstaat unterzukommen. Eine solche Regelung ist notwendig, um alternative Schleuserrouten zu unterbinden. Asylanträge von Flüchtlingen, die aus Regionen stammen, in denen es keine sicheren Auffangmöglichkeiten gibt, werden in Europa bearbeitet. Zwischenphase: Umverteilung in der EU Die im Vorstehenden beschriebene kombinierte Lösung ist kurzfristig nicht realisierbar, aber ein maßgebliches Ziel, auf das die EU hinarbeiten muss. Dass sich Europa zu dieser Lösung verpflichtet, ist Voraussetzung für den Erfolg in der Zwischenphase. Nur wenn eine breite Einigung über ein derartiges Ziel erreicht wird, können zwischenzeitliche Maßnahmen effektiv sein. In diesem Zwischenstadium muss der Schutz von Flüchtlingen im EU-Gebiet weiterhin garantiert sein. Um den aktuellen Migrationsdruck bewältigen zu können, ist es jedoch erforderlich, dass die Mitgliedstaaten zu einer fairen Verteilung gelangen – nicht nur im Hinblick auf die Erstaufnahme der Asylsuchenden, sondern auch bei der Bearbeitung der Asylanträge. In diesem Zusammenhang bedarf es der weiteren Harmonisierung der europäischen Asylpolitik. Wenn die Chancen auf Genehmigung eines Asylantrags in den verschiedenen Mitgliedstaaten nicht gleich sind, bleibt der Nährboden für Menschenschmuggel bestehen. In diesem Zwischenstadium ist es wichtig, dass die Umsetzung der in der Europäischen Migrationsagenda vom Mai 2015 benannten Maßnahmen vorangetrieben wird. Das erfordert in erster Linie die Implementierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durch alle Mitgliedstaaten, wobei der Europäischen Kommission eine wichtige Kontrollaufgabe zukommt und gegebenenfalls der Schutz der Außengrenzen der EU weiter verbessert werden muss. Voraussetzung ist in diesem Zusammenhang die direkte Registrierung im Mitgliedstaat der Erstaufnahme. Da dann eine Umsiedlung folgt – ermöglicht durch eine Ausnahme von der geltenden Dublin-Verordnung –, werden diese Mitgliedstaaten nicht für die Einhaltung der geltenden Verpflichtung zur Registrierung im Land der Erstaufnahme »bestraft«. Die direkte Registrierung hat außerdem den Vorteil, dass sofort festgestellt wird, wer den Schengenraum betritt. Zudem trägt die Umsiedlung dazu bei, der Schleuserkriminalität innerhalb der EU den Nährboden zu entziehen. In welchem Mitgliedstaat europäischer Schutz beantragt wird, darf bei der Entscheidung darüber, in welchem Mitgliedstaat letztlich eine Ansiedlung erfolgt, keine Rolle spielen. Nur dann gibt es keinen Anreiz mehr, innerhalb der EU – womöglich unter Gefährdung des eigenen Lebens durch die Schleuser – in einen bestimmten Mitgliedstaat weiterzureisen. Rückführung Die beste Lösung oder Maßnahme wird nicht verhindern können, dass manche Migranten auch in Zukunft, unter Umgehung der geltenden Regeln, ihr Glück versuchen werden. Ein gewisser Anteil der Wirtschaftsmigranten wird auch künftig den undokumentierten Aufenthalt wählen oder einen unbegründeten Asylantrag stellen. Eine glaubwürdige Migrations- und Asylpolitik erfordert eine effektive Rückführung, vorzugsweise in das Herkunftsland, das zur Wiederaufnahme seiner Staatsbürger verpflichtet ist.
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